BVB-Torhüter Roman Weidenfeller:Zugabe für den ewig Unvollendeten

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Will auch in Wembley jubeln: BVB-Rückhalt Roman Weidenfeller. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Der beste Torwart, der nie für eine Nationalelf gespielt hat: So nennt Jürgen Klopp Keeper Roman Weidenfeller. Das Finale der Champions League in Wembley wäre für den 32-Jährigen eine späte Zugabe, der Gewinn die ultimative Genugtuung.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

An das Jahr, in dem Roman Weidenfeller zum letzten Mal bei einem Pflichtspiel das deutsche Nationaltrikot trug, kann man sich in Dortmund noch gut erinnern: Es war 1997 - das Jahr, in dem die Borussia mit einem 3:1 gegen Juventus Turin die Champions League gewann. Weidenfeller, damals gerade 17 und Jugendtorwart beim 1. FC Kaiserslautern, spielte seine einzige WM - mit der U17 in Ägypten. Irgendetwas muss seitdem schiefgelaufen sein.

16 Jahre später steht Dortmund wieder vor dem Einzug in ein Finale der fußballerischer Meisterklasse - und Weidenfeller dürfte, wenn nicht alles täuscht, eine zentrale Rolle zukommen, wenn der BVB bei Real Madrid den 4:1-Vorsprung aus dem Hinspiel verteidigen muss.

Aber wie es so geht in der Karriere des Fußballtorwarts Roman Weidenfeller: Wieder reden alle über Lewandowski, über Götze, über Reus, Gündogan und Hummels, über Subotic und sogar noch eher über Nuri Sahin, weil der vor knapp zwei Jahren bei Real Madrid anheuerte und inzwischen wieder zurück beim BVB ist. Über Roman Weidenfeller spricht keiner. Und wenn, dann stellen spanische Journalisten höchstens ein paar spitze Fragen: Wer ist Weidenfeller? Ist er der wunde Punkt bei Dortmund?

Im Sommer wird Weidenfeller 33 Jahre alt. Für einen Torwart ist das eigentlich kein Alter - zumindest galt das früher, als es in der Bundesliga noch keine 20-jährigen Spitzentorhüter gab. Weidenfeller wird trotzdem schon "der Unvollendete" genannt, weil er weder von Bundestrainer Joachim Löw noch von dessen Vorgänger Jürgen Klinsmann jemals eingeladen wurde, nicht mal zu einem Lehrgang. "Das Prädikat Nationalspieler", sagt Weidenfeller, "umgibt dich mit einem unsichtbaren Schutzmantel. Sobald du ihn trägst, wird alles, was du tust, anders bewertet."

Man merkt, dass er das Thema jahrelang im Stillen gedreht und gewendet hat. Und selbst wenn Weidenfeller heute sagt, dass er "damit abgeschlossen" habe, ist zu merken, dass es weiter in ihm gärt. Was habe ich angestellt, dass für mich andere Kriterien gelten als für die jüngeren Kollegen? Und warum wurde mir jahrelang sogar der gleichaltrige Tim Wiese vorgezogen, auf den das Anforderungsprofil des "antizipierenden modernen Torhüters" auch nicht besser zu passen scheint?

Vor zwei Jahren, Weidenfeller war gerade mit einer sehr jungen BVB-Elf Meister geworden, ist ihm mal der Kragen geplatzt - das war, als Löw ihm den zehn Jahre jüngeren Ron-Robert Zieler vorzog, obwohl der damals erst wenige Spiele in der Bundesliga absolviert hatte. "Vielleicht muss ich mir die Haare kürzer schneiden und etwas zierlicher werden", hatte Weidenfeller damals gegiftet. Hätte Oliver Kahn so etwas gesagt, es wäre wohl, fast bewundernd, in der Kategorie "typisch Kahn" abgelegt worden. Bei Weidenfeller beschwerten sich Homosexuellen-Verbände.

So geht das mit Weidenfeller, den vor fünf Jahren einmal der Schalker Gerald Asamoah beschuldigte, er habe ihn "rassistisch beleidigt" - das DFB-Sportgericht sperrte den Torwart prompt für drei Spiele. Der BVB sparte sich weitere Einsprüche, um das Thema nicht weiter endlos breitzutreten. "Wenn du mit Dreck beworfen wirst", meinte damals Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, "musst du wissen, dass immer etwas hängen bleibt. Selbst wenn du am Ende Recht bekommst."

Die Grundsatz-Einschätzung des Bundestrainers, wonach Weidenfeller die Torwart-Rolle nicht so modern interpretiere wie Neuer, Ter Stegen, Zieler, Leno oder Trapp, leuchtet Dortmunds Trainer Jürgen Klopp offenbar nicht ein. Jedenfalls nennt Klopp seinen Keeper demonstrativ "den besten deutschen Torwart". Weidenfeller selbst sagt zu den Kategorien "modern" oder "unmodern": "Das wichtigste Kriterium ist: den Ball zu halten."

Aber er betont auch, dass er sich in den vergangenen vier, fünf Jahren weiterentwickelt habe. "Wenn du jeden Tag mit dieser Mannschaft trainierst und spielst, dann verändert sich natürlich auch dein Spiel. Ich lese das Spiel, ich antizipiere, wie das Spiel läuft, ich klinke mich in unseren Spielaufbau ein, ich mache das Spiel schnell, oft mit nur einem Ballkontakt. Ob das modern ist, sollen andere einschätzen."

Der beste Torwart der Welt, der nie für seine Nationalmannschaft gespielt hat: So hat Klopp Weidenfeller einst genannt.

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Für Weidenfeller wäre ein Champions-League-Finale eine späte Zugabe. "Ich bin dankbar, dass ich so was hier erleben darf, mit so einer Mannschaft", sagt er, "ich hab' die ganzen Jahre immer gedacht: Es kann noch nicht vorbei sein." Weidenfeller kam als 19-Jähriger zum BVB und hat die harten Jahre der Beinahe-Insolvenz 2004/2005 miterlebt, ebenso wie Kapitän Sebastian Kehl. Jetzt, auf seine vermeintlich alten Tage, will er die neuen Zeiten genießen. "Wir sind nah dran am alten Spruch von den elf Freunden", sagt er und nennt den Zusammenhalt beim BVB "schon ungewöhnlich".

Von Weidenfeller sagen seine Mitspieler, dass er nicht mal im Training verlieren könne. In Wembley im Tor zu stehen und dann den Henkelpott in den Himmel zu recken, wie sie in Dortmund die Champions-Trophäe nennen - das wäre die ultimative Genugtuung für den Unvollendeten.

© SZ vom 30.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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