FC Bayern:Das Hoeneß-Solo von Singapur

FC Bayern-Präsident Uli Hoeneß und Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge auf einer Pressekonferenz 2017.

Präsident Uli Hoeneß (l.) und der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge: Vor wichtigen Entscheidungen beim FC Bayern

(Foto: dpa)

Der FC Bayern sucht Antworten auf die neue finanzstarke Konkurrenz, hat aber die Suche nach einem Sportdirektor bisher selbst verbockt. Ein Auftritt von Präsident Hoeneß zeigt die klubinterne Aufregung.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Der FC Bayern blickt zurück auf sieben fette Jahre. In dieser Zeit der sportlichen Blüte wäre sogar noch mehr drin gewesen, als die Champions League einmal zu gewinnen - 2013 in Wembley gegen Borussia Dortmund. Nimmt man das Auftaktbild, das die Münchner zu ihrer Sieben-fette-Jahre-Phase lieferten, so war es wohl der tief enttäuschte Louis van Gaal nach dem 0:2 im 2010er-Finale gegen Inter Mailand. Gegen den Lokalrivalen, den AC Mailand, haben die Münchner jetzt am Samstag den - für wenige Stunden - letzten Eindruck ihres Zyklus gesetzt: einen, soweit es seine gleichförmige Mimik überhaupt zulässt, enttäuscht auf dem Kaugummi kauenden Trainer Carlo Ancelotti.

Dieses Nullvier gegen Milan ist ein PR-Desaster, da die Tournee in den Fernen Osten weniger auf sportliche als auf werbliche Ziele (Stichwort: asiatischer Markt) ausgerichtet war. Da will niemand nullvier verlieren, zumal es in der Zielgruppe China keinen interessiert, dass die Italiener mit ihrem für mehr als 200 Millionen Euro renovierten Kader in der Saisonvorbereitung am Ende stehen, während die Münchner ohne diverse Stammkräfte erst noch am Anfang sind.

Es gäbe also eigentlich viele Entschuldigungen, doch die öffentliche Blitz-Reaktion von Uli Hoeneß vor dem Mikrofon in Singapur zeigt, dass klubintern gerade offenbar ein paar Alarmglocken geläutet werden. Weil da plötzlich die Angst eingezogen ist, dass dieser irritierend wirre Auftritt von Shenzhen vielleicht doch mehr sein könnte als nur eine Momentaufnahme. Nämlich ein Spiegelbild der aktuellen Situation im Verein - und damit ein Vorbote, dass dieser große, europäisch so prägende FC-Bayern-Zyklus in dieser Saison 2017/18 zu Ende dämmern könnte.

Die Frage ist, ob der Kader international funktioniert. Die Gegner haben aufgerüstet

Allerdings kaum auf der nationalen Ebene. Da ist dramaturgisch eher mit einem neuerlichen Bayern-Durchmarsch zu rechnen, es wäre der sechste in Serie. Der aktuelle Kader dürfte zu breit gebaut sein, als dass potenzielle Verfolger wie Dortmund (akute Verletzungsprobleme), Leipzig oder Hoffenheim (Strapazen ihrer Champions-League-Premiere) wirklich auf Schlagdistanz herankommen sollten.

Die Frage aber ist, ob dieser Kader auch auf der zweiten, der internationalen Definitionsebene funktionieren wird. Sobald es dann neuerlich gegen Real Madrid gehen sollte, gegen das die Bayern im April zwar in der Verlängerung und spektakulär, aber doch auch schon relativ früh im Viertelfinale der Champions League scheiterten. In dem Prestige-Wettbewerb werden künftig nicht mehr nur die Spanier aus Barcelona und Madrid, sondern auch wieder Juventus Turin, zudem die Neureichen aus Paris oder die einige Jahre lang notleidenden Engländer als Fallensteller erwartet. Sie alle haben während des FC-Bayern-Zyklus schwer gelitten, aber auch die Zeit genutzt, um sich finanzgewaltig entlang den Grenzen des Erlaubten spektakulär zu erneuern.

Wie angestrengt die Bayern um passende Antworten ringen, zeigt sich exemplarisch in der Fahndung nach einem neuen Sportdirektor wahlweise Sportvorstand. Nach einem Mann, der dem Personal der Münchner wieder eine konkrete, übergeordnete Idee vom Spiel vermittelt. Die einstige Beckenbauer-Bayern-Ideologie ("Geht's raus und spielt's Fußball!") greift im modernen Fußball längst nicht mehr, eine solche wird brutal decodiert wie beim Nullvier in Shenzhen. Und die Gegenwart spült jetzt wieder einen Alt-Bajuwaren, Mark van Bommel, Mitarbeiter im Finale 2010, in den Kandidatenkreis.

Die Sportchef-Besetzung haben Hoeneß/Rummenigge im direkten Duell verbockt

Die lange Historie dieser Suche ist hinlänglich bekannt. Es ist ja nicht grundsätzlich so, dass Präsident Uli Hoeneß und Bayern-Vorstand Karl-Heinz Rummenigge ihre Macht nicht teilen wollten, die Versuche mit Christian Nerlinger (2009 bis 2012) und Matthias Sammer (2012 bis 2016) sind nicht allein durch die Schuld des älteren Duos gescheitert. Wohl aber müssen sie sich ankreiden, dass sich für Sammer kein Nachfolger fand. Oder auch zwei. Denn die Sache mit Philipp Lahm und Max Eberl, die haben Hoeneß/Rummenigge im direkten Duell verbockt. Der eine, Rummenigge, favorisierte bekanntlich den zurückgetretenen Weltmeister Lahm, der andere, Hoeneß, den Gladbacher Manager Eberl. Beide Kandidaten fühlten sich viel zu lange hingehalten. Beide wären unter Umständen auch für eine gemeinsame Lösung zu gewinnen gewesen, Eberl als Sportchef, Lahm als Sportvorstand. Letzterer zog sich dann mit der bitteren Botschaft zurück, neben Hoeneß sei "noch kein Platz für mich", er glaube, dass dieser noch "zu tatkräftig" sei.

Der Hoeneß-Auftritt von Singapur, wo der FC Bayern an diesem Dienstag gegen den FC Chelsea die Bilder vom Milan-Debakel überpinseln will, kann als Beleg einer erweckten Tatkraft gelten. Denn eine Verkündung, dass in spätestens sechs Wochen die Sportdirektoren-Planstelle besetzt sei, obliegt laut Organigramm eigentlich dem Vorstand, also Rummenigge. Hoeneß ist als Aufsichtsratschef und Klubpräsident eher als Kontrollorgan vorgesehen, aber so genau haben sie es mit der Gewaltenteilung beim FC Bayern noch nie genommen. Das Hoeneß-Solo von Singapur bedeutet übersetzt: Ich bin operativ wieder da! Die spannende Frage wird also sein, ob Hoeneß und Rummenigge es schaffen, ihre Schlüsselpersonalie dieses Mal gemeinsam zu präsentieren. Beim Versuch, die Erbfolge im Gegeneinander anzugehen, sah es zuletzt aus wie dieses Nullvier auf dem Rasen.

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