Transfer von Anthony Modeste:Köln fahndet nach dem neuen Modeste

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Modeste beherrschte in Köln auch das: Den Rosenmontagsumzug. (Foto: Oliver Berg/dpa)
  • Beim 1. FC Köln dürfte sich Stürmer Anthony Modeste nach China verabschieden und dem Verein viel Geld einbringen.
  • Die Frage ist: was machen die Kölner mit dem Geld?
  • Kandidaten als Nachfolger gibt es bereits.

Von Sebastian Fischer

Um die Größenordnung der Ereignisse rund um den 1. FC Köln zu verstehen, muss man noch einmal, ein letztes Mal, auf den 5. Mai 2012 zurückblicken. Eine schwarze Wolke hing über dem Stadion in Müngersdorf, Fans hatten aus Frust über den Abstieg Rauchbomben gezündet, von einem "schwarzen Tag" war die Rede, es ging nicht nur um Sport. 33 Millionen Euro Schulden, das war die Bilanz, Vize-Präsident Toni Schumacher hat die Zahl neulich thematisiert. Eine Zahl, die seit Dienstag endgültig eine Geschichte aus ferner Vergangenheit ist.

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Zwar wurde der Transfer noch nicht bestätigt, doch Manger Jörg Schmadtke verriet mehreren Zeitungen vielsagend nach Verhandlungsrunden auf Ibiza und am Kölner Grüngürtel, dass die Gespräche "in diese Richtung" gehen: Rund 35 Millionen Euro wird demnach der chinesische Klub Tianjin Quanjian für Kölns Stürmer Anthony Modeste überweisen, es ist der umfangreichste Deal der Klubgeschichte. Fünf Jahre nachdem ihm das Ende prophezeit wurde, ist der FC seine finanziellen Sorgen los, die Geschäftsführer Alexander Wehrle in den vergangenen Jahren bereits signifikant verringert hatte.

Nur kommen jetzt ein paar sportliche Sorgen hinzu. Dass Modeste, 29, mit 40 Toren in zwei Jahren Kölns herausragender Stürmer, den Klub verlassen würde, war schon am letzten Spieltag zu erahnen gewesen. Da trugen die Fans, die den Einzug in den Europapokal feierten, den Torjäger auf Händen - und Modeste weinte Tränen, die nur den Abschied bedeuten konnten. Auch im Klub haben sie sich wohl nie der Illusion hingegeben, den Stürmer zu halten, der schon im Winter und im Sommer davor das Interesse aus China auf sich gezogen hatte. Es ging in den vergangen Wochen nur um Geld. Und vielleicht auch um Zeit.

Die Euphorie um den Klub ist so groß wie seit Jahrzehnten nicht, im Fan-Shop gibt es "Europapokaaal"-Shirts und -Tassen zu kaufen, der Express berichtet von knapp 4000 neuen Mitgliedern allein im Mai, bald könnten es insgesamt 100 000 sein. Um diese Begeisterung nicht abebben zu lassen, braucht der FC nun einen Nachfolger, emotional und sportlich. Doch um die Not und den neuen Reichtum des Vereins weiß nun auch die Konkurrenz.

Deshalb hat Schmadtke schon in den vergangenen Wochen, noch bevor sich die genauen Dimensionen des Modeste-Deals abzeichneten, sein Interesse für den einen oder anderen Spieler hinterlegt. Jemanden zu finden, den die Fans derart lieben wie Modeste, dürfte die einfachere Aufgabe sein. Zwar kennt auf den Straßen jeder den Torjubel des Franzosen, der sich nach den meisten seiner 25 Saisontreffer Daumen und Zeigefinger wie eine Brille um die Augen legte.

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Doch hat der FC einen derart kölschen Kader, dass sich die Fan-Liebe auf mehrere Schultern verteilt. Der Hoffenheimer Mark Uth, geboren im Stadtteil Porz und ein Kandidat für die vakante Stürmerposition, wäre der neunte Kölner im Kader. Er würde sehr gerne zurück zum FC, heißt es. Uth hat aber noch einen Vertrag bis 2018 in Hoffenheim, er dürfte ein paar Millionen Euro teuer werden. Nun ist Uth kein Modeste, sondern eher ein variabler Flügelstürmer - ein sportliches Äquivalent zu finden, dürfte ohnehin kaum möglich sein. In den vergangenen beiden Spielzeiten war die Kölner Taktik auf Modeste zugeschnitten, auf einen Modeste in Topform, der Bälle im Angriff sicherte, Tore direkt nach Flanken erzielte, per Kopf und mit dem Fuß, der sich nach hinten fallen ließ, wenn die Flanken nicht ankamen, der aus der Distanz traf oder das Eins-gegen-eins suchte und gewann. Physisch ist Jhon Cordoba, 1,88 Meter groß, eine Art Modeste, er ist Kölns Wunschkandidat. Doch obwohl er nur fünf Saisontore erzielt hat, soll Mainz 05 für ihn eine surreale Summe in zweistelliger Millionenhöhe verlangen. Es ist die Kehrseite des Modeste-Geschäfts, dass die Kölner nicht nur mit bar jeder Vernunft aus China gezahlten Millionen reich werden - sondern viele dieser Millionen wieder investieren müssen. "Die sportliche Wettbewerbsfähigkeit besitzt oberste Priorität", sagte Geschäftsführer Wehrle dem Kicker.

Die Aufgabe, eine Mannschaft ohne Modeste auf drei Wettbewerbe einzustellen, ist groß. Doch sie haben beim FC im Sommer ja nicht nur einen Mann für große Aufgaben verloren, sondern ein paar behalten. Anfang Mai verlängerten Wehrle und Schmadtke ihre Verträge, Trainer Peter Stöger wurde aus Dortmund umworben, doch er ist geblieben. Es sei zu schaffen, Modeste zu ersetzen, hat er nun gesagt.

Zwar muss Stöger dafür das System umstellen, den Kölner Fußball neu ausrichten, doch das trauen sie ihm zu. Es hat zwar wahrscheinlich niemand gefeiert am Geißbockheim am Dienstag, aber von Trauer war auch nichts zu lesen. Es war, berichten Beobachter, eigentlich ganz ruhig in Köln, an diesem besonderen Tag.

© SZ vom 21.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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