Sympathien für Weltmeister Deutschland:Herzliche Konquistadoren aus Alemanha

Sympathien für Weltmeister Deutschland: Tanzende Deutsche: Ihre Liebe zu Tangokursen und Sambastunden ist den Brasilianern und Argentiniern schon vor der WM aufgefallen.

Tanzende Deutsche: Ihre Liebe zu Tangokursen und Sambastunden ist den Brasilianern und Argentiniern schon vor der WM aufgefallen.

(Foto: AP)

Die DFB-Elf wirkt als perfekter Botschafter in Südamerika: Die Besucher aus dem fernen Europa kamen wie Konquistadoren nach Brasilien, aber sie eroberten das Land mit Zurückhaltung, Mitgefühl und Manieren. Jetzt sieht es so aus, als seien viele Latinos gerne ein bisschen deutsch.

Von Peter Burghardt, Rio de Janeiro

Deutschlands Image in Südamerika ist gewöhnlich recht eindeutig besetzt. Die Deutschen gelten in Brasilien oder Argentinien in der Regel als arbeitsfreudig und organisiert, aber als tendenziell unterkühlt und hölzern, wobei ihre Liebe zu Tangokursen, Sambastunden und Sprachschulen auffällt.

Das schafft zum einen Respekt und führt oft zu der Frage, wie man als Deutscher freiwillig Argentinien ertrage. Zum anderen ist da immer noch der Eindruck, dass diese unheimlichen Menschen aus dem Land der Dichter, Denker, Autobauer, Bierbrauer, Rennfahrer und Fußballweltmeister mit ihrer konsonantenreichen Sprache gerne das Kommando übernehmen - derzeit durch Angela Merkel in Europa und nun mit ihrer Auswahl auf dem Fußballplatz.

Im Grunde wären viele Latinos gerne ein bisschen deutsch und viele Deutsche gerne ein bisschen Latinos, Zuverlässigkeit hier und Küsschen dort. Geprägt wird der Ruf natürlich auch durch Scharen von Einwanderern. Bei Spielen des DFB schaltete das brasilianische Fernsehen zum Beispiel zu schunkelnden Biertrinkern in Dirndl und Lederhosen ins deutschstämmige Blumenau nach Südbrasilien.

Außerdem war dieser Erdteil ein beliebter Fluchtpunkt für Täter und Opfer der Nazizeit, das spürt man mancherorts noch immer. Doch Reisende aus Buenos Aires oder São Paulo schwärmen heutzutage von Berlin oder Hamburg, und jüngere Siedler und Besucher aus München oder Frankfurt verändern den Ruf von Alemania oder Alemanha enorm. Die warme WM 2006 in Deutschland war ein Wendepunkt, diese WM 2014 in Brasilien der nächste.

Dabei erfüllte die deutsche Expedition zunächst allerlei Klischees. Ein reicher Unternehmer baute dieser Mannschaft von Joachim Löw tatsächlich ein eigenes Quartier samt regensicherem Trainingsplatz ans brasilianische Meer, auf diese Idee kam kein anderer WM-Teilnehmer.

Ihr Campo Bahia war obendrein streng geheim, es wuchs hinter Holzzäunen aus dem sandigen Boden von Santo André. Wachmänner und Funktionäre beschützten es humorlos, unterstützt von Brasiliens Polizei. Es schien die zweite Invasion nach den portugiesischen Eroberern zu sein. Aber siehe da, die neuen Konquistadoren entpuppten sich als nette, weltoffene Menschen.

Die Deutschen tanzen mit Indianern

Sie kamen mit einer Fähre daher, wie gewöhnliche Bürger und Gäste. Ihre Profis wie der unaussprechliche Schweinsteiger tanzten mit Ureinwohnern der Pataxó den Indianertanz. Sie haben einen ruhigen Coach namens Löw, der nicht den Alleswisser gibt wie der Holländer Louis van Gaal oder wie Brasiliens Plauderer Luiz Felipe Scolari. Sie trugen bei manchen Partien sogar rotschwarze Trikots wie der Klub Flamengo, eine Art FC Bayern Brasiliens. Sie freuten sich wie Kinder, nachdem sie das Finale in Rios Maracanã gewonnen hatten, und standen dennoch respektvoll für den Verlierer Argentinien Spalier.

Das gefiel den Hausherren. "Belohnte Hartnäckigkeit und Sympathie", lobte ein Kolumnist der konservativen Zeitung O Estado de São Paulo. "Ein außergewöhnliches Benehmen" habe Alemanha innerhalb und außerhalb des Platzes gezeigt. "Die Germanischen haben bei der WM gearbeitet und sich amüsiert." Sie seien nicht hochnäsig dahergekommen, nicht versnobt, "sie haben den Geist dieser Gegend zu verstehen gelernt, sie waren glücklich".

Deutschlands Spielweise beeindruckt sowieso schon länger in Lateinamerika, auch wenn der Argentinier Javier Mascherano etwas holzschnittartig festgestellt hatte, "das sind Maschinen". Sein Trainer Alejandro Sabella erläuterte feinsinniger, dass Löws Männer außer prächtiger Physis einen Hauch von Südamerika hätten und vielfach Kinder von Immigranten seien wie Khedira, Özil, Boateng.

Gut, argentinische Fans singen besser. Das "Super-Deutschland, olé" oder "Sieg!" klang etwas rustikal und "So ein Tag, so wunderschön wie heute" wie von gestern. Andererseits gingen den Brasilianern Argentiniens hämische Gesänge auf die Nerven, die Nachbarländer sind sich in herzlicher Rivalität verbunden.

Das brasilianische Sportblatt Lance titelte genüsslich: "Wie fühlst du dich, Argentinien?" Deutsche Anhänger sangen: "Ich bin kein Argentinier, ich bin Champion." Es hätte in Rio kaum jemand gestört, wenn die Christusfigur immer nachts schwarz-rot-gold angestrahlt würde. In Buenos Aires haben sie derweil das Gefühl, dass am Ende immer die Deutschen gewinnen.

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