Gelbe Karte für Nürnbergs Raphael Schäfer:Haltet den Eistaschendieb!

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Club-Torhüter Raphael Schäfer nimmt dem Mainzer Physiotherapeuten Uli Märten die Eisbox weg. Der hatte sich erdreistet, mit der Box plus sechs Trinkflaschen auf den Platz zu laufen, um einen Spieler zu behandeln. Für den Nürnberger ein klarer Fall von Spielverzögerung. Irgendjemand muss schließlich etwas gegen den wachsenden Einfluss der Medizinmänner unternehmen.

Philipp Schneider

Die Erkenntnis mag an einigen Beobachtern vorbeigegangen sein, doch es hat sich eine Revolution vollzogen im modernen Fußball, und womöglich ist es die nachhaltigste seit Louis van Gaals Erfindung des Ajax-Systems, bei dem die Elf versucht, in Ballnähe eine Überzahlsituation zu schaffen.

Hat seine eigene Trinkflasche - Club-Torwart Raphael Schäfer. (Foto: dapd)

Der heimliche Trend geht dahin, dass zur Überwindung des Gegners die komplette Mannschaft benötigt wird, was Dauerreservisten, Ärzte und Physiotherapeuten am Spielfeldrand einschließt. Vor allem die Physios. Und natürlich war es Jürgen Klopp, der die Bedeutung dieser Berufsgattung als erster erkannte: im vergangenen März, bei jenem vieldiskutierten Spiel gegen Mainz, als der Gegner in der 89. Minute das 1:1 erzielte, obwohl Dortmunds Verteidiger Subotic während des Spielzugs verletzt am Boden lag.

Nach dem Schlusspfiff rastete Klopp folgerichtig derart aus, dass Vergleiche mit einem Werwolf angestellt wurden; Klopp lief hinüber zur gegnerischen Bank, und wen rempelte er auf dem Weg als ersten um? Natürlich Mainz' zotteligen Physiotherapeuten Uli Märten. Dabei hätte er doch allein von Berufswegen gemeinsam mit Jürgen Klopp für eine Spielunterbrechung plädieren müssen.

Am Samstag war es nun abermals Märten, der für einen Eklat sorgte, beim Mainzer 2:1 gegen Nürnberg. In der zweiten Häfte war er auf dem Platz, um den verletzten Spieler Zabavnik zu behandeln. In seinen Händen: eine Box mit kühlendem Eis und ein Träger mit sechs (!) Trinkflaschen. Mainz führte 2:0, und Club-Torwart Raphael Schäfer folgerte scharfsinnig: Niemand bringt einem Verletzten Eis und Trinkflaschen - es sei denn, er möchte Zeit schinden. Als Zeichen des Protests packte er sich die Eisbox, er griff gar noch nach den Trinkflaschen, und schlich sich in Richtung Tor.

"Wenn der Schiedsrichter die Physios fünfmal auffordert aufzustehen, sollte er vielleicht auch mal darüber nachdenken, den Physios die Karte zu zeigen, die das Zeitspiel ja machen", erklärte er später. Der Unparteiische war jedoch nicht hellsichtig genug, der wachsenden Einflussnahme der Physios im modernen Fußball gerecht zu werden. Er vertraute dem antiquierten Regelwerk der Fifa. Und zeigte Schäfer für unsportliches Verhalten die gelbe Karte.

© SZ vom 12.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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