FC Bayern gegen Beşiktaş:Reue für die Aldi-Tüten

FC Bayern München Fans Aldi Tüten

Eine Aktion, die hohe Wellen schlug: Die Tüten-Choreografie im Olympiastadion am 17. September 1997.

(Foto: imago)
  • Beim Spiel des FC Bayern gegen Beşiktaş geht es auch um Belange der Fans.
  • Bayern-Fans haben ein Treffen mit einem Teil der Beşiktaş-Ultras organisiert, bei dem eine alte Fehde beendet wurde.
  • Der FC Bayern kündigt derweil an, dass "keine Person mit Fanartikeln von Beşiktaş" in die Arena gelassen werde.

Von Markus Schäflein

Es ist eine Geschichte, die erst 20 Jahre her ist, aber aus einer anderen Zeit stammt. Aus einer Zeit, als sich noch nicht alle Gesellschaftschichten billig beim Lebensmittel-Discounter versorgten. Und als in den Fankurven des Fußballs noch eher wenig Verständnis für Antidiskriminierung herrschte. Am Montagabend im Münchner Kulturzentrum Backstage trafen sich rund 70 Fanvertreter des FC Bayern und von Beşiktaş Istanbul vor ihrem Champions-League-Achtelfinale an diesem Dienstag, um diese alte Geschichte zu Ende zu schreiben.

Beim bisher einzigen Gastspiel von Beşiktaş in München, am 17. September 1997 im Olympiastadion, hatten die Bayern-Fans eine Choreografie vorbereitet - sie hielten Aldi-Einkaufstüten in die Höhe, versehen mit dem Spruchband "Aldi grüßt Kunden" und dem Gesang "Ihr könnt zum Aldi fahr'n". Damals galt ja noch das Klischee, dass vor allem Ärmere und Ausländer dort einkauften und anschließend die Tüten, so genannte Türkenkoffer, durch die Stadt trugen.

Die Aktion schlug hohe Wellen: Die türkische Tageszeitung Hürriyet schrieb von "Rassismus auf der Tribüne", der Kicker fand die Aktion "diskriminierend, dümmlich", Grünen-Politiker Cem Özdemir, damals schon Bundestagsabgeordneter, erklärte: "Hier wurden zwei Millionen Türken vor der Weltöffentlichkeit beleidigt. Diese Provokation zielte auf alle in Deutschland lebenden Türken."

Vertreter der großen Beşiktaş-Ultragruppe Çarşı, der Münchner Ultras sowie alteingesessener Fanklubs und sogar Südkurven-Trompeter Manfred Rögelein trafen sich am Montagabend in der hübsch geschmückten Halle am Hirschgarten zum Buffet, das großteils von damaligen Initiatoren der Tüten-Aktion bezahlt wurde - und zu zahlreichen versöhnlichen Grußworten. Seit sich Anhänger der beiden Klubs vor fünf Jahren auf einem Fankongress kennenlernten, stand die Idee im Raum, die Sache offiziell aus der Welt zu schaffen. "Die Auslosung hat da bestens gepasst", sagt Mitorganisator Gregor Weinreich von der FCB-Fanklub-Dachorganisation Club Nr. 12.

Erschrockene Jugendliche

"Die in Deutschland lebenden Türken und armen Menschen hat diese Aktion traurig gemacht", erklärte Ayhan Güner von Çarşı vor dem Treffen auf der Homepage des Club Nr. 12: "Armut ist nichts, wofür man sich schämen sollte. In ihrer Armut sind alle Menschen gleich." Der Club Nr. 12 berichtete, die Choreografie sei "eine recht spontane Aktion von einer Handvoll Jugendlichen" gewesen, "die danach ziemlich erschrocken darüber waren, was sie damit für einen Skandal ausgelöst hatten".

Güner meinte dazu: "So traurig es für uns war, so unglücklich lief es dann letztendlich auch für euch." Und nicht nur die Bayern-Fans entschuldigten sich bei dem Treffen, auch die Beşiktaş-Anhänger drückten ihr Bedauern über Übergriffe auf Bayern-Fans im damaligen Rückspiel aus.

Auch was die restriktive Ticketpolitik des FC Bayern anging, solidarisierten sich die Münchner Fans mit den Gästen. Beşiktaş-Präsident Fikret Orman gibt nach Krawallen im Europa-League-Viertelfinale 2016/17 gegen Olympique Lyon bei allen Champions-League-Auswärtsspielen das Gästekontingent komplett zurück, die Bayern unterstützten dies, kündigten "sehr intensive, strenge Einlasskontrollen" an und erklärten, dass "keine Person mit Fanartikeln von Beşiktaş Istanbul" in die Arena gelassen werde.

Wer sein Ticket an einen Gästefan weitergebe, erhalte "eine Ticket-Bezugssperre für künftige Spiele". So gesehen dürfte Innenverteidiger Mats Hummels die Arena allerdings auch nicht mehr betreten, er erklärte: "Es werden Beşiktaş-Fans im Stadion sein. Allein ich habe zweien Karten besorgt." Und Mete Gür von Çarşı sagte: "Ich kenne keinen, der nicht ins Stadion geht - aber alle in Zivil. Es gibt auch Türken, die den FC Bayern unterstützen. Leute aufgrund ihrer Nationalität auszuschließen, wird nicht funktionieren."

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