Bundesliga:SC Freiburg - der Erfolg der Namenlosen

SC Freiburg v FC Augsburg - Bundesliga

Unverhoffte Jubel-Combo: die Freiburger Nils Petersen, Maximilian Philipp und Caglar Söyüncü, der gegen den FC Bayern aber fehlen wird.

(Foto: Michael Kienzler/Getty Images)

Als überraschend starker Achter der Bundesliga-Tabelle geht der SC Freiburg ins Duell mit dem FC Bayern. Doch die Spieler kennt außerhalb Freiburgs kaum jemand. Was für ein Versäumnis!

Von Christoph Ruf, Freiburg

Der Mann muss dieser Tage noch häufiger auf sein Handy schauen als sonst. Ständig ploppen Textnachrichten aus der Heimat auf, die Florian Niederlechner alles Gute für das Spiel am Freitag wünschen. Zum einen, weil seine Freunde und Verwandten ihm für jedes Spiel nur das Beste wünschen. Zum anderen aber, weil sowohl der Bruder als auch die meisten Kumpels daheim in Hohenlinden (Kreis Ebersberg) glühende 1860-Fans sind - wie Niederlechner selbst. Ein Sieg gegen die Bayern wäre also doppelt willkommen.

Mit Mats Hummels werde er nach dem Spiel vielleicht ein paar Worte wechseln, sagt Niederlechner, man kennt sich über Hummels' Bruder Jonas, mit dem Niederlechner in Haching zusammenspielte. Dort brauchte er die Fürsprache vom damaligen Co-Trainer und heutigen Augsburger Chefcoach Manuel Baum, um eine Chance in der dritten Liga zu bekommen. Heute ist er Stammspieler in Freiburg, diesem Konglomerat aus Spielern, die entweder selbst gescoutet, selbst ausgebildet oder aus einer Ecke herausgeholt wurden, in die sie bei anderen Klubs abgestellt wurden.

Kein Wunder also, dass es nach wie vor viele Fußballfans gibt, die Schwierigkeiten hätten, wenn sie drei Freiburger Spieler benennen müssten. Prominenz ist eben nicht der entscheidende Faktor beim derzeitigen Tabellen-Achten, sonst müsste sich Trainer Christian Streich als einzig überregional wirklich bekannter SC-Angestellter schließlich am Wochenende auch noch selbst das Trikot überstreifen. Doch damit würde er den Altersdurchschnitt in unvertretbare Höhen treiben.

"Hier hupt ja nie jemand"

Pascal Stenzel, 20, Caglar Söyüncü, 20, Maximilian Philipp, 22, Vincenzo Grifo und Christian Günter, beide 23, haben allesamt fast alle Partien der Hinrunde von Beginn an bestritten. Und wer verstehen will, warum all die Namenlosen zusammen zehn Punkte mehr auf dem Konto haben als die VIPs vom HSV, sollte sich exemplarisch mal drei von ihnen aus der Nähe anschauen. Da wäre Söyüncü, der das Kunststück vollbrachte, in Mainz, Hoffenheim und Köln drei Gegentore zu verschulden - und dennoch mit weit über 90 Prozent gewonnener Zweikämpfe den Bestwert aller Bundesligaspieler erreicht hat.

Als Söyüncü im Sommer kam, sprach er weder Deutsch noch Englisch und wunderte sich in seinem ersten Interview erst mal über die erstaunliche Ruhe im Badischen ("Hier hupt ja nie jemand"). Weil sich dann gleich drei Innenverteidiger verletzten, musste der Mann, der eigentlich erst mittelfristig an die erste Mannschaft herangeführt werden sollte, gleich ran. Und tat das mit einer Eleganz und einer Ruhe, die ihn schon jetzt zu einem der interessantesten Spieler der Liga machen. Man darf wohl darauf wetten, dass das auch schon Manager aus Städten mitbekommen haben, auf deren Straßen zuweilen gehupt wird. Gegen die Bayern muss er allerdings noch passen, die Diagnose: Adduktorenprobleme.

Kleines Problem: Mitaufsteiger Leipzig ist noch erfolgreicher

Auch Maximilian Philipp, der schöner berlinert als weiland Zecke Neuendorf, ist wie Niederlechner ein Mann des zweiten Bildungsweges. Bei der Hertha wurde er mit 14 Jahren ausgemustert, weil er ein paar Kilo zu wenig hatte und nur 1,55 Meter maß. Über die Jugendmannschaften von TB Berlin und Energie Cottbus landete er schließlich beim SC Freiburg. 29 Zentimeter größer ist er nun - und ein solch begnadeter Fußballer, dass man sich fragen muss, welche Qualifikation ein Trainer haben kann, der solch ein Potenzial bei einem 14-Jährigen nicht erkannte.

Und da wäre noch Vincenzo Grifo, der vor allem bei Standards die Virtuosität an den Tag legt, die Söyuncü in der Defensive und Philipp im Vorwärtsgang aus dem Spiel heraus entwickeln. 14 Tore und 15 Assists trug Grifo als Mittelfeldspieler zum Aufstieg vergangene Saison bei, den Sprung in die erste Liga hat er auch dank seiner Robustheit gut hinbekommen. Er ist der Kopf der Mannschaft, die meisten Angriffe laufen über ihn, und wenn es ausnahmsweise einmal anders ist, sollte man als Journalist unbedingt fragen, warum er an diesem Tag nicht ganz so gut war. Mehr Empörung als Grifo kann kaum ein anderer Spieler in einen einzigen Blick legen.

In die Weihnachtspause ging man mit durchaus stolzen 23 Punkten, damit liegt das Team mit dem drittkleinsten Etat vor Vereinen wie Schalke, Mönchengladbach oder Leverkusen. Überregional ist das allerdings bislang kaum gewürdigt worden - zu sehr überstrahlt der Erfolg von Mitaufsteiger RB Leipzig das Geschehen im Tabellen-Mittelfeld. Glaubt man Florian Niederlechner, ist das den SC-Spielern allerdings gar nicht mal so unrecht: "Es ist vielleicht sogar gut so, dass wir ein bisschen unterm Radar fliegen, so können wir in Ruhe arbeiten."

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