Lahm versus Vereinsführung:Bayern verkündet den Frieden

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Die Münchner Bosse beenden nach einer "Diskussion" die Auseinandersetzungen mit dem Kritiker Philipp Lahm - und geben sich nach den vielen Pro-Lahm-Reaktionen gemäßigt.

Andreas Burkert

Philipp Lahm hatte sich dem Anlass entsprechend gekleidet, zu seiner Jeans trug er Weste und Jackett; nicht zu fein, aber auch nicht zu leger. Ein ausgeglichenes Auftreten hatte sich Lahm wohl auch verbal für seinen Gesprächstermin beim Vorstand des FC Bayern vorgenommen, zu dem er nach seinem vielbeachteten Samstags-Interview in der Süddeutschen Zeitung gebeten worden war.

Philipp Lahm hat sich bei Bayern-Manager Uli Hoeneß entschuldigt. (Foto: Foto: ddp)

Trotz des ungemütlichen Gegenwindes, mit dem er rechnen musste, begab sich der 25-jährige Profi um 12.47 Uhr also recht aufgeräumt ins Obergeschoss der Klubzentrale an der herbstlich gefärbten Säbener Straße. Um sich anpassungsfähig, aber selbstbewusst in der Sache, die ihm auf dem Herzen liegt, auszutauschen.

Gut zwei Stunden dauerte schließlich die Unterredung, was an sich schon als Beleg für eine seriöse Auseinandersetzung mit der sachlichen Fundamentalkritik des Nationalspielers gelten darf. Der FC Bayern verzichtete dann auch darauf, sich in seiner Pressemitteilung, die er umgehend durchs Land schickte, als Gewinner eines Machtkampfes zu inszenieren. "Unstimmigkeiten beigelegt", hieß es dort in der Überschrift - "FCB und Lahm sprechen sich aus".

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Philipp Lahm hat sich natürlich artig entschuldigt für sein Vorgehen, schließlich hatte er das am vorigen Donnerstag geführte Gespräch selbst abgenommen, jedoch nicht wie im internen Reglement vorgesehen, dem Verein vorgelegt. "Philipp hat eingesehen, dass es besser gewesen wäre, mit seiner Meinung direkt den Weg zum Vorstand zu suchen", hieß es in dem auf Vereinspapier verewigten Schulterschluss, mit dem beide Seiten leben können.

"In einem sehr offenen, ausführlichen und konstruktiven Gespräch" habe sich Lahm für die Art und Weise seiner Aussagen und den eingeschlagenen Weg entschuldigt. Und schließlich: "Von Karl-Heinz Rummenigge, Uli Hoeneß, Karl Hopfner und Christian Nerlinger wurde er ermutigt und auch aufgefordert, künftig seine Meinung im direkten Dialog mit den Verantwortlichen zu besprechen. Die vom Vorstand ausgesprochene Geldstrafe wurde von Philipp Lahm akzeptiert. Für beide Seiten ist die Angelegenheit vom Wochenende damit erledigt." Die Höhe der Geldstrafe soll bei 25.000 Euro liegen.

Der recht gemäßigte Tonfall der Mitteilung unterscheidet sich markant von der Diktion, die Vorstandschef Rummenigge noch am Sonntag vorgab, als er Lahms öffentliche Kritik an der Klubpolitik bei der Kaderzusammenstellung als "unverzeihlich" geißelte; auch von einer Rekordstrafe ist jetzt nicht mehr die Rede, zur genauen Höhe der Summe wurde Schweigen vereinbart. Der Schulterschluss mit dem international anerkannten Profi, der zudem nicht für destruktive Egozentrik bekannt ist, ergibt aus Sicht des Vereins Sinn. Der derzeitige Stellvertreter Lahm gilt schließlich als künftiger Teamkapitän, auch in der Nationalmannschaft wird ihm dieser Karriereschritt zugetraut.

Die Fans stimmen Lahm zu

Und den Bayern wird ja außerdem nicht entgangen sein, wie einhellig die Reaktionen auf Lahms ungewöhnlichen Vorstoß ausgefallen sind - einhellig zugunsten des Angeklagten wegen inhaltlich schlüssiger Argumentation. Die Kundschaft am Trainingsgelände und in den Foren, die Medien und namhafte Vertreter der Branche lobten Lahm für seine offenkundig angemessene Auseinandersetzung mit einem Rekordmeister, dem erneut das frühe Aus in der Champions League droht und der seit zwei Jahren auf einen nationalen Titel wartet.

Vereinspräsident Franz Beckenbauer, der am Samstag noch ziemlich desinformiert gewirkt hatte, bemängelte zwar nach der Lektüre das Ausmaß des Zeitungsinterviews ("zu lang") und den Vorgang an sich ("Kodex verletzt"). Allerdings, dies fügte er hinzu, wolle "man ja mündige Spieler", äußerte er bei Sky. Und Lahms Kritik am unglücklichen Händchen der Bayern "bei den Einkäufen" könne er nur beipflichten.

Wenn Lahm an diesem Dienstagmorgen zur Nationalmannschaft reist, die sich zunächst bei einem Sponsorentermin in Herzogenaurach versammelt, dürfte er ebenfalls reichlich Lob vernehmen. Mannschaftskapitän Michael Ballack äußerte bereits sein Verständnis für den Kollegen, "er wollte sicherlich wachrütteln, wollte positive Impulse setzen, hat Dinge angesprochen", sagte der frühere Bayern-Profi des FC Chelsea. Und genau darum war es Lahm wohl gegangen, als er sich bei vollem Bewusstsein des Vorgangs und der möglichen Konsequenzen für die ungeschminkte, unzensierte Benennung von ,,unangenehmen Wahrheiten'' entschieden hatte.

Als Lahm am Montagnachmittag gegen drei Uhr die Klubzentrale verließ, wirkte er jedenfalls nicht allzu verschüchtert. Ob es oben konstruktiv zugegangen sei, wurde er gefragt: Er entgegnete lächelnd: "Selbstverständlich, so wie immer."

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