Formkrise des FC Barcelona:"Pep, weise uns den Weg!"

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Im Sturzflug: Barcelonas Neymar im Champions-League-Spiel bei Ajax Amsterdam. (Foto: AFP)

Zwei Niederlagen in Serie und punktgleiche Konkurrenten aus Madrid rufen beim FC Barcelona Selbstzweifel hervor. Die Sehnsucht nach der Ära unter Trainer Pep Guardiola macht sich breit - und hat einen Hilferuf nach München zur Folge.

Von Oliver Meiler, Barcelona

Es weht ein Hauch von Stimmungswechsel durch Spanien, wenigstens fußballerisch. Und er fühlt sich in Madrid entschieden besser an als in Barcelona. Wenn es noch Sinnbildern bedurfte für die Selbstzweifel, die den FC Barcelona nach zwei denkwürdigen Niederlagen in Folge zerfressen, dann lieferten sie die Spieler selber. Es war schon weit nach Mitternacht, als sie aus Bilbao heimkehrten.

Unten an der Treppe des Flugzeugs warteten die Fotografen: Mit einem Fingerdock, einem Fluchtschlauch zum Gate gewissermaßen, hätte man das vermeiden können. Es gab Bilder von hängenden Köpfen und dunklen Mienen, wie man sie sonst von diesen oft ausgezeichneten und gefeierten Herren nicht oft zu sehen bekommt. Nur Neymar mochte noch Autogramme schreiben, obschon die Kritik, die Barça nun unheilvoll erfasst, auch ihn betrifft.

Zwei Auswärtsniederlagen innerhalb von fünf Tagen also, zunächst in der Champions League gegen Ajax Amsterdam (1:2) und dann am Sonntag in der Liga gegen Athletic Bilbao (0:1) - das gab es schon lange nicht mehr. Die Katalanen müssen sich nun die Tabellenspitze mit dem punktgleichen und nach wie vor verblüffend starken Atlético Madrid teilen, während Real Madrid nur noch drei Zähler Rückstand hat. Die Meisterschaft, die viele vor einigen Wochen schon entschieden wähnten, ist plötzlich wieder offen.

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Der FC Barcelona verliert in der Primera Division sein erstes Spiel der Saison, behauptet aber die Tabellenführung. Dank eines 3:1 gegen Southampton bleibt der FC Chelsea an Tabellenführer FC Arsenal dran. Auch Manchester City gewinnt, schlechter läuft es für den Stadtrivalen Manchester United.

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In Barcelona erliegen sie darob der alten Versuchung der Selbstzerfleischung. Die Qual kehrt seit eineinhalb Jahren immer wieder und resümiert sich in einer einzigen, irgendwie berührend irrationalen Frage: Warum kann das beste Barça aller Zeiten, Pep Guardiolas Barça (2008 bis 2012), nicht ewig leben, wenn doch die Akteure noch immer dieselben sind, das Spielsystem auch, die Kultur?

Der einfache Teil der Diagnose beginnt bei der Absenz von Lionel Messi. Seit letztem Frühjahr leidet der Argentinier an Muskelproblemen. Er lässt sich im heimischen Rosario kurieren, kehrt erst im Januar zurück. Aber das ist wohl nur die halbe Wahrheit um Messi. Es heißt, er leide auch am Schatten, den Neymars Verpflichtung auf ihn warf, an diesem diffusen Gefühl, nicht mehr der einzige Liebling am Platz zu sein.

Ohne Messi in Messi-Form ist Barcelona entscheidend geschwächt. Neymar kann die Abwesenheit nicht so kompensieren, wie Gareth Bale das Fehlen von Cristiano Ronaldo bei Real Madrid in den letzten beiden Spielen kompensierte - mit Toren, vielen Toren, mit rechts und mit links und mit dem Kopf. Bale schießt im Schnitt alle 93 Minuten ein Tor.

"Ney" dagegen wirbelt zwar viel, dribbelt fürs Auge, zaubert zuweilen hübsche Nummern auf die linke Außenbahn. Doch er fällt auch übermäßig oft hin, ohne besondere Einwirkung des Gegenspielers. Und vor allem trifft er zu selten. Vielleicht war es noch nie so offensichtlich wie gerade jetzt, dass Barça einen echten Mittelstürmer bräuchte - einen Brecher, der Spiele wie die letzten zwei auch mal unschön entscheidet. Mit Kraft und Wucht.

Die Statistiker sagen, Barça sei noch immer jenes Team Europas, das am meisten Pässe schlage. Doch sie sagen auch, dass der Ballbesitz geschrumpft sei. Es fehlt an Intensität, an Biss beim Pressing. In Barcelona fragt man sich, ob das vielleicht auch damit zusammenhängt, dass gleich mehrere Stützen des Teams unlängst Väter geworden sind: Messi, Fabregas, Piqué, Valdés, Pedro. Verschieben sich da die Prioritäten? Schlafen die Herren auch genug?

Aber zurück zur großen Frage: Warum nur? Barcelonas Zeitung La Vanguardia fleht in einem halb ironischen, halb ernsthaften Kommentar um Beistand aus München - von Guardiola. "Weise uns den Weg! Lass nicht zu, dass wir uns raufen. Pep, sag Deinen Getreuen, dass das Barça, das Du das Glück hattest, zu leiten, nie wiederkehren wird. Sag ihnen, dass Du die Besten in ihrem besten Moment trainieren durftest, als sie weder verheiratet waren noch Kinder hatten. Öffne Deinen Jüngern die Augen, erzähl ihnen, dass es schon unter Dir viel Kritik gegen den Stil gab, dass man schon Dir vorwarf, keine Alternativen zu haben. Wir flehen Dich an, Pep."

Nun, der Appell verhallt wohl ungehört. Und die Nostalgie stirbt zuletzt.

© SZ vom 03.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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