Nationalelf-Kapitän Philipp Lahm:Auf der Jagd nach mehr Macht

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Klein, süß, harmlos? Das war einmal. Wenn der Fußballer Philipp Lahm Interviews gibt, klingt das trotz seiner kieksigen Stimme immer so, als habe da einer etwas zu sagen. Mit seinem Buch zeigt Lahm, was einen kleinen Mann wie ihn wirklich antreibt.

Josef Kelnberger

Er ist so klein, er ist so süß, er sieht so harmlos aus. Kann dieser Philipp Lahm jemandem etwas zuleide tun? Natürlich nicht, sagen seine Bewunderer, vor allem Frauen, bei denen er den Beschützerinstinkt weckt. Aber nette Männer machen keine Karriere, vor allem nicht, wenn sie nur eins siebzig messen. Nur nett, so wird niemand Kapitän des FC Bayern München und der Nationalmannschaft, der beiden wichtigsten deutschen Fußballmannschaften also.

Einst "Capitano-Killer", heute Buchautor: Philipp Lahm. (Foto: REUTERS)

Der Fußballer Lahm wird gerühmt für seine Technik und seine Intelligenz, aber unterschätzt wird oft die Beharrlichkeit, mit der er sein Ziel verfolgt. Wenn er Interviews gibt, klingt das trotz seiner kieksigen Stimme immer so, als habe da einer etwas zu sagen. Vor allem aber sagt Lahm die richtigen Dinge zur richtigen Zeit.

Als sich Michael Ballack vor der Weltmeisterschaft 2010 verletzte, übernahm Lahm das Kapitänsamt - interimistisch, hieß es. Doch als die Mannschaft aus Ballacks Schatten trat, reklamierte er das Kapitänsamt öffentlich für sich. Auf dem Boulevard trug ihm der Schachzug den Titel "Capitano-Killer" ein.

Nun hat Philipp Lahm ein Buch geschrieben, respektive schreiben lassen. Es heißt "Der feine Unterschied", aber die Teile, die er der Bild zum Vorabdruck freigab, klingen eher grob. Lahm schildert seine ehemaligen Trainer Völler, Klinsmann, Magath und van Gaal als wahlweise inkompetent, stur, überautoritär. Und die deutsche Mannschaft, die bei der Europameisterschaft 2008 mit Ballack als Kapitän das Finale erreichte, beschreibt er als zerstrittenen Haufen.

Die Wirkung dieser Stellen lässt sich nicht mehr zurückholen mit dem Verweis, der Rest des Buches sei ausgewogen. Rudi Völler attestiert Lahm charakterliche Mängel, selbst ihm wohlgesonnene Menschen wie der ehemalige Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld wundern sich. Welcher Teufel also hat Philipp Lahm geritten, dieses Buch zu schreiben?

Er selbst nennt es ein Dokument seiner Reifung, aber es wirkt wie das Gegenteil davon. Seine ganze Karriere lang hat sich Lahm herumgeschlagen mit der Spezies der Führungsspieler, Lautsprecher, Leitwölfe: vermeintlich echten Kerlen wie Oliver Kahn, die nicht nur Gegenspielern, sondern auch Teamkollegen das Schienbein polierten. Chefs müssen klare Kante zeigen, sagt das Klischee.

Philipp Lahm scheint es mit dem Buch selbst zu bedienen, obwohl er doch eine neue Fußballer-Generation verkörpert, die nicht nur schönen Fußball spielt, sondern sich auch artig benimmt und pfleglich miteinander umgeht. Lahm predigt den kollegialen Führungsstil, ein lobenswertes Projekt. Nur drängt sich jetzt der Eindruck auf, als rücke er, dirigiert von seinem Berater, seine eigene Person allzu sehr in den Mittelpunkt.

Der kleine, nette Herr Lahm wird nun auch bald 28 Jahre alt. Er hat Angebote des FC Barcelona und von Real Madrid abgelehnt, hat sich auf Jahre hinaus an seine geliebte Münchner Heimat gekettet, ebenso an seine Position als linker Verteidiger. Zum großen Abenteurer hat er nicht das Zeug. Philipp Lahm verschreibt sich ganz der Jagd auf große Titel. Und offensichtlich reizt ihn auch, was kleine Männer, wie es heißt, vor allem antreibt: Macht.

© SZ vom 26.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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