Champions League:Die Bestien von Real Madrid erwachen

Lesezeit: 3 min

Im Aufwind: Torschütze Cristiano Ronaldo und Real Madrid. (Foto: REUTERS)
  • Ausgerechnet vor dem Champions-League-Duell mit dem VfL Wolfsburg träumt Real Madrid vom elften Henkeltopf der Klubgeschichte.
  • "Dies gibt uns für den Rest der Saison und für unser Champions-League-Spiel am Mittwoch gegen Wolfsburg massiv Auftrieb", sagte Stürmer Gareth Bale.
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Von Javier Cáceres, Barcelona

Die Vendetta, die Vergeltung also, ist ein Gericht, das kalt serviert wird. Behaupten die Italiener, die damit einige Erfahrungen haben. Am Samstag, im Camp Nou des FC Barcelona, nahm Real Madrid tatsächlich so etwas wie Vergeltung. Denn was hatten sie in Barcelona nicht geredet! "Vier, fünf Dinger würden sie machen", röchelte Pepe, noch heiser vom brunftigen Siegschrei am Ende der Partie. Vier, fünf Tore? Von wegen!

2:1 lautete das Ergebnis, das die Madrilenen nach einem 0:1-Rückstand erzielten, zu zehnt, weil Sergio Ramos beim Stand von 1:1 Gelb-Rot gesehen hatte (82. Minute). Mehr noch: Madrid beendete Barças famose Serie von 39 Spielen ohne Niederlage - ausgerechnet an dem Tag, da Barça, rührend und gerührt, Abschied nahm vom kürzlich verstorbenen Klubheiligen Johan Cruyff. Dass alles durch ein spätes Tor von Cristiano Ronaldo (84.) zustande kam, der in Barcelona angesehen ist wie ein kurzbehoster Sandalen-Tourist mit weißen Socken, machte die Rache umso runder. "Dies war definitiv die perfekte Revanche", sagte Stürmer Gareth Bale.

Dass Ehrbezeugungen für Cruyff schon mal in Blasphemie münden, weiß man spätestens seit dessen Abschiedsspiel, 1978 siegte der FC Bayern bei Cruyffs Stammklub Ajax Amsterdam 8:0. Diesmal war es zwar, auch wenn es angesichts des tempolosen Spiels lange so wirkte, kein Freundschaftskick. Doch dass in den weißen Hemden schlagkräftige Bestien schlummern, war bis zum 0:1 durch den Kopfballtreffer von Gerard Piqué (56.) nicht erkennbar.

Real kramt den Stolz hervor

Im Gegenteil: Die Madrilenen konnten bis dahin von Glück reden. Weil Luis Suárez in der zehnten Minute eine Großchance liegen ließ, und weil Sergio Ramos nach einer Notbremse (23.) am Strafraumrand gegen Lionel Messi nicht Gelb-Rot sah, zuvor war er wegen Meckerns verwarnt worden. Bei gleich zwei weiteren gelbwürdigen Vergehen kam Ramos ebenfalls davon, bis es dem Referee kurz vor Ronaldos Siegtor eben doch zu bunt wurde.

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Lange dominiert Barcelona die Partie und geht in Führung. Dann trifft Gareth Bale und Ronaldo kommt zum Schuss.

Das war, als 90 000 zunehmend verstummende Zuschauer längst staunend registriert hatten, dass Real den Stolz hervorgekehrt und erkannt hatte, wie Barças Ordnung durch eine fatale Auswechslung (Turan für Rakitic) verloren gegangen war. "Hätte ich das gewusst, hätte ich mich schon in der fünften Minute vom Platz stellen lassen", sagte Ramos nach der Partie.

"Dies gibt uns für den Rest der Saison und für unser Champions-League-Spiel am Mittwoch gegen Wolfsburg massiv Auftrieb", sagte wiederum Bale, der aus der präzisen Vorbereitung des schönen Ronaldo-Tors (der Portugiese nahm den Ball mit der Brust an und schoss Torwart Bravo durch die Beine) ausreichend Genugtuung schöpfte, um das Tor zu vergessen, das ihm der Schiedsrichter zu unrecht aberkannt hatte. Zuvor hatte Karim Benzema nach einer abgefälschten Flanke von Toni Kroos per Scherenschlag (62.) zum zwischenzeitlichen Ausgleich getroffen .

"Seelisch war das für uns sehr wichtig, vor allem mit Blick auf das Spiel gegen Wolfsburg", sagte Madrids Trainer Zinedine Zidane - gelassen, weil sich die Brauen über den zuletzt kritischen Augen der Real-Verantwortlichen wieder entspannen. Zidane hatte das Traineramt im Januar von Rafael Benítez übernommen, doch wegen der wetterwendischen Leistungen Reals galt er vielen bereits als Trainer ad interim. "Dies war möglicherweise ein Wendepunkt", sagte der Franzose.

Andererseits: Der Perfektion ist Real Madrid nicht viel näher gekommen. In der ersten Halbzeit hatten sie mehrmals tief ausatmen müssen, bei der Chance von Suárez, beim Foul von Ramos an Messi. Später hatte Messi den Torschrei auf den Lippen, als er den Ball an den rechten Pfosten lupfte und Reals Torwart Keylor Navas eine monströse Flugparade zeigte. Was aber vor allem ins Auge stach, war, dass Madrid Barça physisch übertrumpfte.

In Madrid heißt es, Zidane habe, als der Pokal definitiv und die Meisterschaft fast weg war, eine Art Minitrainingslager organisiert, um das Team für die Champions League zu stählen.

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"Dieses Spiel existiert nicht mehr"

Der Grund: Kein Klub definiert sich so sehr über den Henkeltopf wie der zehnmalige Königsklassensieger. In Madrid grassiert die Überzeugung, dass man im Zweifel den Gewinn der heimischen Meisterschaft opfern müsse, um die Champions League zu gewinnen. Der siebte kontinentale Triumph kam 1998 zustande, als der damalige Trainer Jupp Heynckes schon als entlassen galt; ohne den achten (2000) hätte der Klub sich nicht für die folgende Champions-League-Saison qualifiziert, weder Triumph Nummer neun (2002) noch Nummer zehn (2014) gingen mit dem nationalen Meistertitel einher.

Da ist es egal, dass der Meistertitel auch nach dem 2:1 beim Spitzenreiter eine Illusion bleibt. Bei sieben verbleibenden Spielen beträgt der Rückstand auf Barça nominell sechs Punkte. Tatsächlich sind es aber sieben, weil bei Punktgleichheit in Spanien der direkte Vergleich zählt. In der Hinrunde siegte Barcelona 4:0.

Barças Trainer Luis Enrique verordnete daher nach dem Abpfiff einen sofortigen Gedächtnisverlust: "Dieses Spiel existiert nicht mehr. Es gibt keinen Schmerz." Andererseits schrieb der uruguayische Schriftsteller Mario Benedetti: "Jemand sagte einmal, das Vergessen sei voller Erinnerung", selten war das so wahr wie nach diesem Samstag im Camp Nou. "Uns bleibt immer noch Cruyff", war auf der Titelseite der Barça-affinen Zeitung Sport zu lesen, und man muss wohl hinzufügen: in Ewigkeit, Amen.

© SZ vom 04.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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