Fußball:Leroy Sanés Abflug ins Abenteuerland

Für 50 Millionen Euro wechselt Sané zu Manchester City. Der FC Bayern ist darüber nicht glücklich - aber für die Münchner war der Spieler zum falschen Zeitpunkt auf dem Markt.

Von Christof Kneer

Selbst in England ist das Wetter manchmal relativ. Zwar hatte sich der Himmel über Manchester erwartungsgemäß nicht extra hübsch gemacht, um den jungen Mann zu empfangen, auf den Fotos von Leroy Sanés Ankunft sind mehrere erstklassige Wolken zu erkennen. Aber was wäre die Alternative gewesen? Mittersill im Bundesland Salzburg, 800 Meter über dem Meeresspiegel: Gemeldet wurden am Montag 18 Grad und Regen.

Wenn Leroy Sané am Montag mit der Mannschaft im Flieger ins Trainingslager nach Österreich sitze, dann bleibe er Spieler von Schalke 04: Das hatte der neue Sportchef Christian Heidel am Sonntag gesagt - hübsch, aber als falsche Fährte nutzlos. Nicht mal in diesen aufgeregten Transfertagen, in denen alles sowie auch das Gegenteil davon möglich ist, hat irgendwer an eine Wende geglaubt. Am Dienstag gegen 11 Uhr bestätigte Manchester City die lange erwartete Einigung, der 20-Jährige wechselt sofort nach England.

Es war ja seit Tagen nur noch darum gegangen, welche Summen in diesem Vertrag stehen. Sanés Wechsel zählte zum Grundwissen der Branche, seit der neue City-Coach Pep Guardiola kürzlich das Interesse am Spieler bestätigte.

Gut 75 Millionen haben Guardiolas deutsche Jahre seinen neuen Arbeitgeber jetzt schon gekostet. Sein in München erworbenes Herrschaftswissen hat der katalanische Coach bereits zum zweiten Bundesliga-Transfer genutzt: Nach Dortmunds Ilkay Gündogan hat Guardiola nun auch Schalkes Sané überredet, seinen heimischen Kultklub für jene globalisierte Fußball-Firma zu verlassen, die Guardiola in den nächsten drei Jahren trainieren wird. Rund 50 Millionen Euro Basis-Ablöse kassiert Schalke von dem Klub, der von Scheich Mansour bin Zayed al Nahyan und vom englischen TV-Vertrag unterstützt wird. Mit diesem Geld kommt man in Mittersill vermutlich ein paar Tage durch.

Der Reiz des englischen Marktes zeigt sich im Fall Sané so klar und rein wie kaum bei einem Transfer zuvor. Offenkundig haben sich der 20-Jährige und seine Ratgeber nicht wehren wollen gegen diese neue Art von Eigendynamik, sie haben sich gerne mitreißen lassen von der Goldgräberstimmung auf dem Markt.

Sané wollte den Wechsel, und er wollte ihn jetzt, obwohl er nach Branchenlogik auch gute Gründe gefunden hätte zu warten. Im vertrauten Schalker Umfeld hätte er noch ein Jahr reifen können, um dann eben im Sommer 2017 zu verschwinden - für eine vereinbarte Summe von 35 Millionen, die ihn angesichts seines Marktwertes fast zum Sonderangebot gemacht hätte. Und derlei unverbindliche Preisempfehlungen werden auf dem Markt gerne mit recht begrüßenswerten Extra-Handgeldern honoriert.

FC Bayern nicht glücklich über den Sané-Wechsel

Am Ende ist aber auch Sané wohl dem sorgsam gepflegten Mythos Guardiola erlegen. Dieser durchaus schwierige Mensch hat bei der mit den Erfolgen des FC Barcelona sozialisierten Spielergeneration den Ruf, ein durchaus schwieriger Mensch, aber eben auch ein fantastischer Spiel- Erklärer zu sein. Und Guardiola-Vertraute sagen, für den Trainer sei Sané nicht nur eine zynische Trophäe; er habe mit dem jungen Flügelspieler wirklich etwas vor. Sané soll dem auf Kontrolle gepolten Pep-Style die anarchischen Messi-Momente hinzufügen, die Guardiola aus Barcelona liebt.

Sané kommt jetzt ins Abenteuerland, kein Experte traut sich derzeit eine Prognose über Manchester City zu. Keiner weiß genau, ob - oder: wie schnell - es Guardiola gelingen wird, aus dieser ebenso teuer wie beliebig vor sich hin kickenden Betriebself eine Fußballmannschaft zu bauen. Beim FC Bayern werden sie das nicht öffentlich sagen, aber glücklich macht sie der Sané-Transfer nicht. Sie hätten sich das ja schon gut vorstellen können: dass dieser junge Mann noch ein Jahr in Schalke reift, um 2017 für schnäppchenartige 35 Millionen nach München zu wechseln, wo zur selben Zeit die Verträge der Seitenliniensenioren Franck Ribéry und Arjen Robben enden.

Ein junger deutscher Nationalspieler, der auf dem besten Weg ist, zu einer Marke zu werden, und eine Frisur mit sich führt, die alle so süß finden: Das sind die Spieler, die der FC Bayern sucht und braucht.

So zeigt die Personalie Sané auch, dass es immer noch Unterschiede zwischen Reich und Reich gibt. Der Spieler sei leider "zum falschen Zeitpunkt" auf dem Markt, heißt es bei Bayern. Wegen eines Talents, das sie erst morgen wollen, werden die Bayern nicht heute schon 50 Millionen überweisen; ein dreistelliges Transferminus, wie es ein paar englischen Klubs am Ende der Transferperiode droht, können und wollen sich die Bayern nicht leisten. Im Moment ist das Minus vermutlich noch nicht mal zweistellig: Ausgaben von über 70 Millionen (Hummels, Sanches) stehen aktuell Einnahmen von über 60 Millionen (Götze, Rode, Højbjerg, Benatia) gegenüber.

So werden die Bayern auch weiterhin damit leben, dass sich der Markt nicht immer an ihre Wünsche hält. Auch den ehemaligen Wolfsburger Kevin De Bruyne hätten sie ja gerne mal verpflichtet, aber auch da stimmte der Zeitpunkt nicht. Die Bayern hätten erst ein Jahr später für ihn Platz gehabt, aber dann griff ein anderer Klub zu. De Bruyne spielt jetzt bei Manchester City.

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