FC Bayern zu Gast beim 1. FSV Mainz:Das große Kochduell

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Thomas Tuchel ist einer der wenigen Trainer, die Pep Guardiola taktisch nicht von vornherein unterlegen sind. (Foto: dpa)

Thomas Tuchel hat die Bayern schon dreimal besiegt - und seine Mainzer haben nur drei Punkte Rückstand auf Platz vier. Der junge Trainer freut sich auf den Vergleich mit seinem Vorbild Pep Guardiola. Die "Taktikfreaks" dürfen sich auf ein Spiel freuen, in dem zwei Meister am Herd die Würzmischung ständig verändern können.

Von Christof Kneer

Schalke 04 war gerade untergegangen gegen den FC Bayern, Manchester City hatte Bayerns Pressing staunend zugesehen, Bayer Leverkusen kam nie an den Ball. Die Fußballwelt war einigermaßen deprimiert im Herbst 2013, sie begann zu ahnen, dass Pep Guardiolas Bayern nicht so unschlagbar sein würden wie die Bayern von Jupp Heynckes, sondern noch viel unschlagbarer.

Es gab in diesen Herbsttagen nur einen einzigen Grund, nicht komplett zu verzweifeln: Wenigstens das nächste Heimspiel würden die Bayern verlieren, bevor sie in ihre Unschlagbarkeit zurückkehren würden. Das nächste Heimspiel bestritten die Bayern gegen eine Übermannschaft, gegen den Tabellenvierzehnten der Bundesliga, der gerade in der Krise steckte. Natürlich würden die Bayern keine Chance haben gegen Mainz 05.

"So ungefähr habe ich das damals wahrgenommen", sagt Thomas Tuchel, "Schalke, Manchester und Leverkusen haben's nicht geschafft, aber jetzt kommen ja die Mainzer." Als engagierter Trainer hätte er empört sein müssen über diese Erwartungshaltung, über diese Fallhöhe, aber Tuchel hat es mit einer gewissen Heiterkeit weggesteckt. Er weiß ja: Er ist selber schuld. Er hat die Bayern in seiner jungen Trainerkarriere dreimal besiegt und ein paarmal schwer beschäftigt, und seitdem hat sich in der Branche das Gefühl festgesetzt: Mainz kann Bayern. Und dieser intellektuelle Trainer da, der hat in seinem Trainerlehrgang wahrscheinlich einen geheimen "Wie-ärgere-ich-Bayern?"-Kurs belegt - und er hat keinem anderen Trainer Bescheid gesagt, dass es solch einen Kurs überhaupt gibt.

Mainz gewann die erste Halbzeit

Der FSV Mainz 05 hat im Herbst 2013 dann tatsächlich gegen Bayern gewonnen, 1:0, allerdings nur die erste Halbzeit. Am Ende stand es 4:1 für Bayern.

An diesem Samstag treffen sie sich wieder, die Bayern und die Mainzer, und die Branche muss sich bis zum Anpfiff entscheiden, welches Szenario ihr lieber ist: jenes, dass die unschlagbaren Bayern bereits am Wochenende Meister werden, was natürlich einen Sieg voraussetzt - oder jenes, wonach natürlich die Mainzer den Bayern die erste Liga-Niederlage beibringen, zumal sie im Moment nicht in der Krise stecken. Die Mainzer haben aus dem 1:4 in der Vorrunde nachträglich ja doch noch eine Art Sieg gemacht: Seit diesem Spiel sind sie von nichts und niemandem mehr zu kränken, ungerührt ziehen sie seitdem die komplexen Spielpläne durch, die ihr intellektueller Trainer für sie ausheckt. Die Mainzer sind nicht mehr Vierzehnter, sie sind jetzt Fünfter, nur einen Sieg von den Champions-League-Plätzen entfernt.

"Wir werden diesmal mit einem anderen Zutrauen in unsere Stärken spielen als vor einem halben Jahr", sagt Tuchel, "diesmal begreifen wir dieses Spiel einfach als Luxus und großes Geschenk." Selbstvertrauen ist für einen Trainer wie Tuchel aber keine Tugend an sich, es ist eine Art Material, das er wunderbar kneten und bearbeiten kann. "Anders als im Hinspiel können wir es uns diesmal leisten, auch mal im laufenden Spiel die Dinge zu verändern", sagt er.

Zwar wird das Hinspiel bis heute in einschlägigen Taktikforen im Internet vorwärts und rückwärts interpretiert, dabei war dieses Spiel für Tuchels Ansprüche eher schmucklos. Er hat eine geschickt geknüpfte Fünferabwehrkette präsentiert, "aber wir haben nur diesen einen Zug gemacht", sagt er, "wir haben diese Systematik das ganze Spiel beibehalten." Tuchel wollte seine verunsicherte Elf nicht überfordern, das Spiel verändert hat damals nur Pep Guardiola: Er war so genervt von Tuchels wehrhaften Mainzern, dass er in der Halbzeit die Rückkehr zum System mit Doppelsechs und starken Flügeln befahl. "Spielt wie bei Heynckes", sagte er.

"Diesmal können die Taktikfreaks vielleicht ein bisschen genauer hinschauen", sagt Tuchel mit einem Schmunzeln. Diesmal traut er es seiner Mannschaft zu, List mit Gegenlist zu kontern, diesmal könnte es durchaus zum großen Kochduell werden, in dem zwei Meister am Herd die Würzmischung ständig verändern.

Tuchel ist einer der wenigen, vielleicht der einzige Trainer in der Liga, dessen taktisches Repertoire dem von Pep Guardiola nicht von vornherein unterlegen ist - abgesehen davon, dass seine Spieler denen von Pep Guardiola hoffnungslos unterlegen sind. Spiele gegen Bayern sind für Tuchel "natürlich eine doppelte und dreifache Herausforderung", wie er sagt, und er freut sich diebisch, wenn er mit seinen verzwickten Ideen durchkommt. Einmal, gegen van Gaals Bayern, hat er die Münchner Manndecker manndecken lassen, van Buyten und Badstuber haben keinen geraden Ball ins Mittelfeld spielen können, und wenn, dann kam der Ball zu den verwirrten Sechsern van Bommel und Schweinsteiger, die von den Mainzer Freaks von vorne und von hinten angelaufen wurden.

Keiner wusste, warum der kleine Thomas weint

Tuchel mag das Spiel viel zu sehr, als dass er es wegschenken würde wie der Kollege Armin Veh, der seine Besten gar nicht erst mitgenommen hat nach München. Tuchel findet, dass man's wenigstens versuchen muss. "Es geht mir aber nicht darum, Guardiola zu schlagen, ich will da nichts beweisen", sagt er, "wir haben einfach große Lust zu sagen: Das ist eine Wahnsinns-Mannschaft, in der schon ganz viel von Pep steckt, und wir probieren's trotzdem!"

Für Trainer der Generation Tuchel ist der Spanier die entscheidende Referenzgröße, Guardiola sei "schon eine Art Vorbild", sagt Tuchel. Es komme ihm "fast unwirklich" vor, dass er sich jetzt mit ihm messe, sagt er, so wie es ihm unwirklich vorkam, dass er sein erstes Spiel als Profitrainer ausgerechnet gegen die Leverkusener von Jupp Heynckes coachen durfte. Der war einer der ersten Helden für den kleinen Gladbach-Fan Thomas Tuchel; dass Heynckes 1987 als Trainer zu den Bayern wechselte, erfuhr der kleine Thomas damals im Skikurs, und keiner wusste, warum er weint.

© SZ vom 22.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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