Kritik an Katar:Warum ein WM-Boykott falsch wäre

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So soll eines der Fußballstadien für die WM 2022 in Katar aussehen. (Foto: dpa)

Dank der Fußball-WM 2022 steht das Emirat Katar im Rampenlicht und muss sich seinen Missständen stellen. Menschenrechte und Reformen lassen sich so eher durchsetzen als durch Boykott.

Kommentar von Paul-Anton Krüger, Kairo

Wer die Sonne sucht, darf über Hitze und Licht nicht klagen. Katar hat also wenig Grund, sich zu beschweren über die internationale Kritik an den Arbeits- und Lebensbedingungen der Hunderttausenden Menschen aus Asien und aus arabischen Ländern, die das steinreiche Emirat aufbauen.

Wer sich - mit fragwürdigen Mitteln - die Fußball-Weltmeisterschaft ins Haus holt, sollte nicht verwundert sein, wenn Menschenrechtler und Journalisten Missstände aufzeigen, wenn von westlichen Politikern bis zu genervten Fußballfunktionären alle die Finger in die Wunde legen. Das gilt selbst dann, wenn mancher der Kritiker sich hinter hehren Motiven verschanzt, die sich leichter vermitteln lassen als etwa Profit-Interessen europäischer Fußball-Ligen.

Manche glauben, alle Probleme seien mit einem Schlag zu lösen, indem man dem kleinen Land am Golf das Turnier wieder wegnimmt. Es gäbe dafür Gründe, der ungeklärte Korruptionsverdacht bei der Vergabe etwa. Wer aber glaubt, damit den Arbeitern oder den Menschenrechten einen Dienst zu erweisen, der irrt.

Das Turnier hilft dabei, Reformen und Menschenrechte einzufordern

Eine solche Entscheidung würde zwar das Gewissen in Deutschland beruhigen, zugleich aber den massiven Reformdruck von Doha nehmen - und Hunderttausenden Familien in den Heimatländern der Gastarbeiter die Existenzgrundlage entziehen. Den Verfechtern dieser Forderung sei empfohlen, in die Arbeiterquartiere des Emirats zu gehen und die Menschen dort zu fragen, was sie von dieser Idee halten.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat recht, wenn er einen fairen Umgang mit Katar anmahnt. Dazu gehört, wie er es formulierte, Reformen anzuerkennen. Katar ist da weiter als seine großen Nachbarn; in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Saudi-Arabien und den anderen Öl-Monarchien herrschen teils noch schlimmere Verhältnisse.

Das bedeutet aber nicht, dass man das Emirat aus der Verantwortung entlassen oder sich mit Versprechungen abspeisen lassen sollte. Reformen müssen umgesetzt werden, und was bisher zugesagt ist, reicht nicht aus, um einen akzeptablen Standard für alle Arbeiter in Katar zu schaffen. Es bleibt Aufgabe eines jeden Besuchers, beides einzufordern.

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Kern des Problems ist das Kafala-System, das die Gastarbeiter von ihrem Arbeitgeber auf eine Art abhängig macht, dass Menschenrechtler von "moderner Sklaverei und Leibeigenschaft" reden. Es gibt in Doha Beharrungskräfte, die sich sperren, es abzuschaffen, weil sie ihre wirtschaftlichen Interessen in Gefahr sehen.

Es gibt aber auch jene, die einsehen, dass gerechte Bezahlung, geregelte Arbeitszeiten, Sicherheitsstandards und vernünftige Unterbringung noch nicht reichen, um faire Arbeitsbedingungen zu schaffen. Der Emir wird sich daran messen lassen müssen, ob er dieser Einsicht zum Durchbruch verhilft. Die WM ist ein Hebel, diesem Ziel näherzukommen. Es wäre töricht, ihn aus der Hand zu geben. Millionen Gastarbeitern am Golf wäre am meisten gedient, würde auf andere Länder derselbe Druck ausgeübt. Sie können sich oft im Schatten Katars verbergen.

© SZ vom 11.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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