Bundesliga: Hannover 96:Herrn Slomkas Gespür für Macht

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Kompetenzgerangel beim Überraschungszweiten Hannover 96: Vereinschef Martin Kind muss versuchen, den Trainer länger an den Klub zu binden - ohne Manager Jörg Schmadtke zu verprellen. Doch welche Pläne hat Coach Mirko Slomka?

Jörg Marwedel

Den massiven Ärger über seinen Trainer hat Martin Kind zumindest öffentlich für sich behalten. Nach dem 3:0-Sieg bei Eintracht Frankfurt, das den einstigen Abstiegskandidaten Hannover 96 auf Rang zwei beförderte, sagte Kind über die zuletzt stockenden Vertragsverhandlungen mit Mirko Slomka: "Slomka ist einer der Erfolgstrainer der Saison. Es bietet sich eine unglaubliche Perspektive für ihn." Deshalb sei er "optimistisch, dass wir zügig abschließen können".

"Bei uns passt es zurzeit." Dennoch zögert Mirko Slomka mit seiner Vertragsverlängerung. (Foto: dapd)

Auch Slomka selbst hat zumindest einen Teil des Feuers gelöscht, das er vergangene Woche zum Unmut von Kind entzündet hatte, indem er ohne Not eine schnelle Freigabe ins Gespräch gebracht hatte. Im Jubel über den elften Triumph im 18.Bundesligaspiel nach Toren von Mohammed Abdellaoue, Christian Schulz und Didier Ya Konan sagte Slomka: "Wir arbeiten derzeit sehr gut zusammen. Bei uns passt es zurzeit."

Die Frage aber, ob er wirklich bei Hannover 96 bleiben möchte, hat der gebürtige Hannoveraner, der sonst so gern seine Heimatliebe betont, erneut nicht mit einem "Ja" beantwortet. Er behalf sich mit der Floskel: "Wir sind in konstruktiven Gesprächen." Doch die Sache mit der guten Zusammenarbeit bezieht sich wohl mehr auf die Mannschaft und seinen Trainerstab, weniger auf das Zusammenwirken mit der Führungsebene.

Unlängst klagte Slomka, er vermisse die Wertschätzung für seine Arbeit. Das Geld ist ihm beim neuen Kontrakt wohl weniger wichtig, eine langfristige Laufzeit wäre ihm lieber. Vor allem aber geht es ihm wohl um eine Verschiebung des Machtgefüges zu seinen Gunsten - und zu Ungunsten des Managers Jörg Schmadtke.

Kind wiederum hält viel von Schmadtke, weil dieser "sehr klar" sei und eine außerordentlich gute Transferbilanz aufweist (zum Beispiel entdeckte er die Stürmer Ya Konan, Abdellaoue und Abwehrchef Emanuel Pogatetz, die er für wenig Geld holte). Der Klubchef muss sich nun also an der Kunst versuchen, Schmadtke nicht zu verprellen und trotzdem dessen internen Widersacher Slomka zu binden.

Der Kompromiss könnte ein neuer Trainervertrag mit einer Laufzeit bis 2013 sein. Der sehr klare Schmadtke hatte ja gewarnt, man dürfe in der aktuellen Euphorie keine wahnwitzigen Verträge abschließen, weil die Fallhöhe um so größer sei - auch für den Klub, der dann eine hohe Abfindung zahlen müsste.

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Slomka hat diese Fallhöhe auch schon einmal erfahren. Nach seiner Entlassung bei Schalke 04 im April 2008 musste er fast zwei Jahre warten, ehe er wieder einen Arbeitsplatz in seinem Hauptberuf als Fußballlehrer fand. Doch auch bei seinem früheren Verein Hannover 96, bei dem er schon einmal als Assistent von Ralf Rangnick gearbeitet hatte, war er zunächst nicht die erste Wahl.

Überraschung nach der Winterpause: Slomka verhalf dem 21-jährigen Ron-Robert Zieler zu seinem Bundesliga-Debüt. (Foto: dpa)

Deshalb vermissen manche in Hannover im Moment eine gewisse Demut beim derzeitigen Erfolgstrainer. Anderseits sind auch Slomkas Kritiker verblüfft, wie gut er das Team körperlich, mental und taktisch eingestellt hat. Keine Mannschaft spielt momentan so gute Konter wie 96.

Und er überrascht zuweilen mit gewagten Personalien. In Schalke nahm er einst dem bewährten Frank Rost den Platz im Tor weg und ersetzte ihn durch ein Talent namens Manuel Neuer; Ähnliches vollzieht er gerade in Hannover. Vor dem Spiel in Frankfurt beorderte er Stammkeeper Florian Fromlowitz auf die Reservebank und ließ stattdessen Ron-Robert Zieler, 21, zwischen die Pfosten.

Der frühere Juniorentorwart des DFB, der als Jugendlicher fünf Jahre bei Manchester United in Ausbildung war und Tipps von Torwartlegende Edwin van der Sar bekam, erwies sich ebenso wie damals Neuer als Volltreffer. Auch weil Zieler gegen Caio und zweimal Amanatidis prächtig rettete und zudem "Ruhe und Gelassenheit" ausstrahlte, wie Slomka lobte, gewann Hannover.

Denselben Berater wie Löw

Andererseits hat Slomka mal wieder bewiesen, dass er nicht der "nette Herr Slomka" ist, für den ihn viele wegen seines freundlichen Fernseh-Gesichts halten. Er handelt zuweilen ziemlich brutal. Mit Fromlowitz hat er vor der Rückstufung kaum gesprochen, und Schmadtke, mit dem er mittlerweile angeblich so prächtig zusammenarbeitet, hat vom Torwartwechsel erst am Abend vor dem Spiel erfahren. "Von Zielers Berater", wie der Manager grummelte.

Ob es Slomka zum Vorteil gereicht, dass sein Berater Harun Arslan auch fast den gesamten Mannschaftsrat von 96 (Karim Haggui, Christian Schulz, Steven Cherundolo Altin Lala) in Finanz- und Karrierefragen betreut, ist eine zurzeit oft gestellte Frage. Arslan allerdings genießt einen guten Leumund. Er betreut seit vielen Jahren auch Joachim Löw, er brachte ihn einst nach dessen Entlassung in Stuttgart bei Fenerbahce Istanbul unter. Nach Wolfsburg hat Arslan aber weniger Kontakte. Der angebliche Draht Slomkas zum VfL Wolfsburg ist wohl nur eines: ein Gerücht.

© SZ vom 18.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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