Champions League:Geschlossener ohne Neymar

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  • Paris Saint-Germain muss im Viertelfinal-Rückspiel der Champions League gegen Real Madrid auf den verletzten Neymar verzichten.
  • Die Spieler bedauern den Ausfall. Doch es besteht kaum ein Zweifel daran, dass PSG ohne Neymar eine mannschaftlich geschlossenere Version seiner selbst zeigen wird.
  • Es ist auch keine Rede mehr von den atmosphärischen Störungen, die sich bei PSG nach dem Hinspiel in Madrid aufgetan hatten.

Von Javier Cáceres, Paris

Fußball ist auch ein Gemütszustand. Wer es vor dem Achtelfinal-Rückspiel der Champions League zwischen Paris Saint-Germain und Real Madrid mit den Franzosen halten sollte, dürfte sich glücklich schätzen, dass die Führung der von Katar milliardenschwer subventionierten Truppe nicht nur auf den Schultern von Trainer Unai Emery, 46, ruht. Sondern dass es bei PSG auch Spieler gibt wie den Rechtsverteidiger Dani Alves, 32. Montagmittag saßen beide im Untergeschoss des Prinzenpark-Stadions, im heillos überfüllten Presseraum. Paris Saint-Germain muss einen 1:3-Rückstand aus dem Hinspiel aufholen; und natürlich kam die Sprache auf Neymar, der am Samstag wegen einer Verletzung am fünften Mittelfußknochen des rechten Fußes operiert worden war. Toujours Neymar - immer wieder Neymar, der 222-Millionen-Euro-Einkauf des vergangenen Sommers.

"Alle sind dabei", sprach also Emery und senkte dabei die Stimme und verzog das Gesicht, als trüge er unterm PSG-Trainingsanzug einen Bußgürtel aus Draht, der ihm beim Gedanken an den Brasilianer in die Haut sticht: "Außer Neymar".

Dani Alves hingegen, der drei Mal die Champions League mit dem FC Barcelona gewonnen hat: Überzeugung in Reinform, wache Augen, fest im Ton. "Es gibt immer zwei Möglichkeiten: Entweder du setzt dich hin und weinst. Oder du stehst auf und kämpfst. Ich wähle immer die zweite Möglichkeit", erklärte er. Man stehe vor der "einzigartigen Möglichkeit", als Klub und Team einen Schritt nach vorn zu tun. "Und die Statistik besagt, dass du dem Titelgewinn sehr nahe kommst, wenn du den Titelverteidiger ausschaltest", fügte der Brasilianer hinzu.

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Was nicht heiße, dass man Neymars Fehlen nicht bedauere. Es sei "unmöglich", die Abwesenheit eines Spielers wie Neymar nicht zu spüren, sagte Alves. Mit ihm sei PSG "ganz offensichtlich stärker. Aber ohne ihn ist PSG immer noch stark." Es ist ein Team, das meist mit Neymar, aber auch schon ohne ihn nur Siege im Prinzenpark eingefahren hat. Das im vergangenen Jahr den FC Barcelona im Hinspiel des Achtelfinals mit 4:0 schlug. Das den FC Bayern in der diesjährigen Gruppenphase auseinander nahm. Es ist ein Team, das einen eigenen Stolz hat und das nun vor der Chance steht, der Welt zu zeigen, dass all der Hype um Neymar übertrieben ist. Dass der Klub ohne ihn, dem man die Aufmerksamkeit und das viele Geld neidet, funktioniert. Vielleicht sogar besser. Und dass man "nicht nur wegen des Geldes und der Stadt Paris wegen" zu PSG gewechselt sei, "sondern weil ich hier Geschichte schreiben möchte", wie Alves formulierte.

Es besteht kaum ein Zweifel daran, dass PSG ohne Neymar eine mannschaftlich geschlossenere Version seiner selbst zeigen wird. Das war schon voriges Wochenende zu sehen, als PSG "mehr Kombinationen und weniger Einzelaktionen zeigte und die Scheinwerfer auf dem ganzen Team ruhten", wie Verteidiger Thomas Meunier nach dem 2:0-Sieg bei ES Troyes sagte. Normalerweise sei das geradezu reflexartig anders: "Wir geben Neymar den Ball - und warten auf eine Genialität". Nun muss man sich gewissermaßen neu erfinden.

Doch nicht nur das bewirkt der Ausfall Neymars. Es ist auch keine Rede mehr von den atmosphärischen Störungen, die sich bei PSG nach dem Hinspiel in Madrid aufgetan hatten. Der uruguayische Mittelstürmer Edinson Cavani war außer sich, als er im Bernabéu-Stadion ausgewechselt wurde; die Frauen von Kapitän Thiago Silva und Stürmer Ángel Di María überzogen Trainer Emery im Netz mit hämischen Tweets, weil ihre Gatten nur auf der Reservebank hatten Platz nehmen dürfen.

Ähnliches war vom spät eingewechselten deutschen Weltmeister Julian Draxler nicht zu vernehmen. Dessen Startelf-Einsatz gegen Real gilt übrigens als unwahrscheinlich, obschon Emery am Montag auf eine explizite Frage nach dem DFB-Nationalspieler sagte, dass "die Abwesenheit eines Spielers einem anderen immer eine Tür öffnet". Die Rückkehr des zuletzt wegen einer leichten Blessur geschonten 180-Millionen-Einkaufs Kylian Mbappé erscheint so sicher wie jene von Weltmeister Toni Kroos bei Real Madrid. Jenseits davon aber wird an der Seine statt Zwist nun die "heilige Eintracht" beschworen: So lautete am Montag die Schlagzeile der Sportzeitung L'Équipe.

Das schließt explizit die Ultras von PSG ein. Die Klubführung erlaubte ihnen den Zugang zum Trainingsgelände und animiert sie dazu, das Prinzenpark-Stadion am Dienstag in ein Inferno zu verwandeln. In der Nacht zum Dienstag zündeten einige PSG-Ultras vor dem Madrider Teamhotel Feuerwerkskörper, um den Schlaf der Spieler zu stören. Auch auf den deutschen Schiedsrichter Felix Brych wird von PSG extremer Druck ausgeübt. Weil die Franzosen sich verpfiffen fühlten, teilten sie nun via Sportdirektor Antero Henrique mit, eine "außergewöhnliche Spielleitung" zu erwarten.

Dani Alves behagt die Debatte offenkundig nicht. "Ich mag es nicht, wenn man den Fokus auf andere Dinge liegt, ich mag keine Ausreden. Ich mag es, wenn der Scheinwerfer auf mir ruht, denn das ist das Zeichen dafür, dass ich gut arbeite", sagte Alves - der auch verriet, dass er täglich mit Neymar telefoniere und sich mit ihm für die nächsten Runden verabredet habe: "Normalerweise halten wir unsere Absprachen ein."

© SZ vom 06.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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