RB Leipzig:Ganz nach Businessplan

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Timo Werner trifft, Leipzig feiert den Einzug in die Champions League. (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Die Stürmer Timo Werner und Davie Selke trafen beim 4:1-Erfolg gegen Hertha BSC jeweils doppelt.
  • Um mögliche Probleme um das Champions-Leauge-Startrecht macht sich RB Leipzig keine Sorgen.
  • Laut Leipzigs Sportdirektor Ralf Rangnick soll der Kader im Sommer deutlich aufgestockt werden.

Von Javier Cáceres, Berlin

Manchmal schneit es im April. Und manchmal erinnert man sich im Mai an Schnee von gestern, wie Ralf Rangnick, der 2016 als Sportdirektor von RB Leipzig in die Bundesliga aufstieg und nun wohl so etwas ist wie der König der Messestadt. Mit 4:1 hatte Leipzig in Berlin gegen die Hertha gewonnen, und der Blick konnte in einem Grundton der Rührung zurückschweifen.

"Vor vier Jahren standen wir noch auf irgendeinem Schulsportplatz von Union Berlin II, umgeben von Schneehaufen, auf einem Platz, auf dem normalerweise keine Viertligaspiele stattfinden dürfen", sprach also Rangnick. Er kam aus dem Schwärmen nicht mehr heraus. "Jetzt sind wir wieder in Berlin und machen im Olympiastadion vor fast ausverkauftem Haus die Champions-League-Qualifikation klar. Das ist schon großartig."

Imposanter 4:1-Sieg in Berlin
:Leipzigs Krönung

Durch ein 4:1 in Berlin qualifiziert sich RB Leipzig sicher für die Champions League. Als Fußball-Märchen geht die Geschichte des Aufsteigers trotzdem nicht durch. Daran erinnern die Berliner Fans.

Von Javier Cáceres

Und ganz nach Businessplan. Es ist keine acht Jahre her, seit das Projekt startete, mit dem Kauf des Startrechts des damaligen Fünftligisten SSV Markranstädt in der Süd-Staffel der Oberliga Nordost. Nun also Europa, und auch noch in der Königsklasse. Der letzte Klub, der sich als Aufsteiger für die Champions League qualifizierte, war AS Monaco im Mai 2014. In Deutschland hat derlei nur der 1. FC Kaiserslautern vollbracht, vor fast 20 Jahren, als Überraschungsmeister der Saison 1997/98.

Keine Sorgen um Champions-League-Startrecht

Ein "Märchen"? Nicht einmal die Financial Times, die eher selten Fußballtabellen analysiert, sondern Bilanzen von Großkonzernen, und im Übrigen antikapitalistischer Umtriebe eher unverdächtig ist, konnte sich am Samstag uneingeschränkt dazu durchringen, den beispiellosen Aufstieg Leipzigs so zu nennen; es sei eben "nicht die Geschichte des Triumphs eines Außenseiters gegen alle Wahrscheinlichkeiten", sondern "in den Augen der Klubgegner ein Symbol für die Herrschaft, die das Geld über das schöne Spiel erlangt hat". Wenn das also der "Kampf um die Seele des Fußballs" ( FT) war, so darf er nun als verloren gelten. Doch den Leipzigern war das allemal egal.

"Das ist ein historischer Moment für uns alle, für unseren Klub. Das sind Dinge, die wir so noch nie erlebt haben und nicht erwartet haben", sagte der RB-Vorstandsvorsitzende Oliver Mintzlaff, als er, für seine Verhältnisse aufgeregt, im Burberry-Mantel in die Mikrofone sprach. Dass es wegen der Nähe zu Red Bull Salzburg, das seine Meisterfeier am Samstag nach einem 1:2 beim SV Mattersburg vertagen musste, zu Problemen beim Champions-League-Startrecht kommen könnte (Mintzlaff etwa war bis vor ein paar Wochen noch Head of Global Soccer bei Red Bull und damit für Leipzig und Salzburg verantwortlich), dürfte aufgrund teurer Anwälte kein Thema sein. "Alle anderen bei uns im Verein arbeiten schon seit Monaten mit Hochdruck daran, die Bedingungen zu erfüllen, deshalb mache ich mir da überhaupt keine Sorgen", sagte Rangnick, der bis 2015 auch in Salzburg Sportdirektor war.

Im Olympiastadion war zu beobachten, dass sportlich ebenfalls mit Hochdruck gearbeitet wurde. "Mich hat die Mentalität dieser Mannschaft überrascht, es ist ja eine sehr, sehr unerfahrene Mannschaft", sagte Mintzlaff. In Berlin standen sieben, acht Spieler auf dem Feld, die vor Jahresfrist noch den Aufstieg bewerkstelligt hatten - und nun vor dem Spiel bei der Hertha von Trainer Ralph Hasenhüttl mit einem Video motiviert wurden, das mit der Champions-League-Hymne unterlegt war. Sie spielten entsprechend, und das heißt: so konzentriert und dominant, dass Herthas Coach Pal Dardai es hernach ablehnte, über die Partie zu reden.

Timo Werner, in Leipzig zum Nationalmannschaftsstürmer gereift, erzielte die ersten beiden Treffer (12./54.); Davie Selke, dem Abwanderungsgelüste nachgesagt wurden, weil er in Leipzig nur eine Nebenrolle spielte, steuerte die weiteren Treffer bei (89./92.). Für den U21-Nationalspieler Selke habe er sich besonders gefreut, sagte Coach Hasenhüttl, weil der Stürmer als Dauer-Reservist besonders gelitten und dennoch im Training gezeigt habe, wie sehr er darauf brenne, "seinen Teil zu dem Wunder beizutragen, das wir heute geschafft haben". Sein 3:1 nach dem Anschlusstreffer von Hertha (Eigentor von Rani Khedira/85.) sei "wie eine Befreiung" gewesen. Rangnick wiederum signalisierte, dass man Selke gerne halten würde. "Wir wissen ganz genau, was wir an Davie haben, und wir werden ihn nicht auf Teufel-komm-raus abgeben. Schon gar nicht für irgendwelche Low-Budget-Preise".

Teure Zugänge? RB will auch künftig lieber auf Talente setzen

Denn für den Sommer steht eine Aufstockung des Kaders an. "Ob drei oder vier Zugänge reichen, das weiß ich nicht. Vielleicht brauchen wir auch fünf oder sechs", sagte Rangnick. Das soll im Rahmen einer Geschäftspolitik vollzogen werden, die Mintzlaff in bestem Managerdeutsch "nachhaltig" und "langfristig" nannte, weil es trotz eines Transferdefizits von 60 Millionen Euro finanzielle "Leitplanken" gebe, die man nicht rammen wolle. Man werde auch jetzt "keine bekannten, teuren Stars kaufen, sondern unserer Linie treu bleiben, junge, hochbegabte Spieler zu holen, die wir so entwickeln, wie wir die Mannschaft entwickelt haben, die wir heute hier gesehen haben", sagte Rangnick im ZDF. Am Samstag steht das letzte Heimspiel der Spielzeit an, gegen den alten und neuen Meister FC Bayern, "ein Schaulaufen auf hohem Niveau", wie Trainer Hasenhüttl sagte, das nun nachrangig ist.

In den nächsten Tagen werde am Trainingsgelände am Cottaweg "keiner anzutreffen sein", sagte der Coach, er gab seinen Spielern drei Tage frei. "Mittwochnachmittag ist ein guter Termin, um wieder anzufangen."

© SZ vom 08.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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