Champions League:Der FC Bayern wird ausgetanzt

Lesezeit: 3 min

  • Die Münchner verzweifeln am aggressiven Pressing von Atlético Madrid.
  • Unkonzentriertheiten wie vor dem Gegentor durch Saúl und die vergebliche Suche nach dem eigenen Stil führen zur 0:1-Niederlage.
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Von Benedikt Warmbrunn

Die Bilder dieses Abends zeigen einen Mann, der unzufrieden ist, enttäuscht, überrascht, vielleicht auch: ratlos. Die Bilder zeigen einen Mann, der erst einmal einen großen Schluck aus seiner Wasserflasche nehmen muss. Sie zeigen einen Mann, der so sehr fuchtelt, dass sein Sakko wie ein Umhang weht. Sie zeigen ihn klatschend, anfeuernd, motivierend. Sie zeigen seine großen, großen Augen.

Die Bilder zeigen Pep Guardiola in seinem dritten und letzten Hinspiel eines Halbfinales in der Champions League als Trainer des FC Bayern. Und zum dritten und letzten Mal zeigen sie ihn als den, der er nicht sein möchte. Als den Verlierer.

Das 0:1 (0:1) des FC Bayern am Mittwochabend bei Atlético Madrid war nicht zwangsläufig das vorletzte Champions-League-Spiel mit Guardiola als Trainer, noch immer kann er das Team ins Finale in Mailand führen. Und doch fügt es sich ein in eine Amtszeit, in der es ihm zuvor zweimal im Halbfinale nicht gelungen war, die richtige Taktik zu finden. Und so war da an diesem Mittwoch wieder eine Mannschaft, die gewann, weil sie eine bessere taktische Idee hatte. Diese Mannschaft war zu lange eben nicht der FC Bayern.

FC Bayern in der Einzelkritik
:Better foul Saúl

Thiago, Juan Bernat, Xabi Alonso und David Alaba lassen sich von einem frechen Spanier düpieren, ohne sich zu wehren. Manuel Neuer dankt dem Pfosten. Der FC Bayern in der Einzelkritik.

Von Martin Schneider und Claudio Catuogno, Madrid

Atlético, die Mannschaft von Diego Simeone, siegte, weil sie ihren intensiven, leidenschaftlichen, bedingungslosen Stil auch gegen den FC Bayern lang genug durchziehen konnte. Und sie spielte zunächst den reiferen Fußball, mit schnelleren Angriffen, die meist zielgerichtet waren. Der Auftritt des FC Bayern dagegen war zu lange geprägt von Unkonzentriertheiten, von Unzuverlässigkeiten, die Münchner Mannschaft suchte ihren Stil, das schon. Sie fand ihn jedoch erst, als sich Atlético schon eingerichtet hatte.

In diesem Spiel ging es ja nicht nur um die Mannschaft, es ging auch um Pep Guardiola, vor allem um ihn. Zweimal hatte er den FC Bayern bisher ins Halbfinale der Champions League geführt, dass er sie nie ins Finale führen konnte, lag immer auch an den Hinspielen. Im Frühjahr 2014 reichte ein Konter, um bei Real Madrid 0:1 zu verlieren. Im Frühjahr 2015 reichte ein fünfzehnminütiger Schwächeanfall am Ende, um beim FC Barcelona 0:3 zu verlieren; da war die Mannschaft allerdings auch geplagt von Verletzungen. Immer ging es danach auch um die Taktik, die Guardiola gewählt hatte. So war das auch an diesem Mittwoch im Vicente Calderón.

Guardiola hatte in der Startelf auf Thomas Müller und Franck Ribéry verzichtet, er vertraute stattdessen im Mittelfeldzentrum Arturo Vidal und Xabi Alonso, das war die höchste Sicherheitsstufe; dazu kam Thiago als Kreativspieler. Auf den Flügeln begannen Douglas Costa und Kingsley Coman, zwei, die jung sind und schnell und gut als Flankengeber. "Ich wollte mehr Kontrolle, ich wollte mehr Mittelfeldspieler", erklärte Guardiola später. Doch diese Taktik ging zunächst nicht auf, und als sie aufging, war es schon zu spät.

Atlético war die Mannschaft, die das Tempo bestimmte, der FC Bayern hatte zwar häufiger den Ball, das Team wusste damit aber nichts anzufangen. Hatte der Gastgeber einmal den Ball, dann ging es immer: schnell. Kein Rumgeschiebe, sondern sofort der direkte Weg vor das Tor. Besonders eindrucksvoll machte das Saúl Ñíguez. Thiago schüttelte er ab, dann dribbelte er zwischen Juan Bernat und Alonso durch, im Strafraum stand vor ihm noch David Alaba, Ñíguez machte einen Übersteiger, dann zwirbelte er den Ball mit viel Übersicht ins Tor (11.). Guardiola trank einen Schluck aus seiner Wasserflasche.

Stimmen zur Champions League
:"Mut und Aggressivität vermissen lassen"

Manuel Neuer bemängelt die erste Halbzeit, Philipp Lahm und David Alaba beklagen sich auch über den Rasen in Madrid. Reaktionen auf die Bayern-Niederlage bei Atlético.

"Diese Aktion war die Konsequenz für unsere ersten 15 Minuten", sagte der Trainer später. Und Alaba gestand: "Das wissen wir, dass das nicht sein kann."

Nach dieser Führung spielten die Madrilenen ihr Pressing noch aggressiver, sie attackierten früh, stellten oft zu dritt einen Gegenspieler zu, manchmal sah es so aus, als ob sie von der Vorspultaste gesteuert wären. Guardiolas Spieler fanden dadurch im ersten Durchgang nie ihren Rhythmus, ihr Spiel war zersetzt von Fehlern, die wenigen Ansätze einer Chance blieben stets Ansätze. Die erste Halbzeit endete mit einem verzweifelten Fernschuss von Bernat.

"Da sind wir ein bisschen schläfrig gewesen, da waren wir nicht aggressiv genug", sagte Torwart Manuel Neuer. Wie sich Guardiola das Spiel vorgestellt hatte, das wurde erst in der zweiten Halbzeit deutlich. Die Gäste nutzten nun verstärkt die Flügel, durch Costa, durch Coman, auch durch Robert Lewandowski, der immer wieder auf die Seite auswich. Und auf einmal erspielte sich das Team richtig gute Chancen. Alaba traf die Latte (54.). Javier Martínez scheitert mit einem Kopfball an Torwart Jan Oblak (59.). Lewandowski spitzelte den Ball aus spitzem Winkel knapp vorbei (64.). Costa lupfte auf das Tornetz (70.), immer weiter ging das so. Atlético fehlte die Kraft, um mit dieser neuen Geschwindigkeit mithalten zu können. "Der Unterschied war, dass wir in der zweiten Halbzeit mutiger waren. Das hatte uns gefehlt", sagte Neuer. Guardiola schwärmte sogar: "75 Prozent unseres Spiels waren toll." Die Gastgeber verteidigten tiefer, sie konterten selten - doch dann gefährlich genug, um zu verhindern, dass Guardiola das Spiel noch toller fand. Fernando Torres traf nach einem Gegenangriff mit dem Außenrist den Pfosten (75.), dieser Schuss beendete die Drangphase der Gäste.

Ganz zum Ende war das Spiel dann zerfahren, taktische Muster waren in diesem Schlagabtausch kaum noch zu erkennen. Als es vorbei war, anders als er sich das gedacht hatte, ging Pep Guardiola nach draußen, er fasste sich dabei kurz an die eigene Nase. Es kommt jetzt in einer Woche in München noch einmal auf ihn an, auf ihn und seine Ideen.

© SZ vom 28.04.2016 /sz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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