Pleiten in der Champions League:Lernt wieder das Verteidigen!

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Muss man gleich derart untergehen? Schalker Profis gegen Real Madrid. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Schalke gegen Real 1:6. Leverkusen gegen Paris 0:4. Beide Klubs sind im Achtelfinale der Champions League bemerkenswert chancenlos und setzen einen Trend fort. Alleine mit dem Vorhaben, mutig nach vorne zu spielen, geht gegen die hochgetunten Klubs nichts mehr. Sie brauchen neue Abwehrstrategien.

Ein Kommentar von Thomas Hummel

Die Freude der Bundesliga war groß: Alle vier Vertreter hatten die Gruppenphase in der Champions League überstanden, das volle deutsche Paket spielt im Jahr 2014 um die Krone des europäischen Fußballs. Festtage standen an. Und jetzt? Schalke gegen Real Madrid 1:6. Leverkusen gegen Paris 0:4.

Erstaunlich dabei ist die totale Chancenlosigkeit von Mannschaften, die derzeit in der Bundesliga wieder auf den Plätzen vier und zwei stehen. Die also Aussichten haben, auch in der kommenden Champions-League-Saison dabei zu sein. Und es waren ja keine Ausrutscher.

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Real Madrid fegt über Schalke 04 mit 6:1 hinweg, doch mit der Misere beschäftigt sich das Team von Jens Keller nur kurz. Stattdessen wird sinniert, welche Mannschaft denn nun die weltbeste ist - auf die Schalker wartet in der Bundesliga mit dem FC Bayern schon der nächste übermächtige Gegner.

Von Andreas Morbach, Gelsenkirchen

Schalke war schon in der Gruppenphase gegen Chelsea grandios unterlegen gewesen, Leverkusen erlitt gegen Manchester United ein 0:5. Und wer erinnert sich nicht an das 1:7 vor zwei Jahren in Barcelona?

Allerdings betreffen diese hohen Pleiten nicht nur die armen Schalker und die armen Leverkusener. In der Bundesliga überfährt der FC Bayern seine, nun ja, Konkurrenten nach Belieben, die meisten sind glücklich, wenn die Münchner nach dem 4:0 genug haben. Sonst können es schon mal sieben Gegentore (Bremen) oder neun werden (HSV).

Diese Entwicklung ist einerseits Ergebnis dessen, dass das Regelwerk in den vergangenen 20 Jahren konsequent im Sinne des offensiven Spiels geändert wurde. In den achtziger Jahren hätten die grimmigen Verteidiger diesen schönen Ronaldo so lange in den Dreck getreten, bis dieser keine Lust mehr gehabt hätte. Wer heute Spiele von damals sieht, der erschrickt bisweilen ob der gestreckten Beine, die auf Kniehöhe über den Rasen schlitterten. Heute müssen Defensivspieler viel vorsichtiger agieren, sonst fliegen sie schlicht vom Platz.

Das ist gut für außergewöhnlich begabte Offensivspieler. Diese verteilen sich allerdings auf immer weniger Klubs. Durch den enormen finanziellen Erfolg der Champions League sind die großen Vereine dem Rest weit enteilt. Die Kader von Real Madrid, Paris Saint-Germain, Bayern München oder FC Barcelona sind erlesen und teuer, ein breiter Graben tut sich auf zu Mannschaften wie Schalke oder Leverkusen.

Muss man aber gleich derart untergehen? War Fußball nicht immer der Sport, in dem die Kleinen auch die Großen mal ordentlich zusetzen können? Der Sport, der so viele Varianten bietet, so viele Möglichkeiten, sich zu wehren?

Der deutsche Fußball hat seit den düsteren Zeiten bis etwa 2004 die Offensive entdeckt. Er legt viel Wert auf Technik und Ballfertigkeit, seine Ausbildungszentren produzieren offensive Mittelfeldspieler von Weltformat am Fließband. Sein Bundestrainer Joachim Löw vertritt die Haltung, dass nur dominant auftretende Mannschaften was erreichen können. Das alles ist gut und richtig und vor allem schön anzuschauen. Für Mannschaften wie den FC Bayern und die Nationalmannschaft trifft das auch zu, dominanter als die Münchner in dieser Saison hat überhaupt noch nie ein Verein gespielt.

Aber gilt das auch für Schalke? Für Leverkusen?

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Vielleicht wird es für die Klubs der zweiten, dritten, vierten Reihe Zeit, mal wieder das Verteidigen des eigenen Tores neu zu entdecken. Wie die Gelsenkirchener ins Verderben liefen, war schon bemerkenswert. Bis zum 0:2 ging es halbwegs, doch die Mannschaft hatte offenbar nur den Plan mit auf den Platz genommen, mutig nach vorne zu spielen, wie es so schön heißt. Nach den ersten Gegentoren verloren die Schalker Mut und Selbstvertrauen. Es wurde deutlich, dass es keinen Plan B gab. Dass Real stark ist im Konter und ein Cristiano Ronaldo mit Tempo im Eins-gegen-Eins vermutlich nicht mal von Superman und schon gar nicht von Joel Matip zu stoppen ist, hätte sich durchaus rumsprechen können. Mit ein bisschen mehr Pech hätten die Schalker auch neun oder zehn Gegentore kriegen können.

Dabei gibt es ja durchaus Vorbilder, wie man bisweilen gegen bessere Mannschaften gut aussehen kann. Der Dortmunder Höhenflug begann 2011 nicht mit einem Offensivspektakel, sondern mit Schufterei in der Defensive. Der BVB doppelte und trippelte damals Ribéry und Robben auf den Außen und wartete auf die Gelegenheit zum Überfallkonter. Das war eine Möglichkeit, sich zu wehren. Eine Zeitlang eine recht erfolgreiche. Haben die Schalker Cristiano Ronaldo am Mittwochabend einmal gedoppelt?

Trainer wie Thomas Tuchel in Mainz oder Roger Schmidt in Salzburg versuchen, Ideen zu entwickeln, wie man den hochgetunten Teams begegnen kann. Man muss allerdings auch dran glauben. Schalkes Trainer Jens Keller hoffte hingegen schon vor dem Spiel gegen Real "dass wir ein kleines Wunder vollbringen können". Wer keinen exzellenten Plan hat, oder auch zwei, oder drei, der braucht gegen die Besten der Besten wirklich ein Wunder.

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