Ronaldo wird Chef der WM 2014:Brasiliens Beckenbauer steigt groß ein

Lesezeit: 2 min

Der pensionierte Stürmer Ronaldo wird Organisations-Chef der Fußball WM 2014 in Brasilien - doch was ist der wirkliche Grund für das Engagement des fülligen Volkshelden? Eine Marionette von Verbandspräsident Ricardo Teixeira will Ronaldo nicht sein. Ob ihm das gelingt?

Peter Burghardt

Von den schnellen Bewegungen hat sich Ronaldo Luís Nazário de Lima schon eine Zeit lang verabschiedet. In seinen besten Zeiten wurde der Brasilianer zur Herde ernannt, weil er mit dem Ball am Fuß allen davonrannte. Aber schon auf dem Rasen wurde er immer langsamer.

Auf Du und Du mit den zwielichtigen Figuren des Weltsports: Ronaldo (links), hier mit Formel-1-Chef Bernie Ecclestone beim Grand Prix in São Paulo. (Foto: Getty Images)

Sein Körperumfang nahm maradonianische Ausmaße an, ständig streikten die Knie. Bei Corinthians São Paulo schien Il Fenomeno eine neue Heimat gefunden zu haben, doch im Februar 2011 machte der wohl beste Stürmer des ausgehenden 20. Jahrhunderts nach 17 Jahren als Profi dann Feierabend, zum Abschied gab es noch einen Kurzauftritt im Nationaltrikot.

Ronaldo wurde Berater, Schauspieler und Unternehmer, seine Firma vertritt unter anderem den neuen Wunderknaben Neymar aus Santos. Jetzt allerdings startet der füllige Volksheld einen verblüffenden Sondereinsatz: Er leitet Brasiliens Weltmeisterschaft.

Der früh pensionierte Angreifer wird mit 35 Jahren Chef des Organisationskomitees der WM 2014 (COL). Er übernimmt einen Job wie 1998 in Frankreich der Kollege Michel Platini und 2006 in Deutschland Franz Beckenbauer, denen das damals gut gelang. Der Kaiser Franz feierte seinerzeit den dritten Großtriumph seiner Karriere als Glückskind und setzte sogar durch, dass es ein schöner deutscher Sommer wurde, was es seither nicht mehr gegeben haben soll.

Als Funktionäre hatten der heutige Uefa-Grande Platini und die Lichtgestalt Beckenbauer damals schon gewisse Erfahrung, der Nachfolger aus Rio de Janeiro ist da eher Neuling. Trotzdem darf er ab sofort als Galionsfigur der Nation auftreten und als oberster Repräsentant des Turniers jenen Mann ablösen, den inzwischen bei aller Vorsicht auch die brasilianischen Regierung als Zumutung begreift: Ricardo Teixeira, Brasiliens allmächtiger Verbandspate.

Der ehemalige Schwiegersohn des früheren Fifa-Präsidenten João Havelange ist von allerlei Skandalen sowie sagenhaftem Reichtum umgeben, seine ständige Vetternwirtschaft gehört zu den harmloseren Vergehen. Mit dem Veranstalter COL soll der Herr über den brasilianischen Fußballbund CBF, Teilnehmer der Fifa-Exekutive und Blatter-Amigo einen Vertrag vereinbart haben, wonach Verluste bei der WM der CBF zufielen - und Gewinne zu 50 Prozent ihm.

Fußball: Ronaldo macht Schluss
:Abschied mit Bäuchlein

Nach 18 Jahren Profifußball absolviert Ronaldo sein allerletztes Spiel für die brasilianische Seleção - mit einigen Kilos mehr als zu seinen besten Tagen. "Il Fenômeno" blickt auf eine bemerkenswerte Karriere zurück, die immer wieder von schlimmen Verletzungen unterbrochen wurde.

Ein Porträt in Bildern

Das mutmaßliche Abkommen ginge in die Annalen der dreistesten Deals der Sportgeschichte ein. Verwickelt ist er offenbar auch in die Causa ISL: Die einstige Fifa-Vermarktungsfirma soll Mittelsmännern 100 Millionen Dollar überwiesen haben.

Fußball: Ronaldo macht Schluss
:Abschied mit Bäuchlein

Nach 18 Jahren Profifußball absolviert Ronaldo sein allerletztes Spiel für die brasilianische Seleção - mit einigen Kilos mehr als zu seinen besten Tagen. "Il Fenômeno" blickt auf eine bemerkenswerte Karriere zurück, die immer wieder von schlimmen Verletzungen unterbrochen wurde.

Ein Porträt in Bildern

Mit seinen gesammelten Affären musste sich bereits ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss befassen, doch gestürzt wurde der unheimliche Senhor Teixeira nicht, Medien und Politik sind Untertanen in seinem Reich. Immerhin setzt sich die resolute Staatspräsidentin Dilma Rousseff ein wenig von dem Kleptomanen ab und machte Pelé demonstrativ zum Ehrenbotschafter der WM, obwohl auch sie sich nicht wirklich mit Teixeira anlegt.

Bestechliche Minister lassen sich leichter feuern, wegen allerlei Unregelmäßigkeiten ausgewechselt wurde auch der Ressortleiter Sport, der Neue heißt Aldo Rebelo. Teixeira bleibt CBF- Patron, aber übergibt seinen Nebenposten als oberste COL-Figur nun einer angenehmeren Person, Ronaldo.

Kürzlich plauderten die beiden bei einem Galadinner schon angeregt. "Teixeira benützt Ronaldo, um es bis 2014 zu schaffen", vermutet die Zeitung Folha de São Paulo. Zuletzt war Ronaldo in den Chor der Kritiker eingestimmt, denn beim Bau von Stadien und der Renovierung der Flughäfen hat Brasilien bereits erhebliche Verspätung. Außerdem hat das Parlament noch nicht den Knebelverträgen der Fifa bei der Vermarktung und dem Verkauf der Tickets zugestimmt. "Noch ist nicht klar, was die Rolle der Regierung, der Fifa und des brasilianischen Verbandes sein soll", stänkerte Ronaldo. "Es wäre ideal, das alles dem brasilianischen Volk zu erklären."

Künftig ist er Stimme und Gesicht dieser WM. "Ronaldo hat Charisma, Wissen und privilegierte Intelligenz", lobt Andrés Sánchez, Präsident des Klubs Corinthians und künftiger Beauftragter der Nationalteams. "Er steht außerhalb jedes Verdachts, aber ich weiß nicht, ob er mit all dem umgehen kann."

Es heißt, der Auserwählte verlange Freiheiten in seinem Amt, eine Marionette Teixeiras will er nicht sein. Bald wird Ronaldo merken, dass der Fußballplatz eine schöne Wiese war und die Welt der Funktionäre ein Dschungel ist, falls er das nicht schon längst weiß.

© SZ vom 01.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: