Formel-1-Team Mercedes:Neuanfang ohne Schumacher

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Umsturz bei Mercedes: Lewis Hamilton wird der neue Fahrer beim Formel-1-Team, Niki Lauda der künftige starke Mann im Aufsichtsrat. Die Formel-1-Karriere von Michael Schumacher steht damit wohl endgültig vor dem Ende.

Elmar Brümmer

Karriereende? Michael Schumacher. (Foto: REUTERS)

Sechs Mal noch wird Michael Schumacher in der Formel 1 in den silbernen Overall schlüpfen, bei seinem Arbeitgeber Mercedes ist der Rekordweltmeister aber schon seit Freitagmorgen Teil der Vergangenheit. Per Rundmail teilte der Rennstall um Punkt elf Uhr mit, dass der Brite Lewis Hamilton, 27, einen Dreijahresvertrag unterzeichnet habe und von 2013 an für das Werksteam fahren werde. Mit dem Aus für Schumacher ist die Idee vom deutschen Traumpaar in der Formel 1 fürs Erste gescheitert. Vielleicht ist auch Schumacher an der Idee gescheitert.

Michael Schumacher, hieß es, sei sogar erleichtert, dass der ewige Vertragspoker, der nach seinem Auffahrunfall in Singapur an Unwürdigkeit zugenommen hatte, nun vorbei ist. Ob im Sommer, nach drei Jahren bei Mercedes, auch seine Karriere zu Ende sein wird - zum zweiten Mal und damit wohl endgültig -, ist offen. Für seine Managerin Sabine Kehm war das am Freitag "noch kein Thema". Freie Cockpitplätze mit Perspektive gibt es jedoch nicht viele in der Rennserie. Und Schumacher ist 43.

Das Misstrauensvotum des Stuttgarter Automobilherstellers betrifft auch die eigene Struktur: Künftig soll der einstige Weltmeister Niki Lauda, 63, bisher RTL-Kommentator, Vorsitzender des Aufsichtsgremiums im Team werden. Damit bekommt Sportchef Norbert Haug einen neuen Vorgesetzten. Der dreimalige Weltmeister aus Österreich soll sein Expertenwissen einbringen, "damit wir", so Lauda, "möglichst bald ein schnelles Auto kriegen".

Offenbar hatte Daimler-Chef Dieter Zetsche, bevor er zusagte, bis 2020 in der Königsklasse weiterzumachen, Teamchef Ross Brawn zum Rapport bestellt. Zur Debatte stand zwischendurch ein Ausstieg des Konzerns. Denn in der britischen Rennfabrik von Mercedes hat man es in drei Jahren nicht geschafft, dauerhaft siegfähig zu werden; unter der labilen Technik litt vor allem Schumacher. Mercedes spricht nach der Generalüberholung beim fahrenden und entscheidenden Personal nun vom Beginn eines "neuen Kapitels". Mal wieder.

Hamilton, der seit dem Jahr 2000 mit Mercedes-Motoren unterwegs ist (damals schon mit seinem künftigen Kollegen Nico Rosberg in der Formel 3), soll nach britischen Medienberichten 20 Millionen Euro pro Jahr bekommen, plus Boni von bis zu fünf Millionen. Der Weltmeister von 2008 hatte sich mit dem McLaren-Rennstall überworfen und hoch gepokert. Das ehemalige Mercedes-Partnerteam hat in dem Mexikaner Sergio Perez, 22, bereits einen Hamilton-Nachfolger verpflichtet.

Karriere von Michael Schumacher
:Rotmütze und Rekord-Weltmeister

Alles begann mit fünf Jahren im Kart-Wagen - Michael Schumachers Karriere war einzigartig. Bis zu einem schweren Sportunfall in seiner Freizeit. Eine Rückschau zum 50. Geburtstag.

Hamilton gilt als einer der fähigsten, aber auch unberechenbarsten Grand-Prix-Piloten. Mercedes holt sich damit sicher nicht weniger Schlagzeilen ins Haus. Die Webseite von auto, motor und sport höhnt: "Hollywood meets Schwabenland". Hamilton verspricht einen "leidenschaftlichen Siegeswillen". Und Experte Lauda sieht mit der Verpflichtung des derzeitigen WM-Vierten die Weichen "richtig gestellt". Der Druck, der auf der neuen Konstellation lastet, ist damit nicht geringer geworden.

Michael Schumacher hat um das Risiko des Scheiterns gewusst, als er 2010 nach drei Jahren Pause in die Formel 1 zurückkehrte. In 52 Rennen fuhr er seither 30 Mal in die Punkte, erreichte aber nur einen dritten Platz und eine Pole Position. Sein Silberpfeil erlitt allein in dieser Saison fünf Ausfälle. Schumacher konzentrierte sich mehr auf die Aufbauarbeit hinter den Kulissen. Das war unbequem, und wie sich jetzt zeigt, auch undankbar.

Dass seine Rekord-Statistiken Kratzer bekommen haben, stört den 43-Jährigen indes ebenso wenig wie die Diskussion über sein Alter. Im direkten Trainingsduell beispielsweise führt er mit 8:6 gegen Nico Rosberg, der nun erneut eine populäre Nummer eins vorgesetzt bekommt. Er muss Hamiltons Verpflichtung als ein ähnliches Misstrauensvotum empfinden wie Schumacher.

Wie ein Zwölfjähriger fühle er sich, gestand Michael Schumacher am Tag vor Weihnachten 2009, als das neue deutsche "Dream Team" der Rennserie besiegelt wurde. Schon damals verkündete er, am eigenen Maßstab gemessen werden zu wollen. Dabei konnte er nur verlieren, auch weil der von Mercedes gekaufte Brawn-Rennstall offenbar überbewertet worden war. Von außen musste Schumacher viel Häme einstecken, nach innen war er wie gewohnt fordernd.

Inzwischen, nach etlichen technischen und personellen Umbaumaßnahmen, scheint Mercedes gerüstet zu sein für den längst überfälligen Angriff auf die Spitze. Auch Schumacher wirkte nach vielen Zweifeln wieder zuversichtlich und durchaus gewillt, noch ein bis drei Jahre an seinen Kontrakt anzuhängen. Doch die Unsicherheit auf Gegenseitigkeit wäre kaum eine gesunde Basis für die Zukunft gewesen. Letztendlich hatte er zu lange gezögert: Im späten Frühjahr noch wollte ihn das Team, das ihm jetzt die Tür zugeschlagen hat, weiterverpflichten. Aber der Perfektionist war sich damals nicht sicher, ob der Fortschritt bei Mercedes weit genug gehen würde.

Stimmen zum Schumacher-Aus
:"Wieso sollte Hamilton der bessere Fahrer sein?"

Nach dem Aus für Michael Schumacher bei Mercedes äußern sich viele Weggefährten über den Fahrerwechsel. Sein früherer Manager Willi Weber kritisiert die Demission des siebenmaligen Weltmeisters, Schumacher selbst wünscht seinem Nachfolger alles Gute. Auch Teamkollege Nico Rosberg freut sich auf Lewis Hamilton.

im Überblick

Als er sich wieder mit dem Gedanken angefreundet hatte, war plötzlich Hamilton auf dem Markt. Und Mercedes musste diese Zukunftschance wohl wahrnehmen, auch wenn die Investition kaum billiger gewesen sein dürfte als eine Weiterbeschäftigung Schumachers. "Ich hatte drei schöne Jahre, die leider sportlich nicht so gelaufen sind, wie wir uns das alle gewünscht hatten. Ich wünsche der Mannschaft den Erfolg, für dessen Aufbau wir so hart gearbeitet hatten", ließ Schumacher schriftlich ausrichten. Sechs Mal kann er ihn auch selbst noch suchen, diesen Erfolg.

© SZ vom 29.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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