Dortmund gegen Madrid Außenseiter:Märchen von Aschenputtel

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Wie stoppt man Cristiano Ronaldo (links)? Dortmunds Außenverteidiger Lukasz Piszczek hilft sich mit einem Foul (Archivbild) (Foto: dpa)

Eine rasante Dortmunder Elf zeigte Real Madrid 2013 im Halbfinale der Champions League die Grenzen auf, diesmal ist im Viertelfinale nur noch ein Torso einsatzbereit. Trotzdem üben sich die BVB-Macher um Trainer Klopp heimlich in Zuversicht.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Die meistgeübte Disziplin der letzten Tage hieß in Dortmund: den Ball flach halten. Im Fußballer-Jargon steht das fürs Spiel mit flachen Pässen, gut kontrolliert, effizient, ein bisschen unterhalb des Radars des Gegners. Gute Flachpässe sind technisch anspruchsvoll, die auf dem Rasen genauso wie die verbalen.

"Wir sind keine Spinner", sagte etwa Borussia Dortmunds Vorstands-Chef Hans-Joachim Watzke, "das Problem, dass wir nur noch die Hälfte der Spieler dabei haben aus den letzten Spielen gegen Madrid im vergangenen April, das lässt sich nun mal nicht ignorieren." Tatsächlich ist von der Mannschaft, die in der vergangenen Saison Real Madrid in gleich vier Spielen (zweimal in der Gruppenphase, einmal im Halbfinale) in Schach hielt, nur noch ein Torso übrig.

Auf ihren Status als Außenseiter legen sie bei Borussia Dortmund vor dem Wiedersehen diesen Mittwoch deshalb besonderen Wert. Mats Hummels hatte das schon vor der Auslosung klargestellt: "Mit unserer Verletztenliste sind wir im Viertelfinale gegen jeden Gegner Außenseiter." Trainer Jürgen Klopp legte nun nach: "Unter den letzten Acht sind wir das Aschenputtel, angesichts unserer Personalsituation und unseres Budgets."

Reus stellt sich fast von selbst auf

Aber so leicht ist das mit dem verbalen Flachpass dann auch wieder nicht. Einerseits kann wohl dosiertes Understatement bekanntlich in vielen Lebenslagen helfen. Andererseits will man seiner Mannschaft nicht einreden, dass sie sowieso keine Chance hat. Der Meinung ist nämlich auch Klopp keinesfalls.

Zumal wenigstens die drängendste Frage an der Personalfront seit vergangenen Samstag schon mal gelöst zu sein scheint: Da traf Marco Reus dreimal beim 3:2 gegen den VfB Stuttgart. Vorher hatte Klopp noch überlegen können, seinen Zweit-Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang (13 Ligatore) als Vertreter für den in Madrid gesperrten Robert Lewandowski (16 Tore) in die Sturmspitze zu schicken. Jetzt stellt sich der Mittelstürmer-erfahrene Reus (12 Ligatore) auch gegen Real fast schon von selbst auf.

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Und das offensive Mittelfeld mit Kevin Großkreutz, Henrikh Mkhitaryan und eben Aubameyang damit wohl auch. Doch nicht einmal das beinahe letzte Dortmunder Aufgebot ist ganz und gar fit. Außenverteidiger Lukasz Piszczek musste sich in Stuttgart erneut von Großkreutz vertreten lassen, zur Schonung. Eric Durm, der Vertreter des verletzten Marcel Schmelzer, flimmerte in heiklen Situationen zuletzt bedenklich.

Tatsächlich hat Watzke recht, dass sich der BVB nicht mehr, wie im vergangenen Champions-League-Jahr, als eine Fashion-Show mit lauter hungrigen Talenten präsentieren kann. Mario Götze - der sich just im Halbfinal-Rückspiel bei Real einen Muskelfaserriss einhandelte und damit sang- und klanglos seine letzten Spielminuten für den BVB absolvierte, bevor er zwei Monate später zum FC Bayern wechselte - ist der prominenteste auf der Abwesenheitsliste. Subotic, Schmelzer, Blaszczykowski, Gündoğan, Bender fehlen sowieso, Lewandowski ausnahmsweise auch. Wie soll man sich da nicht ein bisschen wie Aschenputtel fühlen, wenn es gegen Ronaldo, Bale, Benzema und Di Maria geht?

Und doch haben sie sich bei Borussia Dortmund vor der Reise nach Madrid schon wieder ein bisschen Zuversicht zurechtgelegt. Das rasante 4:1 im vergangenen Jahr (mit vier Toren von Lewandowski) ist inzwischen wieder präsent. Auch das 2:2 im Bernabeu-Stadion, das damals den Dortmunder Gruppensieg manifestierte. So ein 2:2 wäre auch dieses Mal das Ergebnis, das sie sich beim BVB hinter vorgehaltener Hand zuraunen.

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Mit dem ultraschnellen Aubameyang und den beiden ebenfalls rasanten Reus und Mkhitaryan müssten sich doch Konter spielen lassen gegen einen Gegner, dessen überbordendes Selbstbewusstsein quasi in der Vereinssatzung vorgeschrieben ist. Irgendwo muss doch auch ein Klub, dem der Slogan "die Königlichen" zu klein wurde und der sich stattdessen für "galaktisch" erklärt, verwundbar sein. Ronaldo, Benzema und Bale über lange Strecken des Spiels vom eigenen Tor weghalten, dazu zwei Konter gezielt abschließen - so malt man sich das aus, wenn man selbst im vergangenen Jahr im Finale der Champions League war und sich deshalb einiges zutraut. Wenn es mal richtig drauf ankommt.

Bale und Ronaldao kosten so viel wie der gesamte BVB

Und so könnte das Märchen dann ja weitergehen: Im Rückspiel nächste Woche in Dortmund kann der Strafraumstürmer Lewandowski wieder spielen. Und auch Nuri Sahin könnte noch eine Hauptrolle spielen. Sahin, der sich ein unglückliches Jahr lang bei Real versucht hatte und dann über einen Abstecher nach Liverpool zu seinem Heimatklub Dortmund zurückkehrte, will schon in Madrid vorführen, dass nicht er an Real gescheitert ist, sondern Real an ihm. Steilpässe nach Balleroberung sind Sahins Spezialität. "Ich habe ja schon oft gesagt", wiederholt sich Klopp, "dass wir nicht die beste Mannschaft der Welt sind, aber dass wir an einem Tag die beste Mannschaft schlagen können."

Von den beiden Pleiten, die der Ruhrpott- und Tabellen-Nachbar Schalke 04 in der letzten Runde gegen Madrid erlitt (1:6 und 1:3), wird in Dortmund nicht geredet. Eher schon über die beiden jüngsten Niederlagen von Real aus den letzten Tagen, 3:4 gegen Barcelona, 1:2 beim FC Sevilla. Die Galaktischen wirkten beide Male stark, aber doch irdisch genug. Ronaldo und Bale, den beiden Artisten, die zusammen so viel Marktwert haben wie Dortmunds ganze Mannschaft, wird derzeit eine kleine Formkrise nachgesagt.

Aber auch ohne diese aktuelle Wetterprognose aus der spanischen Presse: Dortmunds Selbstbild orientiert sich nicht nur an den Fakten der Bundesliga-Tabelle mit dem schwindelerregenden Rückstand auf den Meister Bayern München. An einem guten Tag, so die Selbsteinschätzung beim BVB, ist die Elf, die sich in Madrid fast von selbst aufstellt, nicht schlechter als die, die im vergangenen Jahr Real aus dem Rennen warf. Nur sagen muss man das natürlich keinem.

© SZ vom 02.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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