Tennis:Wie Angelique Kerber Nummer eins der Welt werden kann

Tennis - Olympics: Day 8

Selbstbewusst zur Nummer eins? Angelque Kerber

(Foto: Getty Images)

Am Ende der US Open könnte die Deutsche die Spitze der Weltrangliste übernehmen. Doch aus dem Zweikampf mit Serena Williams ist ein Vierkampf geworden.

Von Matthias Schmid

Vor Beginn der US Open hat Angelique Kerber die Tür zu ihrer Kraftkammer geöffnet. Empfangen hat sie ein Kamerateam des amerikanischen Nachrichtensenders CNN, die beste deutsche Tennisspielerin hat ihre fünf Lieblingsübungen für einen perfekt getrimmten Körper verraten. Die 28 Jahre alte Weltranglisten-Zweite trainiert zum Beispiel gerne mit Sit-ups, um ihre Bauchmuskulatur zu stärken. Sie springt Seil für ihre Beweglichkeit und ein elastisches Theraband hilft ihr dabei, ihre Schultern kräftiger und zugleich geschmeidiger zu machen. "Ich trainiere kurz, aber dafür sehr intensiv", erzählt Kerber mit einem Lächeln.

Kerber ist seit ihrem wundersamen Sieg bei den Australian Open zu einer der weltweit gefragtesten deutschen Sportlerinnen aufgestiegen. Ein Erfolgsmerkmal ist dabei ihre körperliche Verfassung. "Ich gehöre im Moment zu den fittesten Spielerinnen auf der Welt", sagt Kerber selbst. Die internationalen Medien und Fans gieren deshalb nach Fitness-Tipps von ihr, vor allem die Amis stehen darauf.

Kerber hat in den Monaten nach ihrem Triumph gezeigt, dass ihr Sieg bei einem der vier großen Grand-Slam-Turniere kein Zufall war, sie ist keine dieser One-Hit-Wonder im Tennis-Betrieb, die so schnell verschwinden wie sie emporgekommen waren. Kerber hat sich eingerichtet in der absoluten Weltspitze, die Linkshänderin gewann nicht nur das exklusiv besetzte Turnier in Stuttgart, sondern stellte sich anschließend auch noch erstmals in einem Wimbledon-Finale und im Endspiel der Olympischen Spiele in Rio de Janeiro vor.

Virtuell ist Kerber schon die Nummer eins der Welt

Aus diesem Grund ist es auch längst keine Breaking News mehr wert, wenn die gebürtige Bremerin nun nach den US Open den ersten Platz in der Weltrangliste von Serena Williams übernehmen würde - als dann älteste Spielerin in der Tennishistorie, die die Spitzenposition zum ersten Mal innehat.

Zumindest virtuell wird Angelique Kerber als neue Nummer eins im Welttennis in das vierte und letzte Majorturnier des Jahres gehen, das am Montag in New York für sie mit der Erstundenpartie gegen Polona Hercog (Slowenien) beginnt. 490 Punkte beträgt ihr Vorsprung in dem Ranking, in das nur die Ergebnisse der vergangenen zwölf Monate einfließen. Kerber hat in Flushing Meadows kaum Punkte zu verteidigen, nachdem sie im vergangenen Jahr bereits in der dritten Runde ausgeschieden war.

Mit einem Turniersieg in Cincinnati am vergangenen Sonntag hätte Kerber Williams auch schon real und nicht nur virtuell ablösen können, doch im Endspiel gegen die Tschechin Karolina Pliskova spürte Kerber die Müdigkeit und Strapazen nach Olympia, sie verlor 3:6 und 1:6 und stellte enttäuscht fest: "Ich habe alles gegeben, aber ich bin auch nur ein Mensch und keine Maschine."

Aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben. Das weiß auch Kerber, die sagt, dass "ich eines Tages die Nummer eins werden will." Das kann schneller gehen, als sie es sich selbst zutraut. Das glauben auch die Experten. "Es ist eine Frage der Zeit, ehe Kerber die Nummer eins wird", sagte der frühere Trainer von Jennifer Capriati und Andre Agassi, Nick Bollettieri, dem Online-Portal spox.com.

Star-Trainer Nick Bollettieri sieht Kerber im Vorteil

Bereits die US Open könnten nun zu einem Finale in doppelter Hinsicht werden. Sollten Kerber und Williams das Endspiel erreichen, spielen sie nicht nur um den Grand-Slam-Titel, sondern auch um die neue Nummer eins im Welttennis. "Wenn es irgendwann passiert, dann passiert es. Aber ich werde mir keinen Druck machen", sagt die Deutsche nun zu ihrem möglichen Nummer-Eins-Status.

Bollettieri sieht Kerber in New York sogar im Vorteil, weil Williams schon bei Olympia nicht fit wirkte und ihre Teilnahme danach in Cincinnati wegen Schulterbeschwerden absagen musste. "Die US Open werden der Welt zeigen, wie es um Serena bestellt ist", sagt Bollettieri. Williams wird dann auch Steffi Graf mit 186 Wochen am Stück an der Spitze eingeholt haben. An eine weitere Bestmarke der deutschen Tennis-Ikone kann aber auch die formidable US-Amerikanerin noch nicht heranreichen: Steffi Graf stand in ihrer einzigartigen Karriere 377 Wochen an Position eins - so lange wie keine anderer Spielerin vor und nach ihr.

Auch Muguruza und Radwanska könnten die Nummer eins werden

Aus dem Zweikampf könnte unter Umständen sogar ein Vierkampf um die Spitzenposition erwachsen. French-Open-Siegerin Muguruza und Agnieszka Radwanska könnten sich noch als Spielverderberinnen erweisen. Die Spanierin hat dabei die besseren Chancen, sie würde bei einem Triumph in New York zur Nummer eins aufsteigen, wenn Kerber gleichzeitig nicht das Finale erreicht. Auch Radwanska kann sich nur im Falle des Turniersieges zur neuen Weltranglistenersten küren. Anders aber als Garbiñe Muguruzua ist sie dabei von den Ergebnissen von Kerber und Williams abhängig.

Kerber freut sich jedenfalls auf das Turnier in Big Apple, sie verbindet sehr viel mit der Stadt an der Ostküste, die eine Wohlfühloase für die 28-Jährige ist. "New York ist eines meiner Lieblingsturniere. Da hat alles angefangen." Fünf Jahre liegt das schon zurück, als sie sich damals nach einer ersten Schaffenskrise - inklusive Rücktrittsgedanken mit 23 Jahren - erstmals in das Halbfinale eines Majors vorspielen konnte. Dass es nun für sie sogar um die Nummer eins geht, hätte Kerber vor fünf Jahren selbst für so unwahrscheinlich gehalten wie eines Tages einmal ein Interview mit CNN über ihre Fitnessgeheimnisse zu führen. Zu Beginn ihrer Karriere war sie noch eine der unfittesten Spielerinnen gewesen.

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