Fußball:Stuttgart fehlen die Ausrufezeichen

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Nur einer von beiden gehört noch zum VfB Stuttgart: Christian Gentner (links) und Filip Kostic. (Foto: dpa)

Der Wechsel von Filip Kostic nach Hamburg ist offiziell. Damit hat der VfB fast ein komplettes Team an andere Vereine verloren. Jetzt klafft eine Lücke im Kader.

Von Anna Dreher, München

Das Fragezeichen stand ja schon lange hinter diesem Namen. Filip Kostic in der zweiten Bundesliga beim VfB Stuttgart, das war dann doch sehr unwahrscheinlich. Das wusste Kostic, das wusste der VfB, das wussten auch andere Vereine. Eine Weile sah es so aus, als ob der VfL Wolfsburg ein Ausrufezeichen hinter Kostics Namen setzen würde, am Ende ließen es die Wolfsburger aber doch sein. "Wir arbeiten sauber", hatte VfL-Geschäftsführer Klaus Allofs etwas mysteriös zu Meldungen über Unstimmigkeiten mit den Beratern gesagt, ohne dabei Details zu nennen.

Seit Filip Kostic am Sonntag beim Medizincheck in Hamburg gesehen wurde, war der Branche aber klar, dass der HSV den Flügelspieler verpflichten würde, am Montag folgte die Bestätigung. Für Kostic erhält der VfB eine Basis-Ablösesumme von 14 Millionen Euro. Geld, über das sich der Absteiger einerseits sehr freuen dürfte; andererseits verliert der VfB mit dem 23-jährigen Serben einen der letzten großen Namen auf dem Weg in die erste Zweitligasaison seit 1975. Der Abstieg hat dem Traditionsverein den größten personellen Umbruch seit langem eingebracht - in der Führungsebene, aber vor allem im Kader.

Kapitän Gentner steht auf einmal ziemlich alleine da

Von dem lange propagierten Zusammenhalt der Mannschaft war nach dem Abstieg plötzlich kaum noch etwas zu spüren. Christian Gentner, Kapitän und größter Beschwörer dieses Zusammenhalts, steht auf einmal ziemlich allein da. Daniel Didavi (Wolfsburg), Lukas Rupp (Hoffenheim), Timo Werner (Leipzig), Geoffroy Serey Dié (Basel), Martin Harnik (Hannover), Daniel Schwaab (Eindhoven), Georg Niedermeier (unbekannt) - alle weg. Und hinter dem Namen von Emiliano Insua steht noch ein Fragezeichen. Der Argentinier hatte lange gehofft, dass Sporting Lissabon ein Ausrufezeichen daraus macht, er scheint dem VfB nun aber erhalten zu bleiben. Insua würde zwar gerne wechseln, Lissabon hat sich in Stuttgart bisher aber nicht gemeldet.

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Kostics Transfer noch nicht einberechnet, haben die Wechsel dem VfB Einnahmen von rund 26 Millionen Euro gebracht, zumal es auch vom AS Rom noch neun Millionen für den bis dahin nur verliehenen Antonio Rüdiger gab. Das ist viel Geld, aber all die Abschiede hinterlassen eine Lücke, die wohl zu groß ist, um sie adäquat zu schließen, vor allem in der Offensive.

"Stand jetzt haben wir nicht die Mannschaft, die das Ziel, gleich wieder aufzusteigen, umsetzen kann", sagt Stuttgarts neuer Sportchef Jan Schindelmeiser. In der zweiten Liga, das spürt der VfB inzwischen, hilft auch ein großer Name wenig. Dass aus dem eigenen Nachwuchs und der in die vierte Liga abgestiegenen zweiten Mannschaft nicht genug qualifizierte Spieler nachkommen, schmerzt umso mehr.

Aber bis zum Transferschluss am 31. August, davon gehen sie beim VfB fest aus, soll die Lücke deutlich kleiner werden. Fünf neue Spieler sollen bis dahin noch an den Neckar wechseln, heißt es im Verein. Die bislang noch sehr unfertige Zweitliga-Mannschaft könnte bis dahin doch noch zu einer halbwegs fertigen werden.

"Ich habe im Urlaub nach der Europameisterschaft gar nicht mitbekommen, dass so viele gehen", sagte der Österreicher Florian Klein vergangene Woche im Trainingslager in Grassau. "Ich musste mich in der Kabine erst einmal umschauen, wer da überhaupt noch alles sitzt und wer neu dazugekommen ist." Ein paar bekannte Gesichter aus seiner alten Mannschaft hat Klein schon noch gesehen, nur eben nicht besonders viele.

Neben Christian Gentner sitzen da künftig zum Beispiel noch Mitch Langerak, Alexandru Maxim, Timo Baumgartl, Emiliano Insua, Toni Sunjic und natürlich Kevin Großkreutz, der zuletzt ähnlich offensiv für den Zusammenhalt warb wie sein Kapitän. "Ich glaube, das ist jetzt auch das Minimum an alten Spielern, das wir brauchen", sagte Klein, der allerdings bei einer erfolgreicheren EM für Österreich vielleicht selber gar nicht mehr in Stuttgart, sondern bei einem anderen Verein angestellt wäre. So aber gehört er auf einmal zu den Spielern, die Verantwortung übernehmen müssen. Also sagt Klein jetzt Sätze wie: "Es muss sich schon noch etwas tun bei uns, aber Hochkaräter zu bekommen, wird eher schwierig sein."

Unter den neuen Gesichtern in der Kabine sind mit Torjäger Simon Terodde (Bochum) und Jean Zimmer (Kaiserslautern) immerhin zweitligaerfahrene Profis dabei. Hinzu kommen der polnische Nationalverteidiger Marcin Kaminski (Lech Posen) und das Schweizer Mittelfeldtalent Anto Grgic (FC Zürich), am Montagabend gab der VfB zudem die Verpflichtung von Hajime Hosogai (Hertha) bekannt. Der Japaner hatte schon in Augsburg und Berlin unter Stuttgarts neuem Trainer Jos Luhukay gespielt. Aber beim VfB ahnen sie, dass trotzdem noch ein paar Ausrufezeichen fehlen.

© SZ vom 26.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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