Champions League:Wie Guardiolas Plan in Madrid scheiterte

Lesezeit: 4 min

  • Der Trainer des FC Bayern setzt Thomas Müller auf die Bank und will das Bollwerk Atlético über die Flügel schlagen. Doch das Bollwerk schlägt zurück.
  • Guardiola selbst ist mit "75 Prozent des Spiels" zufrieden. Die Spieler finden: Der Rasen ist schuld.
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Von Martin Schneider, Madrid

Atlético Madrid hatte eine biologische Waffe gegen den FC Bayern eingesetzt, darin waren sich Manuel Neuer, Philipp Lahm und Thomas Müller einig. Die Waffe war stumpf, sie lähmte das Spiel und vor allem war sie überall. Sie haben zwar gesagt, dass sie mit allen Tricks rechnen, aber entkommen konnten die Münchner dieser Waffe trotzdem nicht: Rasen ist ja auf einem Fußballplatz überall. "Der Platz war sehr stumpf", sagte Lahm und stumpf bedeutet: So trocken, dass der Ball langsamer rollt und weniger hoch aufspringt. Müller präzisierte. "Der Platz nahm auch bei Kopfballaufsetzern ein bisschen Gas aus dem Ball. Wenn der aufkommt, musst du aufpassen, dass er dir nicht zurückspringt ins Gesicht."

Der FC Bayern will im Rückspiel eine chemische Waffe dagegen einsetzen: Wasser. "Ich finde es gut, dass wir im Heimspiel Wasser auf den Platz machen können und wir den Ball schneller laufen lassen können. Wenn dann ein langer Ball kommt, kann ich auch wieder eingreifen. Hier bleibt der Ball einfach stehen", referierte Neuer und man konnte meinen, dass die widrige Wiese entscheidend für die 0:1-Niederlage des FC Bayern im Hinspiel des Champions-League-Halbfinales in Madrid gewesen war.

War sie nicht. Die Bayern hatten auch ein paar Dinge selbst verschuldet.

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Da war zum Beispiel die Aufstellung und die damit verbundene Taktik von Pep Guardiola: ohne Thomas Müller. "Ich wollte einen Mittelfeldspieler mehr in der Mitte. Einen mehr - deshalb", erklärte Guardiola. Er ließ auch noch Franck Ribéry und Joshua Kimmich draußen und baute sich ein System, das leider nur in der Theorie funktionierte. So wie Guardiola sich das dachte, sollten Douglas Costa und Kingsley Coman das Spiel breit machen, das Bollwerk Atlético auseinanderziehen und Flanken schlagen. Ein nachvollziehbarer Gedanke. Coman spielte als Rechtsfuß rechts, Costa als Linksfuß links um präzise den Ball hoch in den Sechzehner zu bringen, wo ja Atléticos Abwehrriese Diego Godín ausfiel.

Ribéry dribbelt mehr, als dass er flankt, und zeigte außerdem im DFB-Pokal gegen Bremen eine Fehlerquote, die in Madrid zu riskant gewesen wäre. In der Abwehr traute Guardiola Joshua Kimmich das heikle Spiel nicht zu, zog dafür David Alaba in die Innenverteidigung und Juan Bernat nach außen.

Im Mittelfeld wollte Guardiola das Dreieck Thiago-Alonso-Vidal mit Vidal als offensivstem Spieler. Einen der drei hätte er für Thomas Müller opfern müssen, nach der Formation am ehesten Vidal. Aber Vidal auf die Bank setzen, gegen die wilden Kämpfer von Atlético? In der Theorie war das gar keine so dumme Strategie von Guardiola. In der Praxis scheiterte sie an vielen Faktoren, vor allem am Pressing von Atlético.

In den ersten 15 bis 20 Minuten machte das Team von Diego Simeone genau das, was man vom ihm erwartete: Dass Atlético die Abwehr früh und aggressiv unter Druck setzt, das war so überraschend wie Schinken auf einem Schinkenbrot - aber Bayern kam trotzdem nicht damit klar. In der elften Minute setzte Saúl Ñíguez dann zu seinem Dribbling an, das Thiago, Alonso, Bernat und Alaba hätten stoppen können. Taten sie aber nicht. "Das müssen wir uns jetzt auf die Fahne schreiben, gerade so ein Solo-Lauf, das haben wir gegen Juve schon mal erlebt, dass wir da ein Tor gefangen haben. Und jetzt wieder. Da müssen wir in der Situation, auch weil wir in Überzahl waren, besser verteidigen", meinte Neuer. Für Juve dribbelte sich im Achtelfinale Álvaro Morata durchs ganze Bayern-Mittelfeld.

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"75 Prozent unseres Spiels waren gut", sagte Guardiola. Die schlechten Prozent waren diese Minuten. "Was man uns vorwerfen kann, ist die Anfangsphase. Das sahen wir nicht gut aus, obwohl wir das so erwartet haben", gab Müller zu.

Xabi Alonso war das ganze Spiel über streng bewacht und praktisch aus dem Spiel genommen, er spielte 66 Pässe, ein unterirdischer Wert für ihn. Thiago und Vidal schafften es nicht, das zu kompensieren: Vidal, weil er oft falsch stand und die meisten Fehlpässe spielte (18); Thiago, weil er in den Zweikämpfen oft nicht bestand. Die beiden Außenspieler Costa und Coman kamen gar nicht dazu, Flanken zu schlagen, weil sie sich vorher schon festrannten und vor allem Costa in seinen Pässen und langen Bällen eine Streuung hatte, die ihn schon die ganze Rückrunde über begleitet. Dazu entstand eine Unwucht in der Abwehr, weil Juan Bernat nicht die spielerischen Qualitäten von Philipp Lahm hat (Lahm spielte 112 Pässe, Bernat 66).

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Das alles hätte dazu getaugt, zu einem veritablen Debakel zu werden, wenn da nicht die zweite Hälfte gewesen wäre. Die Worte "zweite Halbzeit", fielen dann auch in der Interviewzone noch häufiger als "stumpfer Rasen". "Wir hätten vor dem Spiel nicht gedacht, dass wir uns so viele Chancen erarbeiten können, wie in der zweiten Halbzeit. Und die muss man dann halt nutzen", sagte Lahm. Da war ja David Alabas Schuss gegen die Latte (54.). Da war der Kopfball von Javi Martínez in die Arme von Torwart Jan Oblak (59.). Da waren gute Schüsse von Robert Lewandowski (64.) oder ein schöner Lupfer von Costa (70.).

Wäre einer dieser Versuche reingegangen, wäre der Ton ein anderer gewesen, dann würde man von guter Ausgangslage und wichtigem Auswärtstor reden und vielleicht sogar von richtiger Aufstellung. Wenn man aber schon anfängt, mit Eventualitäten zu argumentieren, muss man auch sagen: Wenn der Außenrist-Schlenzer von Fernando Torres in der 75. Minute nicht an den Pfosten geht, sondern rein, dann wäre das Ding gegen die vielleicht beste Defensiv-Mannschaft Europas durch gewesen. So bleibt: Zum dritten Mal kein Auswärtstor im dritten Champions-League-Halbfinale unter Guardiola. Ziel verfehlt.

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