Spanische Nationalmannschaft:Der letzte Zweifel des Andrés Iniesta

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Wird wahrscheinlich nach dem WM seine Karriere in der spanischen Nationalmannschaft beenden: Andres Iniesta. (Foto: David Ramos/Getty Images)
  • Andrés Iniesta deutet einen Abschied aus der Nationalmannschaft nach der WM in Russland an.
  • Beim FC Barcelona will der 33-Jährige nur weiter spielen, wenn er sich weiterhin das höchste Niveau zutraut. Zuletzt ist er häufig als Erster ausgewechselt worden.
  • Iniesta hat den Barcelona-Fans versprochen, nie zu einem Klub zu gehen, mit dem er auf Barça treffen könnte.

Von Javier Cáceres, Berlin

Kann man die Schläge von 90 000 Herzen, wenn sie sich ihren Weg durch ebenso viele Kehlen bahnen, einfach überhören? "Nosotros te queremos, Iniesta quédate", sang das Publikum am Sonntag, nachdem er im Spiel des FC Barcelona gegen Athletic Bilbao für den früheren Dortmunder Ousmane Dembélé eingewechselt worden war: "Wir lieben dich; bleib, Iniesta!", nach der Melodie des alten Protestsongs "We shall not be moved". Es war der schmachtende Ruf einer Menge, die fürchtet, dass Iniesta ihnen im Sommer den Rücken zuwendet und womöglich aufbricht nach China, wo sie ihn mit noch mehr Geld überhäufen würden als in Katar oder den USA, wo ihm eine lukrative Anschlussverwendung ebenfalls sicher wäre.

Im vergangenen Jahr hatte Iniesta einen Vertrag auf Lebenszeit mit dem FC Barcelona geschlossen, nachdem er lange im Unklaren gelassen worden war, ob der Verein überhaupt mit ihm verlängert. Er selbst soll irritiert gewesen sein, dass Barça die Verhandlungen auf die lange Bank geschoben hatte. Der Verein war zu sehr mit den Arbeitsverhältnissen der Stürmer Lionel Messi, Luis Suárez sowie des Brasilianers Neymar beschäftigt - Letzterer verließ dennoch spektakulär den Klub. Am Ende wurde eine Klausel eingebaut, nach der Iniesta an jedem 30. April entscheiden kann, ob er beim FC Barcelona bleibt oder den Kontrakt beendet.

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Er selbst wertete dies als einen Vertrauensbeweis. "Die Leute wissen hier, wie ich ticke, und dass ich ehrlich sein werde, mir und dem Klub gegenüber", sagt Iniesta. Was das bedeutet, erklärte er am Vorabend der Reise der spanischen Nationalelf zum Länderspiel gegen Deutschland an diesem Freitag in Düsseldorf in einem Interview mit dem Radiosender Cadena Ser: "Ich bleibe nur, wenn ich 200 Prozent geben kann, wie ich es immer getan habe. Wenn ich nicht weitermachen sollte, dann weil ich mich nicht in der Lage sehe, diese 200 Prozent zu geben, die der Klub verdient. Es ist der einzige Zweifel, den ich habe."

Dass er sich im Falle eines Wechsels nach China finanziell endgültig gesundstoßen würde, versteht sich von selbst, zudem sollen die Chinesen ihn nicht nur mit Geld, sondern auch mit dem Angebot ködern, ihm Weine aus seiner Kellerei abzukaufen. Der FC Barcelona, heißt es, soll jüngst erneut versucht haben, ihn vom Bleiben zu überzeugen, die Vorkehrungen für Iniestas Abschied sind allerdings längst getroffen. Barcelona hat im Januar den Brasilianer Coutinho teuer beim FC Liverpool abgelöst; ein weiterer Brasilianer, Arthur von Grêmio Porto Alegre, ist im Anflug. Keiner dieser beiden Transfers wäre ohne den nahenden Abschied von Iniesta strategisch zu verstehen.

Im WM-Finale 2010 schoss Iniesta das Siegtor

Dass sie ihn beim FC Barcelona bestens kennen, kann man wohl sagen. Iniesta, der im Mai 34 Jahre alt wird, kam im Alter von zwölf Jahren in die Jugendakademie des Klubs, die damals noch in der "Masía", dem legendären Steinhaus im Schatten des Camp Nou, beherbergt war. Er litt unter Heimweh, weinte, boxte sich durch, wurde mit Xavi, Carles Puyol, Sergio Busquets, Víctor Valdés und natürlich Lionel Messi zu einer der Ikonen einer unvergleichlichen Generation des Klubs. Er hat seit seinem Profidebüt 2002 unter dem Niederländer Louis van Gaal mehr als 30 Titel geholt, darunter acht spanische Meisterschaften, vier Champions-League-Titel und drei Klub-Weltmeisterschaften.

Mit der spanischen Nationalelf gewann Iniesta 2008 und 2012 zwei Europameisterschaften - und natürlich 2010 den Weltmeistertitel, im Finale schoss er gegen die Niederlande in Johannesburg das Siegtor, das den damaligen Nationaltrainer Vicente del Bosque vor ein paar Tagen erst öffentlich wieder zu Tränen rührte, als er bei einem PR-Termin noch einmal die alten Bilder sah. Dass Iniesta nach der WM in Russland in der Nationalmannschaft weitermacht, ist praktisch ausgeschlossen, und die Gelegenheit ist auch deshalb günstig, weil sich ein Kreis schließen würde.

Sein erstes Länderspiel bestritt Iniesta 2006 in Albacete, nahe seiner Geburtsstadt Fuentealbilla, in einem Freundschaftsspiel gegen: Russland. Aus biologischen Gründen sei es "wahrscheinlich", dass er der Nationalelf im nächsten Sommer Lebwohl sage, erklärte Iniesta; er wolle nicht aufgrund seines Lebenslaufs dabei sein, sondern es sich schon verdienen. "Ich hoffe natürlich, dass es so läuft wie erträumt", sagt Iniesta mit Blick auf den 15. Juli, dem Tag des WM-Finales in Moskau, und die leise Hoffnung, dort Spanien als Kapitän aufs Feld führen zu können.

"Er ist besser drauf als in der vergangenen Saison", sagt Spaniens Nationaltrainer Julen Lopetegui, der Iniesta in Düsseldorf zum 124. Länderspiel verhelfen dürfte. In dieser Saison hat Iniesta tatsächlich weniger mit Verletzungen zu kämpfen als im Vorjahr; und dass der aktuelle Barcelona-Trainer Ernesto Valverde ein weniger vertikales Spiel pflegt als sein Vorgänger Luis Enrique, kommt Iniesta entgegen. Weil er mehr Ballkontakte hat, ist er wieder zu Barças identitätsstiftender Figur geworden; er hat 22 von bislang 29 Ligaspielen bestritten, allerdings ist er oft als Erster ausgewechselt worden. Auch daran merkt er, dass die Zeit voranschreitet.

Wohl auch deshalb sagte er nun, dass es ihm schwer fallen würde, sich fit zu fühlen, und trotzdem nicht in der ersten Elf zu stehen. Was wiederum so klingt, als würde er doch den Herzen der Barça-Fans widerstehen können. Er hat ihnen bisher nur versprochen, nie zu einem Klub zu gehen, mit dem er auf Barça treffen könnte, eine Offerte von Juventus Turin schlug er 2017 aus. Ob er bleibt oder geht, lässt er jedoch offen: "Die Entscheidung ist wohlüberlegt, aber noch nicht gefallen", sagt Iniesta.

© SZ vom 23.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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