Tennis in Wimbledon:Mehr Sahne auf die Erdbeeren

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Eugenie Bouchard wird auch wieder dabei sein - sie stand einst sogar im Finale. (Foto: AP)
  • In Wimbledon arbeiten die Veranstalter daran, dass altehrwürdige Tennisturnier zu modernisieren.
  • Dabei ist das Event noch immer auf sympatische Weise unperfekt.

Von Barbara Klimke, London

Wimbledon ist eine Baustelle in diesem Jahr. Am Court Number One, dem zweitgrößten Stadion, wurde das Tribünendach im Herbst abgetragen. Stattdessen ist am oberen Rang nur eine provisorische Konstruktion zu sehen, und im All England Lawn Tennis & Croquet Club müssen sie nun wie üblich hoffen, dass sich das inseltypische Regenwetter in den kommenden zwei Wochen in Grenzen hält.

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Erst 2019 soll die zweite Arena, wie bereits der Centre Court, mit einem Faltdach ausgestattet sein. Auch schräg gegenüber wird demnächst weiter gebuddelt: Platz Nummer 19 ist verschwunden, dort wird eine Piazza für flanierende Tennisliebhaber entstehen. Dem Publikum werde nicht verborgen bleiben, "dass wir in bedeutenden Umbauarbeiten stecken", gab der Geschäftsführer des Klubs, Richard Lewis, vorsorglich bekannt.

Dass die Zuschauer am Montag, wenn die Tore öffnen, über Betonmischer und Mörtelsäcke stolpern, ist allerdings nicht zu fürchten. Schweres Gerät wurde rechtzeitig weggeschafft, und alles, was den Blick trüben könnte, ist von einem Sichtschutz aus Kletterrosen am Spalier kaschiert. Ansonsten wurden üppig bepflanzte Teakholz-Blumenkübel mit Petunien und Buchsbaum in den Klubfarben Lila-Grün strategisch günstig verrückt. Nichts soll bis zum Finale am 16. Juli den Eindruck von "Überlieferung, Unbescholtenheit, Respektabilität und Vorzüglichkeit" schmälern, die der Klub als seine Markenzeichen nennt.

Tatsächlich hat der AELTC Routine darin, den Blick auf das Wesentliche zu lenken, auf das, was für die Zuschauer das Unvergleichliche des berühmtesten Tennisturniers ausmacht: der Rasen, die weiße Kleidung, die Erdbeeren mit flüssiger Sahne. Denn wenn man es genau nimmt, dann wird auf der Anlage nicht erst in diesem Jahr, sondern ununterbrochen gebaut - im Grunde schon seit 1877, als in Wimbledon, damals noch an anderer Stelle, die Gentlemen erstmals bei den Championships zum Racket griffen. Bereits drei Jahre später standen die ersten Tribünen und eine Anzeigetafel. Dann wurde Jahr für Jahr munter weiter gezimmert, gemauert, erweitert und wieder abgerissen.

Heute, 140 Jahre nach der Premiere, ist Wimbledon eine Mammutveranstaltung mit 674 Matches an 13 Tagen, die bis zu einer halben Million Besucher anziehen und die 6000 Mitarbeiter beschäftigt. Das Turnier hat in den vergangenen Jahren einen Überschuss von jeweils mehr als 30 Millionen Pfund (etwa 35 Millionen Euro) erwirtschaftet, der, wie es die Statuten vorsehen, zur Förderung des englischen Tennissports an den Verband überwiesen wird.

1980, als Björn Borg den letzten seiner fünf Titel gewann, waren es noch 42 000 Pfund. Das Geheimnis von Wimbledon war immer, wie der Klub es schafft, sich zu modernisieren und zugleich, bei allem wirtschaftlichen Gewinn, den Charme des Originellen und Antiquierten zu erhalten.

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Der Schlüssel zum Erfolg, sagt Wimbledons Marketing-Chef James Ralley, bestehe darin, anzuerkennen, dass das Turnier "niemals perfekt" sein könne. Der Klub hat seine Freiflächen mit dem Werbeslogan "In Pursuit of Greatness" tapeziert, was übersetzt etwa "nach Höherem streben" heißt. Aber Ralley beharrt darauf, dass die Betonung auf dem Wörtchen "streben" liege. Tradition sei das eine. Das andere sei es, zu wissen, dass es immer noch Luft nach oben gibt.

Veränderungen in Wimbledon, der Mutter aller Traditionsturniere, gehen deshalb behutsam vonstatten. Nicht grundlos dauert es drei Jahre, bis das neue Regendach auf Court Number One fertig ist. Nach jedem Turnier, so erzählt es Ralley, erbittet der Klub zunächst von seinen Mitarbeitern Verbesserungsvorschläge - ein Ritual mit dem Namen "The List": Alles, sagt er, könne da vermerkt sein, "vom Wichtigsten bis zum Lächerlichen, von Hinweisen zum Fernsehbildsignal bis zu einer Türklinke, die nicht im 45-Grad-Winkel hängt".

In seinem Perfektionsdrang findet sich das Turnier heute in einem sonderbaren Spannungsfeld wieder: Einerseits sieht es sich gefordert, mit den weltbesten Sportveranstaltungen zu konkurrieren. Andererseits besteht theoretisch die Gefahr, als eine Art Tennis-Disneyland wahrgenommen zu werden. Die vor zehn Jahren noch enormen Anstrengungen, sich mit 34 Merchandising-Shops in China zu vermarkten, wurden vorerst jedenfalls gebremst.

Manches aber wird bis auf Weiteres unantastbar bleiben: "Dass auf dem Center Court mit Sponsorennamen geworben wird, ist kaum vorstellbar", sagt Marketing-Mann Ralley. Selbstverständlich könnte der All England Club seine Anlage großflächig mit grellen Werbebotschaften zupflastern, aber das störte dann doch erheblich das Empfinden. Außerdem haben die werbefreien Courts einen weltweiten Wiedererkennungswert: gelbe Bälle, grüner Rasen, weiße Kleidung, keine Werbung - das ist Wimbledons Gewinnformel.

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"Was wir möglicherweise an Sponsoring verlieren", heißt es in der Marketing-Abteilung, "das nehmen wir mit TV-Rechten wieder ein." Zu den unveräußerlichen Traditionen gehört auch die Ticketschlange. Wimbledon ist eines der wenigen großen Turniere, das noch Tickets für Kurzentschlossene bereithält. Bis zu 15 000 Karten gelangen pro Tag in den freien Verkauf. Nur auf eine Neuerung muss man sich wohl gefasst machen: Die Sicherheitsvorkehrungen werden bei The Queue dieses Jahr wohl strenger sein.

© SZ vom 01.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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