Krisen in Köln und Leverkusen:Auf die rheinische Art

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Bayer hat Robin Dutt entlassen, Köln hat Ståle Solbakken nicht entlassen. Beide Trainer-Szenarien sind berechtigt: Bei Bayer 04 gibt es eine stabile Führung und eine junge Elf, der man fürs nächste Jahr vertrauen kann. In Köln besteht die Elf aus einem Torwart und einem Torjäger, der bald nach London flüchtet.

Philipp Selldorf

Den Sonntag bei den rheinischen Bundesligaklubs muss man sich vorstellen wie ein großes, von mehreren Meistern komponiertes Theaterhappening. In Leverkusen begann die Vorstellung um 11.30 Uhr. Auf der Bühne Rudi Völler, Wolfgang Holzhäuser und Robin Dutt. Letzterer trägt in aufrechter Haltung ein Statement zu seiner "Freistellung" bei Bayer 04 vor, sagt höflich auf Wiedersehen, geht durch die Türe links ab in die Kulissen. Kurz darauf öffnet sich dieselbe Türe. Ein großer, blonder Mann tritt ein, und Völler unterbricht seinen Monolog und sagt: "Da simmer schon beim nächsten Trainer, das wird Sami Hyypiä sein."

Zur selben Stunde schaut das Publikum auf der anderen Rheinseite, Bühne Geißbockheim, Ståle Solbakken beim Training zu. Angeblich ist es die Abschiedsvorstellung des norwegischen Unterhaltungskünstlers. Zuschauer bewerfen das Ensemble mit Kamelle und Lutschern.

Jene von den Kritikern verrissenen Spieler betreten anschließend der Reihe nach das Büro des Theaterdirektors Claus Horstmann und geben ihre Stimme für oder gegen Solbakken ab. Hunderte Kölner harren gebannt aus, wie das Stück weitergeht. Das kleine Schauspielhaus in Aachen meldet derweil: Alemannia schickt Friedhelm Funkel heim.

Über den Titel der Inszenierung lässt sich nur fantasieren: "Das Derby"? "Frühjahrsputz rheinische Art"? Oder: "Nordic Walking"?

Die skurrile Parallelität mit zwei Nordmännern im Mittelpunkt, von denen der eine - Solbakken - beinahe geht und der andere - Hyypiä - mit Sicherheit kommt, mag aussehen haben wie eine Co-Produktion, in Wahrheit aber hat der Zufall die Schauplätze zusammengeführt. Gemeinsam ist den Klubs nur, dass ihre Trainer Probleme haben und hatten, ihren Ruf als visionäre Konzepttrainer zu realisieren.

Bayer hat Dutt entlassen, weil man fürchtet, die Qualifikation für Europa zu verpassen, was dem Prestige des Klubs schaden würde. Der FC hat Solbakken nicht entlassen, weil er den Sturz in die zweite Liga und das daraus entstehende Untergangsszenario fürchtet. Es war aber kein Vertrauensbeweis für den Trainer und sein Konzept, sondern eine existentielle Abwägung.

Bei Bayer 04 gibt es eine stabile Führung und eine junge Elf, der man fürs nächste Jahr vertrauen kann. In Köln besteht die Elf aus einem Torwart und einem Torjäger, der bald nach London flüchtet, aber es gibt keinen Sportdirektor und kein Präsidium. Deshalb hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass es ohne Trainer überhaupt niemanden mehr gegeben hätte. Eine irre Pointe.

© SZ vom 02.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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