Pogba bei Manchester United:Van Gogh im Theater der Träume

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Der Teuerste: Paul Pogba. (Foto: dpa)

Der Franzose Paul Pogba wechselt für 120 Millionen Euro zu Manchester United - und sogar sein neuer Trainer Mourinho gibt zu: "Der Markt ist verrückt geworden."

Von Javier Cáceres, Berlin

Es gibt offenkundig Gründe, Juventus Turin gering zu schätzen; die Zahl der Italiener, die das tun, geht seit Jahrzehnten in die Millionen. Juventus steht allerdings auch für Dinge, die selbst jenen Hochachtung abverlangen, die für die Turiner nichts, aber auch gar nichts übrig haben. Zum Beispiel: die An- und Verkaufspolitik des aktuellen italienischen Meisters. Am Montag wurde Juves jüngster Coup offiziell verkündet, die wochenlang andauernde Transfersaga wurde beendet. Paul Pogba, 23-jähriger französischer Mittelfeldspieler, wurde an Manchester United veräußert. Für sagenhafte 120, in Worten: einhundertzwanzig Millionen Euro.

Vor vier Jahren war Pogba von Manchester nach Turin gewechselt - ablösefrei

Der verrückteste Aspekt des teuersten Transfers der Fußballgeschichte, der die Einkäufe von Gareth Bale (101 Millionen), Cristiano Ronaldo (94), und Gonzalo Higuaín (90) in den Schatten stellt, ist nicht, dass Pogba vor vier Jahren von dem Klub gekommen war, der ihn nun kauft, sondern dass er seinerzeit ablösefrei zu den Italienern stieß.

Pogba hatte sich mit Uniteds legendärem Trainer Alex Ferguson überworfen, der auf den alten Paul Scholes vertraute. Juve musste seinerzeit bloß diverse Gebühren und eine Ausbildungsentschädigung entrichten, mal ist von einer, mal von sechs Millionen Euro die Rede. Sei's drum: Es waren, um es in der Sprache der Deutschen Bank zu sagen, Peanuts im Vergleich zu dem, was Manchester United nun zahlt. So kann man sich irren.

Am Sonntag hatte Manchester United bereits bestätigt, dass Pogba die Erlaubnis von Juventus erhalten habe, sich dem obligatorischen medizinischen Check zu unterziehen. "#Pogback!", wortspielte die Medienabteilung von Manchester United. Am Abend dann bestätigte der neue Trainer des englischen Pokalsiegers den Transfer. "Endlich haben wir ihn!", sagte José Mourinho nach dem 2:1-Sieg seines Teams im Charity-Shield gegen Meister Leicester City im Londoner Wembley-Stadion.

Den Siegtreffer erzielte Uniteds neuer schwedischer Stürmer Zlatan Ibrahimovic, der ablösefrei aus Paris nach Manchester gestoßen war. Von den anderen beiden Zugängen Uniteds stand nur der ivorische Innenverteidiger Éric Bailly (vormals Villarreal) in der Startelf, der aus der Bundesliga hinzugeholte Armenier Henrikh Mkhitaryan (Borussia Dortmund) kam erst in der Schlussminute zum Einsatz. Für Bailly und Mkhitaryan hatte Manchester United insgesamt 80 Millionen Euro entrichtet, zählt man Pogba hinzu, hat der 20-malige englische Meister 200 Millionen Euro auf den Markt geworfen.

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In seiner Zeit bei Juventus ist Pogba vier Mal italienischer Meister sowie zwei Mal italienischer Pokalsieger geworden. In 178 Pflichtspielen erzielte er 34 Tore, laut Gazzetta dello Sport ist er der einzige Spieler der fünf großen Ligen Europas, der in den letzten drei Spielzeiten 20 Tore, 20 Vorlagen und 600 Balleroberungen aufweisen kann. Insgesamt kam er in vier Jahren auf 22 Torvorbereitungen, zwölf davon in der letzten Saison.

Auch Real Madrid hatte sich einen Einkauf des französischen Nationalspielers überlegt, wollte - oder konnte - dann aber mit den Millionen der englischen Premier League nicht mithalten. Hinzu kam, dass Reals Klub-Boss Florentino Pérez sich mit dem Manager von Pogba, Mino Raiola, nicht einmal ansatzweise versteht. Zwar wurde immer wieder mal über Verhandlungen zwischen Real und Pogba geraunt, jedoch wirkten sie nie zielführend. Fakt ist: Real Madrids Trainer Zinédine Zidane, der in diesem Sommer öffentlich nur den Kauf seines französischen Landsmanns Pogba angeraten hatte, schaut in die Röhre.

Dem Vernehmen nach stellte Raiola den wichtigsten Grund dafür dar, dass sich die Verkündigung des Transfers in die Länge zog. Juventus nannte einen Preis, den man für Pogba sehen wollte, drückte aber die Vermittlungsgebühren (und vor allem die diesbezüglichen Verhandlungen) mit Raiola und der Familie Pogba den Engländern aufs Auge. Angeblich erhalten sie 25 Millionen Euro. Darüber, welche Seite die bezahlt, gibt es unterschiedliche Angaben.

"Der Fußball ist verrückt, und der Markt ist verrückt geworden"

United-Trainer Mourinho hält die Rückkehr Pogbas in die Premier League für die einzige Lösung, die den Ambitionen Pogbas entgegenkommt. "Wenn man der beste Spieler der Welt werden will und zu Barcelona oder Madrid geht, kommt man in Schwierigkeiten. Ich denke nicht, dass die anderen beiden großen Jungs dich auf dieses Level kommen lassen", sagte er in Anspielung auf Real Madrids Cristiano Ronaldo und Lionel Messi vom FC Barcelona. Diese beiden wären mutmaßlich noch teurer als Pogba, wenn sie denn auf dem Markt wären, mag Raiola auch noch so oft betonen, dass der Wert seines Klienten so unkalkulierbar sei wie ein Gemälde von van Gogh.

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So oder so wirkt der Transfer wie eine Parabel auf die Theorien des früheren Torwarts von Racing Universitaire d' Alger, Albert Camus, der das Leben als eine hoffnungslose Absurdität umschrieb (wobei er das tat, als er nicht mehr zwischen den Pfosten stand, sondern in Paris existenzialistische Schriften verfasste). "Der Fußball ist verrückt, und der Markt ist verrückt geworden", sagte auch Mourinho am Sonntag. Einerseits. Andererseits gestand er auch, vollends verwirrt zu sein: "Was ist teuer und was ist nicht teuer im Fußball? Ich weiß es nicht mehr. Ich weiß nur, dass er (Pogba) ein großartiger Spieler ist."

Der Anhang Manchesters scheint die Rückkehr des Franzosen in das "Theater der Träume", wie Uniteds Stadion Old Trafford genannt wird, zu goutieren. "Pogba's coming home" sangen sie am Sonntag in Wembley, zur Melodie des Lightning-Seeds-Hits "Football's coming home" aus dem Jahr 1996.

Mourinho wiederum sang das hohe Lied auf die Selbstlosigkeit Pogbas. "Geld würde er von jedem großen Verein bekommen. Das ist nicht der Punkt", sagte der Coach, "er kommt, weil er den Klub, die Stadt und viele Spieler kennt. Er will ein wichtiger Teil des Projekts sein." Unerheblich dürfte der pekuniäre Aspekt freilich nicht sein. Pogba hat sich für fünf Jahre bei Manchester United verpflichtet - und wird ein Lohntütchen mit 275 000 Pfund beziehungsweise 330 000 Euro abgreifen. Jede Woche.

© SZ vom 09.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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