Mannschaft des FC Bayern:Gegner im eigenen Team

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Kaum zu stoppen: Der Münchner Zugang Douglas Costa sammelte wieder zwei Assists, traf einmal den Pfosten und zeigte diverse Kabinettstückchen. (Foto: M.i.S./Imago)
  • Die ersten drei Ligaspiele des FC Bayern zeigen: Die Konkurrenten sind nicht mehr unbedingt die anderen Mannschaften.
  • Die Konkurrenten stehen im eigenen Kader.
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Von Benedikt Warmbrunn, München

Das Spiel der Gesichtsmuskeln des Arjen Robben kennt kein Geheimnis. Kaum ein Bundesligaspieler lacht so breit wie Robben, und am breitesten lacht dieser, wenn er ein Tor erzielt hat. Und bei kaum einem fressen sich Frust und gelegentlich auch Missgunst so tief in die Haut, seine Stirn ist dann wie von einem Pflug gezeichnet. Am Samstagabend lief Arjen Robben durch die Katakomben der Arena in Fröttmaning, und zu keiner Sekunde verbarg er seine Gefühle. Er kam an mit einem breiten Grinsen, er hatte ja auch ein Tor erzielt. Irgendwann allerdings kippte er den Kopf zur Seite, faltete die Stirnhaut aneinander. Und sprach über Douglas Costa.

Der brasilianische Zugang hatte beim 3:0 (1:0) des FC Bayern gegen Bayer Leverkusen erneut das Publikum begeistert, mit seinen Turboläufen, mit seinen Dribblings, mit seinen Flanken. Und dann, in der 82. Minute, als das Spiel seinem Ende entgegentrudelte, lupfte Costa den Ball mit der Hacke über sich selbst und sprintete an seinem Gegenspieler Julian Brandt vorbei. "Das ist schön, aber das hat natürlich immer zwei Seiten", sagte Arjen Robben, die Augenbrauen zusammengedrückt. "Das ist super, das ist Zirkus, das ist für das Publikum, das verstehe ich. Das macht viel Spaß beim Anschauen." Aber weil Aktionen, die super sind, die Zirkus sind, die für das Publikum sind, die viel Spaß beim Anschauen machen, in München seit Jahren sorgsam gepflegt werden von Arjen Robben, erklärte dieser auch die zweite Seite, eine Seite, die er Costa selbst unmittelbar nach dem Abpfiff schon streng und gestenreich aufgezeigt hatte: "Da muss man auch aufpassen. Es steht 3:0, und man muss den Gegner auch immer respektieren, finde ich. Das ist ein bisschen zweifelhaft."

Tierische Bundesliga
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Drei Spieltage sind in der aktuellen Saison der Fußball-Bundesliga gespielt, der FC Bayern hat alle drei gewonnen, das dritte am Samstag gegen Leverkusen letztlich nahezu ungefährdet. So souverän war der Titelverteidiger gegen den vermeintlichen, etwas erschöpften Rivalen, dass in der Mannschaft bereits das hierarchische Stellungsspiel begonnen hat. Die Konkurrenz sind schon Ende August nicht mehr unbedingt die anderen Mannschaften. Die Konkurrenz, mit der sich die Spieler am Samstag beschäftigten, steht im eigenen Kader. (Bei allem Respekt vor dem Gegner, versteht sich.)

Robbens Tadel für den Lupfer von Douglas Costa war in dieser Inszenierung der Eitelkeiten nur die letzte Szene. Doch schon in der Eröffnungsszene hatte Robben eine Hauptrolle gespielt.

Die 70. Minute, der FC Bayern führte bereits 2:0 durch zwei Tore von Thomas Müller (26., 60.), das zweite davon war ein verwandelter Foulelfmeter. Leverkusen gingen drei Tage nach der erfolgreichen, aber zehrenden Champions-League-Qualifikation gegen Lazio Rom gerade so langsam die allerletzten Kräfte aus, da flankte Douglas Costa von der linken Seite, der von dem Brasilianer schon längst schwindelig geschleuderte Roberto Hilbert riss sich schützend die Arme vor das Gesicht - Hand, der nächste Elfmeter. Den Ball nahm sich jedoch nicht Thomas Müller. Auch nicht Angreifer Robert Lewandowski. Den Ball schnappte sich ein entschlossener Arjen Robben, er legte ihn sich auf den Elfmeterpunkt. Aber er wurde bedrängt, fast belästigt, ein ewiges Gequatsche direkt an seinem Ohr sollte ihn von dem Plan abbringen, dass er, Robben, der geeignete Schütze sei. Der geeignete Schütze, quatschte der Quatschende, sei der Quatschende selbst: Arturo Vidal, der zweite Zugang im Zirkus des Arjen Robben.

Robben sagte nichts, tat so, als hörte er nichts. Er traf einfach.

Robben jubelte mit breitem Robbengrinsen. Umarmt immerhin wurde er sofort von Arturo Vidal, der Chilene hatte selbst ein beachtliches Lächeln im Gesicht.

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"Das war überhaupt kein Problem", sagte Robben später, "wir haben da klare Absprachen." Es gebe eine Liste, erzählte der neue Kapitän der niederländischen Nationalmannschaft, "Thomas ist eins, ich bin zwei", ob es eine drei gibt, sagte Robben nicht, ist bei dieser Nummer zwei ja aber auch vernachlässigbar. Findet zumindest die Nummer zwei.

Wie wichtig die Frage nach dem Elf- meterschützen war, sagte später Müller, der ja bei seinem Schuss auch schon sanfte Avancen Vidals abwehren musste. Nach Hilberts Handspiel, erzählte Müller, habe Robben "kurz eine fragende Kopfbewegung gemacht, und ich habe bestätigt". Erste Lektion in der Elfmeterkunde des FC Bayern also: Robben darf fragen, Vidal noch nicht. Warum Müller selbst darauf verzichtet hatte, womöglich schon sein sechstes Saisontor zu erzielen, erklärte er mit einem scherzenden Vergleich: "Beim FC Bayern ist es wie in einem Haifisch- becken. Da muss man den Haien ab und zu mal einen Fisch hinwerfen." Daraus folgt bei allem Gescherze die zweite Lektion in der Elfmeterkunde des FC Bayern: Thomas Müller bestimmt immer.

Am späten Abend war das hierarchische Stellungsspiel dann erst einmal durchdekliniert, und so konnte auch Arjen Robben großzügig die Gesichtsmuskeln entspannen. "Absolut okay, kein Vorwurf, kein Thema", sagte er zu Vidals Elfmeterbegehrlichkeiten. "Das ist nur gut. Das ist Ehrgeiz. Besser so, als wenn keiner schießen will." Dann grinste Robben wieder sehr, sehr breit. Er war es schließlich, der sich eindrucksvoll behauptet hatte an diesem Abend. Nicht gegen die Gegenspieler. Gegen die Mitspieler.

© SZ vom 31.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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