FC Bayern vor dem Dortmund-Spiel:Nur mit kleiner Angriffslust

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Sämtliche Münchner haben sich vor dem Spitzenspiel in Dortmund eine Zurückhaltung auferlegt, die als programmatisch angesehen werden darf. Die Erinnerung an zuletzt drei verlorene Spiele gegen den BVB ist noch frisch. Nur Präsident Uli Hoeneß traut sich etwas offensivere Worte zu und prognostiziert einen 2:0-Sieg seines Klubs.

Andreas Burkert

Uli Hoeneß hat es nicht lassen können. Die psychologische Komponente eines Duells hält er auch im vierten Jahrzehnt als Frontmann der Münchner Fußballfirma für ebenso wichtig wie die taktische Ausrichtung auf dem Rasen, und wenn der Präsident die Konkurrenz mit verbalen Spitzen in Verlegenheit bringen kann, amüsiert und fasziniert ihn sein subtiles Werk gleichermaßen. "Wir sind die bessere Mannschaft", sagte er also vor dem anstehenden Aufeinandertreffen mit Tabellenführer Dortmund und versicherte: "Wir gewinnen 2:0."

Franck Ribéry im Spiel gegen Augsburg: Ein Punkt würden den Bayern schon reichen (Foto: dpa)

Ein gutes Jahr ist das nun her, als sich Hoeneß in Wahrheit wohl nur etwas Mut zusprach: Mit einem Heimsieg über Borussia hätte Bayern damals am 24. Spieltag den Rückstand nur auf unverändert niederschmetternde zehn Punkte reduzieren können, aber nicht einmal das gelang im Frühjahr 2011: Dortmund triumphierte auswärts 3:1, eine Lehrstunde in Sachen Teamsport inklusive.

Jetzt sind die Dortmunder vor dem Spiel, auf das seit Wochen alle warten, wieder vorne, momentan mit drei Zählern. Doch sämtliche Münchner haben sich eine Zurückhaltung auferlegt, die als programmatisch angesehen werden darf.

Nicht ein Jota Angriffslust gönnen sie sich vor der Abreise an diesem Dienstag nach Dortmund, wo Mittwochabend vieles möglich ist: der mutmaßlich entscheidende Schritt zur Dortmunder Titelverteidigung - oder eben der Wechsel an der Tabellenspitze dank der besseren Münchner Tordifferenz.

Am Samstag lösten die Bayern beim 2:1 zwar auch die knifflige Denksportaufgabe gegen den FC Augsburg, dank der nächsten Tore ihres Akkordschützen Mario Gomez. Aber was folgte nach dem neunten Pflichtspielsieg in Serie? Silentium. Kein Gebrüll, keine klitzekleine jener Provokationen, mit denen einst Schalker, Leverkusener und gar Hoffenheimer bedacht wurden.

Darauf dürfen sich die Dortmunder etwas einbilden. Voriges Jahr wurde ihr Coup von den Bayern vielleicht noch als One-Hit-Wonder einer juvenilen Rasselbande angesehen - doch das Wiedersehen im Meisterschaftsfinale 2012 gehen die Münchner für ihre Verhältnisse geradezu demütig an. Zu Saisonbeginn mag Karl-Heinz Rummenigge, damals in Erwartung der Auslosung zur Champions League, noch großspurig angemerkt haben, es gebe "da einen Klub in West-Deutschland, der wahrscheinlich in (Los-)Top vier stattfinden wird" (er meinte nicht Leverkusen).

Doch nach dem Derbyerfolg über Augsburg sagte der gewohnt recht selbstbewusste Vorstandschef, er wisse "gar nicht, was gegen Borussia Dortmund spricht"; er sehe vielmehr einem "Giganten-Gipfel" entgegen, "wir haben Respekt". Und dass Dortmund die drei jüngsten Duelle gewonnen hat, wisse man natürlich sehr wohl.

Elf des Bundesliga-Spieltags
:Mittelstürmer und Facebook-Freunde

Die Spieler des FC Bayern und der Dortmunder Trainer Jürgen Klopp bereiten sich eigenwillig auf das Spiel am Mittwoch vor. Facebook-Fans debattieren über einen Schiedsrichter. Dieter Hecking und Mario Gomez duellieren sich in punkto Schnelligkeit - und Christian Lell liefert nach seinem Foul an Marco Reus die ehrlichsten Worte des Spieltags ab.

Die Bayern werden das nicht zugeben, aber sie versuchen es seit ein paar Wochen gewissermaßen mit dem Dortmunder Weg. Ihr Spiel ist und bleibt grundverschieden, dort der leidenschaftliche Kollektivauftritt - und hier das von der Premiumqualität diverser Weltstars geprägte Bayern-Ensemble, dem auch gegen den knapp eine Stunde lang herausragend klug angeordneten FCA nur ein kleines Kunstwerk den Pflichterfolg brachte: Lahm in die Gasse zu Robben, der pfeilschnelle Holländer quer zu Gomez, 2:1.

Elf des Bundesliga-Spieltags
:Mittelstürmer und Facebook-Freunde

Die Spieler des FC Bayern und der Dortmunder Trainer Jürgen Klopp bereiten sich eigenwillig auf das Spiel am Mittwoch vor. Facebook-Fans debattieren über einen Schiedsrichter. Dieter Hecking und Mario Gomez duellieren sich in punkto Schnelligkeit - und Christian Lell liefert nach seinem Foul an Marco Reus die ehrlichsten Worte des Spieltags ab.

Und doch geben sich die Münchner seit geraumer Zeit nicht nur Mühe, zumindest in Sequenzen die Dortmunder Gruppenarbeit gegen den Ball zu kopieren - sondern auch deren mantragleiche Schau'n-aufs-nächste-Spiel-Rhetorik.

Und so haben sich diejenigen, die den Bayern an Ostern ein paar starke Sprüche entlocken wollten, irritiert trollen müssen. Bastian Schweinsteiger ließ sogar einen renitenten Mann vom Bezahlfernsehen einfach stehen ("Will der mich verarschen?"), weil dem die "Kampfansage!" an den BVB partout nicht eindrucksvoll genug ausgefallen war.

Auch in München hat sich eben ein Generationswechsel vollzogen; dort gibt es junge Nationalspieler wie Toni Kroos, 22, der kurz nach Spielende vorrechnen kann, dass Dortmund "in der gesamten Rückrunde nur vier Punkte abgegeben hat mit zwei Unentschieden". Natürlich sei ein Sieg das Ziel, und "fußballerisch sind wir vielleicht noch einen Tick besser". Doch auch Dortmund habe "große Qualität".

Hoeneß kann mit dieser neuen Tonlage leben, seine Zeit kommt vielleicht noch. Erst müssen sie das nächste Spiel überstehen. Jeder Fehler könne in Dortmund einer zu viel sein, glaubt Rummenigge und erinnert an das Hinspiel (0:1), das nur eine Unpässlichkeit jenes Verteidigers entschied, der auch vor dem Augsburger 1:1 durch Koo unglücklich aussah, Jérôme Boateng.

Mittwochabend wollen die Bayern besonders auf die Defensive achten, denn ein Remis, so geht intern die Rechnung, wäre in Ordnung. Danach übernähme wohl Hoeneß.

© SZ vom 10.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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