Profis von Real Madrid:Aufgepäppelt in Alemania

Real Madrid vs Getafe

Cristiano Ronaldo und Martin Ødegaard - zwei Welten von Fußballern. Aber was wird aus dem Norweger?

(Foto: picture alliance / dpa)

Borja Mayoral oder Martin Ødegaard gelten bei Real Madrid als Ausschussware - für solche Spieler ist plötzlich die Bundesliga interessant.

Von Javier Cáceres, Berlin

Nachdem er seinen Vertrag beim Fußball-Bundesligisten VfL Wolfsburg unterzeichnet hatte, setzte der aufstrebende spanische Stürmer Borja Mayoral einen emotionalen Brief an die Anhänger von Real Madrid auf. Er habe "die schwierigste Entscheidung", die er je habe treffen müssen, hinter sich, berichtete der 19-Jährige in dem Kommuniqué, das er am vergangenen Wochenende verbreitete.

In der Tat: Er kehrte nicht nur - schwer genug - dem spanischen Rekordmeister und aktuellen Champions-League-Sieger den Rücken; er gehört dem Verein seit seinem zehnten Lebensjahr an. Er hoffe, schrieb also Mayoral, in Deutschland die nötige Reife zu erlangen, "um zurückzukehren und in der besten Mannschaft der Welt zu triumphieren". Das ist keine Geringschätzung des neuen Arbeitgebers - sondern lediglich Ausdruck dessen, dass sein lange gehegter Traum von glorreichen Abenden im Bernabéu-Stadion intakt ist.

Dass ein solcher Traum keine Schimäre sein muss, beweisen ihm aktuell die Beispiele von Dani Carvajal und Álvaro Morata. Auch sie durchliefen die Jugendabteilung von Real Madrid, ehe sie ihr Heil im Exil suchten, weil sie in der ersten Mannschaft keine Spielzeit bekamen.

Carvajal fand es bei Bayer Leverkusen in Deutschland, Morata bei Juventus Turin in Italien. Carvajal kehrte 2013 nach einem einjährigen Gastspiel in Leverkusen zu Real Madrid zurück; Morata bewies sich zuletzt zwei Jahre lang bei Juventus Turin und etablierte sich bei der EM in Frankreich als Nationalstürmer. Doch ob Morata es Carvajal wirklich gleichtun und einen Stammplatz bei Real Madrid erobern kann?

"Geh nach Deutschland, du wirst es nicht bereuen"

Die wahren Mythen bei Real Madrid sind Madrilenen, heißt es unter den Sympathisanten des Hauptstadtvereins. Doch in den vergangenen Jahren konnte keiner den Butragueños, Sanchís, Raúls, Casillas oder Gutis nachfolgen. Seit der Bauunternehmer Florentino Pérez die Geschicke des Vereins lenkt, ist es für Spieler aus dem Nachwuchs noch schwieriger geworden, in die erste Mannschaft zu rücken.

Pérez setzt auf Stars von weltumspannender Popularität. Die Konkurrenten der Mayorals und Moratas heißen Cristiano Ronaldo, Karim Benzema oder Gareth Bale. Und die Planstellen sind bei Real Madrid im gleichen Maß begrenzt wie der Schatten der Galaktischen lang ist.

Schon immer hat Real Madrid in seiner Nachwuchsabteilung Talente angehäuft; schon immer hat der Rekordmeister die Konkurrenz mit qualitativ gutem Überschuss versorgt. In den 40 Teams der ersten und zweiten spanischen Liga tummeln sich pro Saison mitunter mehr als einhundert von Real ausgebildete Profis; das sichert immerhin die Einnahmen, mit denen der Klub die Nachwuchsabteilung finanziert. Vergleichsweise neu ist, dass sich die Scouts ausländischer Klubs verstärkt in der Sportstadt von Real Madrid umschauen - ein gigantisches Areal in Flughafennähe, wo jede Nachwuchsmannschaft unter Profibedingungen trainiert - mit eigenem Trainerstab, eigenem Physiotherapeuten, eigenem Sportarzt.

Erinnerungen an Raúl

Unter den Spähern, die dort auf der Tribüne sitzen, sind zunehmend auch Vertreter deutscher Vereine. Sie zehren wiederum von dem guten Ruf, den die Bundesliga in Spanien genießt, spätestens seit den Tagen von Raúl beim FC Schalke 04. Auch Heimkehrer wie Carvajal berichten von vollen, modernen Stadien, guter Zahlungsmoral, attraktiven Gehaltsstrukturen, einer starken Liga, einem hohen Maß an persönlicher Sicherheit - und der Aussicht auf persönliche Weiterentwicklung. "Geh nach Deutschland, du wirst es nicht bereuen", habe ihm Carvajal gesagt, berichtet Mayoral.

So kommt es auch nicht von ungefähr, dass sich nicht nur der VfL Wolfsburg in diesem Sommer bei Real bedienen konnte. Eintracht Frankfurt holte den defensiven Mittelfeldspieler Omar Mascarell sowie Innenverteidiger Jesús Vallejo. Am Dienstag meldete die Sportzeitung As, auch die norwegische Nachwuchskraft Martin Ødegaard liebäugele mit einem Wechsel in die Bundesliga. Sicher ist: Bei Real Madrid kam er bisher und kommt er wohl auch absehbar nicht zum Zuge.

Jedenfalls nicht so, wie er es vor einem Jahr erhofft hatte. Damals war Ødegaard das umkämpfteste Starlet des Marktes, auch der FC Bayern war an einer Verpflichtung des noch immer 17 Jahre alten Nationalspielers interessiert. Der Wettbewerb hatte Folgen: Real Madrid wollte Muskeln zeigen und die europäische Konkurrenz ausstechen. Ødegaards Vater konnte Bedingungen diktieren, die dem Sohn auf die hochbegabten Füße fielen.

Mit einem Salär von angeblich 1,2 Million Euro netto brachte er das Gehaltsgefüge in der zweiten Mannschaft von Real Madrid komplett aus den Fugen, die vertraglich fixierte Zusicherung, mit der ersten Mannschaft Reals zu trainieren, potenzierte den Neid auf den Norweger. Der vormalige Coach der zweiten Mannschaft von Real Madrid, Zinédine Zidane, soll Ødegaard nicht nur nicht protegiert haben; er soll ihn geopfert haben, um sich die Gunst des Teams zu sichern.

Seit Januar ist Zidane Chefcoach - Grund genug für Ødegaard, den Markt zu sondieren. Bei Real kam Ødegaard bisher nur auf einen Erstligaeinsatz, im Mai 2015 gegen den FC Getafe. Auch deshalb heißt es schon länger, dass Real Madrid Ødegaard gerne verleihen würde, um ihn eines Tages - gestählt, geadelt und gereift - wieder aufzunehmen. Angeblich würde Real Madrid Ødegaard gern bei einem spanischen Klub unterbringen, so würde er die Primera División besser kennenlernen. Ødegaard selbst bevorzuge aber Deutschland. Als möglicher Interessent gilt der Hamburger SV.

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