Kommentar:Die Bundesliga - Schule für herausragende Trainer

Lesezeit: 2 min

Zwei deutsche Trainer hat die Premier League derzeit bereits: Jürgen Klopp (li.) leitet Liverpool, Thomas Tuchel steht bei Chelsea unter Vertrag. (Foto: Bernd Thissen/dpa)

Das Angebot ist knapp, die Nachfrage ist hoch: Bundesliga-Trainer sind aktuell gefragt wie nie.

Kommentar von Sebastian Fischer

Die schaurig schönen Bilder von Jürgen Klopp sind für die Ewigkeit: Wie er bei diesem Epos von Fußballspiel in Liverpool beim 3:3 jubelnd die Luft zersägt; wie er nach dem 4:3 für Liverpool einfach nur dasteht und genießt. Klopps Erfolg gegen Borussia Dortmund war großes Entertainment - und Beleg für eine Entwicklung, deren Konsequenzen in dieser Woche auch hierzulande spürbar waren: Die Bundesliga ist eine herausragende Trainerschule.

Für Thomas Tuchel war das sicher kein Trost, er war ja der Leidtragende: Die Liga hat Klopp, ihr furchtbarstes Mentalitätsmonster, im vergangenen Sommer exportiert. Klopps Furor, gepaart mit dem Anfield Roar, ergab die bitterste Niederlage eines Bundesligisten in dieser Saison. Für den FC Ingolstadt ist ein Lob der Bundesliga wohl auch kein Trost, auch der Aufsteiger ist gerade ein Leidtragender, wenn auch auf ganz andere Art: Nicht nur RB Leipzig buhlt mehr oder minder aggressiv um die Dienste des Aufstiegs- und Klassenverbleib-Trainers Ralph Hasenhüttl. Ähnlich sieht es in Augsburg aus, wo der Abschied von Trainer Markus Weinzierl wahrscheinlich ist. Um Trainer wird gefeilscht wie nie, zur Not auch unter galanter Missachtung der üblichen Benimmregeln. Man werde eine "1-a-Lösung" präsentieren, heißt es selbstbewusst aus Leipzig. Das Angebot ist hochwertig, die Nachfrage groß.

Das Niveau der Bundesliga-Fußballlehrer ist erstaunlich hoch, die Profile sind vielfältig. Trainer wie Pal Dardai wandeln als Charismatiker auf Klopps Spuren, es gibt Pressing-Fanatiker wie Hasenhüttl oder Roger Schmidt, versierte Beton-Anrührer (Dirk Schuster), Ausdauer-Gurus (Martin Schmidt) und natürlich die ernährungsbewussten Taktik-Hipster wie Tuchel und Julian Nagelsmann.

In England sind die Namen stets die gleichen, während hier Talente in den Markt drängen

Nur zwei der 18 Trainer wurden nicht im deutschen Fußball sozialisiert: Pep Guardiola, der ja ohnehin in anderen Sphären schwebt, und der Wiener Peter Stöger, der inzwischen jedoch so sehr Kölner ist, dass er vom FC zu den Roten Funken in den Karneval wechseln könnte.

Es bewährt sich, dass der Fußball zur Wissenschaft erhoben wurde, dass Trainer wie Spitzenkräfte ausgebildet werden und in den Nachwuchszentren - wo Tuchel, Schmidt, Nagelsmann und Dardai lernten - Fachkenntnis die Entscheidungsgrundlage ist. Wie sehr sich das bewährt, zeigt ein Blick nach England. Dort, wo des Fußballs Milch und Honig fließen, sind die Trainer der acht besten Klubs Gewächse anderer Ligen. Louis van Gaal ist einer von ihnen, er wird in Manchester gerade mal wieder angezählt, und während dort die Diskussionen um die immer gleichen Namen immer älterer Herren kreisen, drängen hier Talente in den Markt.

Das macht es für die Akteure nicht unbedingt einfach, Druck und Fallhöhe sind hoch. André Schubert etwa musste vor seinem Job in Mönchengladbach und nach seiner Beurlaubung in St. Pauli erst mal in der Regionalliga neu anfangen. Andererseits: Jeder junge Trainer bekommt eine Chance. Vorbei scheint die Zeit, als Bundesligisten im Ausland suchten, Gladbach den Niederländer Dick Advocaat verpflichtete oder Wolfsburg Steve McClaren, den "Trottel mit dem Regenschirm".

Die Kandidaten heißen jetzt Torsten Lieberknecht (Braunschweig), Markus Kauczinski (KSC), Frank Schmidt (Heidenheim) - oder Holger Stanislawski (Supermarkt Hamburg-Winterhude). Letzterer, der nach seinem Aus beim 1. FC Köln vorerst die Branche gewechselt hat, ist auch der Typ Mentalitätsmonster. Und es scheint, als warte er nur darauf, bald mal wieder Klopp-artig auszubrechen: In einem Interview gab Stanislawski jüngst zu, er könne nicht jubeln, "wenn ich vier Scheiben Tilsiter mehr verkauft habe".

© SZ vom 16.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Champions League
:FC Bayern gegen Atlético: Härtetest gegen elf Vidals

Ein Spieler drückte sich sogar einen Bluterguss weg: Bayerns Halbfinalgegner Atlético Madrid gilt als Mannschaft mit der größten Leidensfähigkeit. Das macht das Team gefährlich.

Von Christof Kneer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: