Werder Bremen beim Saisonstart:Bremen zerbröselt

Bayern München - Werder Bremen

Trainer Viktor Skripnik sah aus dem Hintergrund zu, wie so ziemlich alles schief lief beim SV Werder.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Selten war Bremen so mittellos, so apathisch, so wurschtig wie beim 0:6 in München. Trainer Skripnik ist mit seiner Ratlosigkeit nicht unschuldig am Kollaps seiner Elf.

Von Jonas Beckenkamp

Was soll einer sagen, dessen Team gerade mit 0:6 aus der Münchner Arena geprügelt wurde? Welche Worte können eine solche Katastrophe zum Saisonstart lindern? Viktor Skripnik, der Trainer von Werder Bremen, entschied sich für die Flucht nach vorn: "Ich versuche immer, meine Mannschaft in Schutz zu nehmen. Dieses Mal nicht. Ich habe kein Verständnis für diese Leistung."

Vieles war bemerkenswert an diesem Bremer Saisonstart. Etwa die Tatsache, dass es einen ähnlich chancenlosen Auftritt bei den Bayern vor nicht einmal einem halben Jahr schon einmal gegeben hatte. Am 12. März lautete das Ergebnis in der vergangenen Saison 0:5, Trainer war auch damals schon Skripnik, der Fußball des SV Werder wirkte damals auf dieselbe Weise verstörend teilnahmslos wie diesmal. In München zu verlieren, zählt für Bremen also längst zum Bundesliga-Alltag - aber so?

Skripnik ist sicherlich nicht unschuldig am erneuten Kollaps seiner Männer. In der ersten Halbzeit versuchte er noch irgendwie einzugreifen, winkte mit den Armen, seine Spieler zuckten mit den Achseln. In der zweiten Halbzeit saß er nur noch auf der Bank. Seine Taktik, die Bayern kommen zu lassen und sich mit einer (löchrigen) Art Fünferkette einzuigeln, sich bloß nichts zu trauen, war so falsch wie sein Verweis auf die Hitze in Fröttmaning, die er in der Pressekonferenz als Erklärung anbrachte.

"Ich bin jetzt der Arsch der Welt", sagt Skripnik

Später, in kleinerer Runde, wurde er ehrlicher: "All die Worte vor dem Spiel oder in der Halbzeitpause hören sich toll an. Aber wichtig ist nur, was auf dem Platz stattfindet. Es ist peinlich für mich und mein Trainerteam, das zu sehen." Das Training unter der Woche sei in Ordnung gewesen, sagte Skripnik zu seiner Verteidigung: "Ich bin jetzt der Arsch der Welt. Ich werde beobachtet wie unter einer Lupe."

Es offenbarten sich so viele Indizien des Zerbröselns, dass es tasächlich peinlich war für jeden, der sich damit identifizieren musste: Die umgebaute Abwehr um die Neuen Fallou Diagne und Lamine Sané glich einem Jenga-Turm kurz vor dem Einsturz. Das Mittelfeld war ohne Taktgeber Zlatko Junuzovic so überfordert, dass seine Stellvertreter Bälle vor lauter Panik reihenweise auf die Zuschauertribüne bolzten - und vorne schlurfte Stürmer Aron Johansson beim seltenen Ballbesitz der Kollegen durch die Prärie wie ein Dalton mit Gefängniskugel am Bein.

Selten war der SV Werder so mittellos, so apathisch, so wurschtig.

Die sonst so milden Fans pfeifen das Team aus

Kapitän Clemens Fritz versuchte es als einziger mit ein wenig Hingabe im Zweikampf, aber auch er lief meist nur nebenher. "Das war ängstlich, mutlos. Wie willst du da den Ball erobern", schimpfte der bald 36-jährige Herzensbremer, "da kann man sich nur entschuldigen. Wir müssen besser zusammenarbeiten." Auch Skripnik monierte, dass es sein Team den Bayern "viel zu leicht" gemacht habe. 27:4 Torschüsse, 71 zu 29 Prozent Ballbesitz, nur acht Fouls im ganzen Spiel - das Statistikblatt lieferte die entsprechenden Zahlen. Und die Fans pfiffen die Mannschaft nach Spielende deutlich hörbar in die Kabine.

Baumann steht zu Skripnik, er hat gerade keine andere Wahl

Nach der Lachnummer im Pokal gegen Drittligst Lotte und vor dem nächsten Spiel am 11. September zu Hause gegen Augsburg bleibt Skripnik nur die Hoffnung auf ein kurzes Durchschnaufen: "Gott sei Dank gibt es jetzt zwei Wochen Pause." Fraglich ist aber, ob Innehalten alleine diese Bremer genesen lässt. Es scheint eine Menge falsch zu laufen - und zwar seit Monaten.

Dazu dürfte auch die Entscheidung der Vereinsführung zählen, statt dem Trainer lieber Manager Thomas Eichin zu entlassen. Skripnik ist der Mann, auf den unter anderem der neue Sportchef Frank Baumann jetzt setzen muss - er hat es selbst so gewollt. Er sprach dem Coach demonstrativ sein Vertrauen aus. "Wir werden da in den nächsten Monaten definitiv nichts verändern. Wir haben die Entscheidung aus Überzeugung getroffen", sagte Baumann. Skripnik habe "auch die letzten zwei Jahre bewiesen, dass er schwierige Situationen meistern kann. Wir werden da nicht die Nerven verlieren." Skripnik, sagte Baumann in einem Anflug von Fatalismus, könne auch die nächsten acht Spiele verlieren.

Für den Manager kommt der Werder-Einbruch offenbar nicht überraschend - ohne die verletzten Angreifer Kruse und Pizarro und ohne Abwehrchef Verstergaard (er ging nach Gladbach) sind die Bremer eben schlichtweg schlechter als vergangene Saison. "Wir wussten, dass wir Geduld brauchen. Wir haben sehr viele Spieler verloren, wir haben viele Neue, haben die schwierige Situation, dass Spieler die Vorbereitung nicht mitmachen konnten", erklärte Baumann, "da fehlt bei uns Qualität, das können wir nicht einfach so wegstecken."

Die ehrlichste Analyse, wenn auch unfreiwillig, lieferte der ärmste Bremer am Freitag, Torwart Felix Wiedwald. Er wollte Skripnik wohl in Schutz nehmen, aber wie alles, was die Bremer versuchten, ging auch das schief: "Das Trainerteam hat uns perfekt eingestellt. Die Tore sind so gefallen, wie wir das vorhergesagt haben."

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