BVB-Sieg in Bremen:Dortmund kann's auch schmutzig

Lesezeit: 3 min

Dortmunds Trainer Thomas Tuchel freute sich sichtlich über den Sieg in Bremen. (Foto: dpa)
  • Das 2:1 in Bremen ist ein richtungsweisendes Erlebnis für den BVB: Die jungen Künstler beweisen, dass sie gereift sind.
  • Holt Trainer Tuchel bald das nächste große Talent?
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Von Frank Hellmann, Bremen

Thomas Tuchel kam am Samstag als einer der Letzten aus den Umkleiden des Weserstadions, in seinem Gesicht war deutlich ein Grinsen zu erkennen, keine Scham. Dabei hatte seine Mannschaft im Spiel bei Werder Bremen etwas erreicht, das Fußball-Ästheten wie Tuchel eigentlich kein Grinsen wert ist: einen schmutzigen Sieg.

Der 2:1 (1:0)-Erfolg bei einem trotz der roten Karte gegen Torwart Jaroslav Drobny (40.) bis zum Schluss wehrhaften SV Werder wird wahrlich nicht als spielerisches Meisterstück in die Geschichte dieser Dortmunder Saison eingehen. Wohl aber taugte dieser erst achte Bundesligasieg als Beleg, dass der bei den Westfalen versammelte Talentschuppen nicht nach jedem Abnutzungskampf die Waffen streckt. Dortmund kann schmutzig gewinnen, das war die Erkenntnis des Spiels.

"Wir sind hierhergekommen, um zu gewinnen - egal wie. Kämpferisch und emotional waren wir bereit, auch durch schlechtere Phasen zu kommen", sagte Tuchel in der Pressekonferenz. Der Trainer, der seine Mannschaft im vergangenen Jahr öfters heftig kritisiert hatte, schien ob dieses "dominierenden Gefühls" fast zu frohlocken.

Er sagte: "Es überwiegt ganz klar die Freude, dass wir auch mal dreckig gewonnen haben." Was Tuchel ignorierte: Eigentlich diente die wechselhafte Begegnung am letzten Hinrunden-Spieltag im neuen Jahr als Blaupause der vorausgegangenen 16 Spiele im vergangenen Jahr. "Wir haben eine talentierte Truppe, aber es fehlt das Näschen dafür, wenn Gefahr entsteht", monierte Torwart Roman Weidenfeller.

Kommt bald das nächste Talent nach Dortmund?

Merkwürdig fahrig, mitunter flatterhaft, oft sogar rätselhaft nach- und fahrlässig hatten seine Vorderleute alle Vorteile aus der Hand gegeben, die ihnen das frühe 1:0 durch den anfangs wie aufgedreht spielenden André Schürrle (5.) hätte verschaffen müssen. Der Nationalspieler traf nach schwerem Fehler von Serge Gnabry, der sich kurz darauf wegen Übelkeit auswechseln ließ (27.).

Doch anstatt nachzulegen, lehnten sich die jungen Dortmunder, zu denen nach schwedischen Medienberichten bereits in diesem Winter das schwedische Toptalent Alexander Isak, 17, von AIK Solna stoßen wird, zurück wie ein Rentner in seinen Schaukelstuhl. Und so durchschritt diese Elf mal wieder ein Wellental. Warum? Dafür hatte der wegen eines Schlags auf die Wade vorsichtshalber zur Pause ausgewechselte Kapitän Marcel Schmelzer eine entwaffnend ehrliche Erklärung: "Unser absolutes Ziel war, nicht wieder in Rückstand zu geraten. Als wir dann selbst die Führung gemacht hatten, ist so eine Last von uns abgefallen, dass wir unbewusst zwei Gänge zurückgeschaltet haben."

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Die Dortmunder ließen bereits nach, bevor der außerhalb des Strafraums als Fußballer überforderte Werder-Torwart Drobny fünf Minuten vor der Pause mit gestrecktem Bein Marco Reus foulte und Rot sah. Mit ihm ging in Torjäger Claudio Pizarro auch gleich der nächste Oldtimer auf Bremer Seite und machte Platz für Felix Wiedwald. Werders Ersatztorwart bekam lange wenig zu tun, mehr geschah auf der Gegenseite: Fin Bartels gelang nach beherztem Solo gegen die zögerlichen BVB-Verteidiger Matthias Ginter und Sokratis sogar das zwischenzeitliche 1:1 (59.).

"Es wurde ein offenes Spiel, und es blieb ein offenes Spiel", sollte Tuchel später bilanzieren und dann doch auch ein wenig kritisieren: "Ohne ersichtlichen Grund waren wir trotz Überzahl nicht mehr griffig und giftig." Tuchel stellte dann selbst die Weichen für den Sieg, weil er auch seinen zweiten Kapitän auswechselte. Marco Reus streifte nach 70 Minuten, in denen er kaum aufgefallen war, die Binde ab - Ousmane Dembélé kam. Gleichzeitig ersetzte Raphael Guerreiro auch noch Gonzalo Castro.

"Lernen, dass wir noch instabil bleiben"

Und dieses Duo erzwang das 2:1: Dembélé holte jene Ecke heraus, in deren Anschluss der aufgerückte Rechtsverteidiger Lukasz Piszczek einen abgefälschten Ball über Wiedwald hinweg ins Netz hob - den Schuss hatte Guerreiro abgegeben (71.). In dieser Szene zeigte sich, dass die wacklige Bremer Dreierkette eigentlich viel öfter hätte überlistet werden müssen. Doch Tuchel klagte nicht. Auf der Pressekonferenz räumte der Trainer vielmehr ein, dass die Suche nach Stabilität vermutlich noch lange, vielleicht sogar die ganze Saison anhalten werde. "Vielleicht müssen wir einfach lernen, dass wir noch instabil bleiben; vielleicht müssen wir die Unausgewogenheit in Kauf nehmen."

Trotzdem müssten keine Ziele korrigiert werden: Dass Vorstandschef Hans-Joachim Watzke nun mehrfach die direkte Champions-League-Qualifikation eingefordert hat, findet Tuchel vollkommen in Ordnung: "Jeder will in die Champions League. Die Zielvorgabe ist mit der Unterschrift unter den Vertrag klar: für den Trainer und für den Spieler."

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Der Trainer scheint sich in der Winterpause eine Art Spagat überlegt zu haben: Nicht gegen die Vorgaben seiner Vorgesetzen zu protestieren und gleichzeitig seine Spieler nicht zu überfordern. Dauerhaft Bundesligaspiele kontrollieren und dominieren, das könnten Besetzungen mit Profis, "die ein paar Schlachten geschlagen haben". Von seiner Rasselbande, sagte er beinahe fatalistisch, könne man das nicht erwarten. Dafür fehlten die Typen und die Erfahrung.

Und so könnte der Samstag in Bremen richtungsweisend sein für den BVB. "Gegen ein emotionales Publikum und einen guten Gegner bestehen, vielleicht brauchen wir genau solche Momente." So eine abgezockte Truppe, die am Ende immer das richtige Ergebnis hinbiegt, erklärte Tuchel noch, "das sind wir nicht, aber wir können das werden". Und diese Erkenntnis reichte am Samstag ausnahmsweise, um ihn glücklich zu machen.

© SZ vom 22.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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