Relegationsspiel in Düsseldorf:Jagdszenen gegen den Schiedsrichter

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Beim Sportgerichtsprozess um das Bundesliga-Relegationsspiel Fortuna Düsseldorf gegen Hertha BSC Berlin gerät die Frage, ob die Partie wiederholt wird, schnell in den Hintergrund. Schiedsrichter Wolfgang Stark schildert, wie ihn Berliner Profis angegriffen hätten. Ein Urteil fällt erst am Montag.

Hans Lorenz, der Vorsitzende des DFB-Sportgerichts, hatte die richtige Ahnung, als er die Verhandlung eröffnete: Eigentlich habe man die Bundesliga-Saison für beendet gehalten, nun gehe sie erst richtig los - für ihn und die Sportjuristen im Deutschen Fußball-Bund. Wenig später hatten Lorenz und die zwei Beisitzer haufenweise Material für weiterführende Sportprozesse auf dem Tisch, Schiedsrichter Wolfgang Stark als Hauptzeuge erhob schwere Vorwürfe gegen Berliner Profis.

Schwieriger Abgang: Schiedsrichter Wolfgang Stark erhebt schwere Vorwürfe gegen Berliner Spieler. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Dabei ging es am Freitagnachmittag zunächst nur um den Einspruch von Hertha BSC gegen die Wertung des Relegationsspiels am Dienstagabend in Düsseldorf: Zweitligist Fortuna hatte durch ein 2:2 den Bundesliga-Aufstieg geschafft, dabei war es zu einer 21-minütigen Spielunterbrechung gekommen, weil Fortuna-Fans schon 90 Sekunden vor Spielende den Platz gestürmt hatten. Referee Wolfgang Stark brachte die Partie später zu Ende.

Das sieht die Hertha als Fehlentscheidung. Die Partie hätte wegen des Fan-Auflaufs, den Fortunas Ordnungsdienst nicht verhindert habe, schon früher abgebrochen werden müssen, keinesfalls aber hätte sie erneut angepfiffen werden dürfen. Offizielle hätten auf Fortsetzung gedrängt, angeblich, um eine Katastrophe zu vermeiden, trug die von Anwalt Christoph Schickhardt vertretene Klägerpartei vor. Das Zuschauerverhalten sei gar nicht mehr berechenbar und daher ein Spielabbruch zwingend erforderlich gewesen.

Hingegen verwies Fortuna-Anwalt Horst Kletke auf den im Regelwerk festgelegten Ermessensspielraum des Schiedsrichters, der ein Spiel unter- oder abbrechen dürfe. Referee Stark habe sich innerhalb dieses Reglements bewegt, zumal keine Sicherheitsbedenken bestanden hätten beim Wiederanpfiff. Der Berliner Antrag sei abzuweisen.

Dann kam der Zeuge Stark - und mit ihm der Paukenschlag: Der aktuell beste Unparteiische des deutschen Fußballs schilderte veritable Jagdszenen auf seine Person, die sich nach dem Abpfiff ereignet hätten. Zunächst habe Hertha-Kapitän Levan Kobiaschwili "mit ausgestrecktem Arm, mit der Faust in meine Richtung geschlagen". Stark sei am Hinterkopf getroffen worden. Er sich an ein Geländer klammern können, sonst wäre er "fünf, sechs Meter die Treppe hinuntergestürzt". Trotzdem seien die Attacken fortgesetzt worden. Herthas Verteidiger Christian Lell habe ihn am Arm gepackt und als "feiges Schwein" beschimpft.

Stimmen zu Ausschreitungen im Relegationsspiel
:"Das war ein irreguläres Spiel"

Bestürzt reagieren die Verantwortlichen von Fortuna Düsseldorf auf die Fankrawalle während des Relegationsspiels im eigenen Stadion. Gegner Hertha BSC denkt über einen Protest nach - viel Lob bekommt indes Schiedsrichter Wolfgang Stark: Weil er es schaffte, die Situation zu deeskalieren.

Stimmen im Überblick

Auf dem Weg zur Schiedsrichterkabine seien die Referees von weiteren Berliner Kickern abgefangen worden. André Mijatovic habe ihn als "Wichser" bezeichnet, die Profis hätten "die Kabine stürmen" wollen. "Wir mussten die Türen immer wieder zudrücken. Ich konnte Mijatovic und Kraft (Hertha-Torhüter Thomas Kraft, d. Red.) erkennen." Dabei seien weitere Beleidigungen gefallen. Stark sagte den DFB-Richtern: "Ich hatte Angst, war den Tränen nahe und musste mir auf die Lippen beißen. So etwas habe ich noch nicht erlebt".

Der 42-jährige Unparteiische, dessen Gespann für die Fußball-EM in Polen/Ukraine nominiert ist, ließ offen, ob er Kobiaschwili noch in der Kabine wegen Körperverletzung angezeigt habe. Dass eine Strafanzeige vorliege, bestätigte indes die Düsseldorfer Polizei am Freitag, ohne Namen zu nennen. Damit wird die Causa vor ordentliche Gerichte transportiert - ein äußerst seltener Vorgang im Profisport, der seine Fälle gern über interne Schiedsgerichte regelt.

Sollten sich die Behauptungen bewahrheiten, droht Kobiaschwili - den Coach Otto Rehhagel kürzlich als "fairsten Spieler seit dem Zweiten Weltkrieg" bezeichnet hatte - eine Spielsperre von einem halben bis zu zwei Jahren. So sieht es das DFB-Reglement vor. Zwar sind dort bei minder schweren Fällen von Tätlichkeiten acht Wochen Sperre als Minimalstrafe vorgesehen, doch Starks Vortrag, in Kombination mit einer Anzeige, deutet auf ein gröberes Vergehen hin. Auch wurde der Referee nach dem Schlag von Düsseldorfs Mannschaftsarzt behandelt.

In Bezug auf die Partie betonte Stark, er habe nach der 20-minütigen Unterbrechung von der Polizei grünes Licht für die Fortsetzung bekommen. Darauf habe er Hertha-Manager Michael Preetz, Fortuna-Coach Norbert Meier und den Spielführern mitgeteilt, es seien noch 90 Sekunden zu spielen. "Ich habe das Spiel nicht abgepfiffen, sondern nur unterbrochen", sagte Stark.

Doch die Kernfrage dieser Verhandlung, ob es ein Wiederholungsspiel geben könne, war mit Starks massiven Anklagen gegen eine Reihe Berliner Profis bereits in den Hintergrund gerückt. Das Urteil wird am Montagmittag um 15.00 Uhr verkündet.

© SZ vom 19.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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