FC Bayern vor dem Rückspiel:Fernab jeder Berauschung

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Thomas Müller (li.) und Bastian Schweinsteiger: Locker bei der PK vorm Rückspiel (Foto: AFP)

Respekt und Ehrfurcht vor dem Rückspiel: Trotz bester Ausgangslage wähnt sich der FC Bayern vor der Partie in Barcelona noch nicht sicher im Finale - und gibt sich doch selbstbewusst. Jupp Heynckes verweist auf die Auswärtstreffer seines Teams, die spanische Presse interessiert sich aber nur für einen heiklen Satz von Franz Beckenbauer.

Von Andreas Burkert, Barcelona

Gleich an der Autobahn nach Tarragona hat der Mannschaftsbus des FC Bayern Aufstellung genommen, zwei Tage ist er nun die einzige Attraktion in einer ansonsten unwirtlichen Wohnblockgegend am westlichen Stadtrand von Barcelona. Sechs Kilometer vom mit Touristen verstopften Stadtzentrum entfernt haben die Münchner in einem futuristischen Hochhaushotel Quartier bezogen vor dem Rückspiel im Champions-League-Halbfinale beim FC Barcelona.

Ablenkung ist hier draußen nicht geboten, aber das wird die Bayern kaum stören; sie benötigen ja nach eigener Einschätzung unfassbar viel Konzentration für die Partie im mit fast 100 000 Besuchern ausverkauften Tempel des Camp Nou. Trainer Jupp Heynckes und sein Schlüsselspieler Bastian Schweinsteiger lassen jedenfalls bei der Pressekonferenz im voll besetzten Theatersaal ihres Hotel-Towers keinen Zweifel daran, wie sehr man Barça respektiere und fürchte trotz des 4:0-Vorsprungs aus dem Hinspiel.

"Für mich ist Barcelona nach wie vor die beste Mannschaft der Welt", sagt Heynckes. Und Schweinsteiger meint: "Wenn es zwei Mannschaften gibt, die so etwas umbiegen können - dann sind das der FC Barcelona und der FC Bayern."

Damit hatte der Vize-Kapitän allerdings auch beiläufig erwähnt, dass sich die Münchner natürlich alles andere als chancenlos sehen. Heynckes warnte zwar, man dürfe sich vom Hinspiel "nicht täuschen, nicht berauschen lassen". Doch selbstredend sei seine Mannschaft jederzeit in der Lage, auch in Barcelona ein Tor zu schießen, "denn wir sind keine Mannschaft, die nur verteidigt".

Ein Auswärtstor - eines haben die Bayern bislang in jedem Spiel ihrer diesjährigen Europa-Kampagne erzielt - würde die Aufgabe für Barça wohl endgültig unlösbar machen.

Spaniens designierten Landesmeister erwarten die Bayern weitaus stürmischer als vor Wochenfrist in München, zumal Lionel Messi sich am Wochenende im iberischen Ligabetrieb wieder lebhafter präsentierte. "Ich denke, wir werden zu tun haben mit ihm", vermutet Thomas Müller, allerdings wolle man selbst so kompakt und flexibel auftreten wie im Hinspiel, mit dem Hauptaugenmerk auf Defensive: "Wir werden wieder gut verteidigen, mit elf Mann arbeiten."

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Heynckes, davon ist zwingend auszugehen, wird trotz der gelben Gefahr für vier Stammspieler seine zuletzt bewährte Startelf bringen. Der leicht erkältete Abwehrchef Dante, Javier Martínez, Schweinsteiger sowie Philipp Lahm - dazu sind Mario Gomez und Luiz Gustavo vorbelastet - wären bei einer weiteren gelben Karte jeweils gesperrt, aber der Trainer nimmt darauf keine Rücksicht: "Das ist auch psychologisch ganz wichtig, dass wir in bestmöglicher Mannschaft spielen", sagte er. Auch Schweinsteiger will die Aufgabe unverkrampft angehen: "Zweikämpfe gehören dazu - wenn's passiert, passiert's."

Mit Blick auf das Halbfinal-Rückspiel zwischen Real Madrid und Borussia Dortmund waren Heynckes' Sympathien klar verteilt: "Ich wünsche Borussia Dortmund den Einzug ins Finale, obwohl ich noch wunderbare Relationen und eine Vergangenheit mit Real Madrid habe. Aber ich bin Deutscher, ich bin ein Patriot."

Ansonsten waren die Bayern bemüht, mal wieder die nächste Aufregung zu dimmen. Zwar sind morgens und mittags am Flughafen alle anstandslos durch den Zoll gekommen, und der von den Steuerfahndern hart bedrängte Präsident Uli Hoeneß ertrug tapfer den Alarm der Paparazzi, ehe er wortlos in der zweiten Reihe des Bayern-Fliegers neben Sportchef Matthias Sammer Platz nahm.

Diesmal verursachte Ehrenpräsident Franz Beckenbauer dafür Ärger, vor allem in Spanien, mit einer beckenbaueresken Plauderei: Barça werde zu allen Mitteln greifen, auch zu "illegalen", hatte er erklärt. Das führte zu diplomatischen Verstimmungen, von "Hochmut und merkelianischer Arroganz" schrieb das Blatt "El Mundo Deportivo"; auch die seriöse "Vanguardia" widmete am Dienstag der Attacke von "El kaíser" einen fast seitengroßen Artikel.

Bayern-Mediendirektor Markus Hörwick richtete der internationalen Presse in Barcelona eine "Entschuldigung wegen der missverständlichen Aussagen" von Beckenbauer aus.

Die Luft wird demnach brennen am Mittwochabend, nicht nur wegen Beckenbauer, wie Schweinsteiger ahnt: "Barcelona ist in seinem Stolz gekränkt - das macht sie umso gefährlicher."

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