Bundesliga: FC Bayern:Lauter Problemzonen

Beim Branchenprimus FC Bayern offenbaren sich derzeit zahlreiche Schwachstellen - die nicht so schnell zu beseitigen sind. Eine Bestandsaufnahme.

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Der FC Bayern hat durch das 1:2 gegen den FSV Mainz 05 den schlechtesten Saisonstart seit 43 Jahren hinter sich, was dem Klub eine harte Woche mit allerlei Debatten bescherte. sueddeutsche.de hat die Baustellen zusammengefasst.TransferpolitikDer aktuelle Kader des FC Bayern ist nicht nur ein Konstrukt dieser Spielzeit, sondern resultiert auch aus den Transfers vergangener Perioden. Breno (zwölf Millionen Euro) und José Ernesto Sosa (sechs Millionen) kamen auf Empfehlung des damaligen Südamerika-Scouts Paul Breitner - und sitzen zumeist auf der Bank.Luca Toni (elf Millionen) kam vor der Saison 2007/2008 und ist mittlerweile in der Stürmerhierarchie deutlich nach hinten gerückt. Anatolij Timoschtschuk (elf Millionen) und Alexander Baumjohann (ablösefrei) wurden verpflichtet, als Jürgen Klinsmann noch Trainer war.Mit diesen Spielern muss Trainer Louis van Gaal nun arbeiten - ob er möchte oder nicht. Schon Jürgen Klinsmann beschwerte sich nach seiner Demission, dass er als Trainer mit der Zusammenstellung des Kaders nur wenig zu tun hatte.Einzig drei Spieler gehen auf das Konto des neuen Übungsleiters: Edson Braafheid und Danjel Pranjic, die zumindest nach den ersten Spieltagen noch nicht als Verstärkungen bezeichnet werden können - und nun Arjen Robben, der definitiv eine Verstärkung für das Offensivspiel sein dürfte (siehe Probleme innerhalb des Kaders). Dafür gab der Verein mit Zé Roberto und Lucio zwei Spieler ab, die auf konstant hohem Niveau spielten.Deshalb tut sich nun schon die Frage auf: Wann hat der FC Bayern zuletzt einen Spieler geholt, der gemeinhin als Transfercoup bezeichnet werden darf wie die Verpflichtung von Kaka (Mailand) oder Diego (Bremen)? Freilich stellte der Verein formidable Fußballer wie Mario Gomez, Franck Ribéry und Luca Toni ein, die aber allesamt bereits über einen guten internationalen Ruf verfügten und Ablösen im zweistelligen Millionenbereich kosteten.So verfügt der FC Bayern derzeit über einen aufgeblähten Kader mit vielen Spielern, die höchstens als überdurchschnittlich gewertet werden dürfen - und die aufgrund ihrer Verträge nur schwer Abnehmer finden: Christian Lell etwa oder Luca Toni oder José Ernesto Sosa oder Michael Rensing oder Andreas Ottl. Das schränkt wohl die Möglichkeit ein, andere, womöglich bessere Spieler zu verpflichten.jüscFoto: dpa

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TaktikWie wäre es denn mal, sozusagen in Gedenken an die Saisonschlechtstarter aus der Saison 1966/67 sozusagen, mit dem guten alten WM-System? Mit van Buyten und Badstuber als Verteidiger-Duo, mit Lahm, van Bommel und Pranjic als Läuferreihe (gut, beim Stichwort Läuferreihe streichen wir van Bommel wieder) und mit einem Fünfer-Angriff Müller - Klose - Gomez - Ribéry - Olic? Nach vier Pflichtspielen ist beim FC Bayern eine ziemlich absurde Situation eingetreten: Ausgerechnet unter dem Systemfanatiker Louis van Gaal, der vom ersten Vorbereitungstag an nichts weiter als sein 4-4-2-Rautenmodell kannte, haben die Münchner schon etliche taktische Varianten gezeigt. Die Raute, die flache Vier, das 4-5-1 und das 4-3-3.Die Begriffe taktisches Durcheinander und taktische Flexibilität liegen bekanntermaßen dicht beieinander; ebenso gibt es in einer Saison Phasen, in denen ein Trainer sich entweder den Vorwurf anhören muss, in taktischer Hinsicht ein sturer Hund zu sein oder keine klare taktische Handschrift zu pflegen - und in einer solchen Phase befindet sich van Gaal nun. Und Huub Stevens hat einmal gesagt, Systeme seien ohnehin nur was für Journalisten. Zugegeben: Die Chancen, dass sich das WM-System durchsetzt, stehen bei einem niederländischen Trainer natürlich ziemlich schlecht.aum

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Vorstand und UmfeldJeder will etwas beim FC Bayern. Franz Beckenbauer will Interviews geben, in denen er sagen darf, was er will - und er will Kolumnen schreiben, in denen er schreiben darf, was er will.Uli Hoeneß will Präsident werden und Macht abgeben, aber weiß nicht so Recht, an wen er sie abgeben will - am liebsten an sich selbst, fürchtet er doch, dass sein Lebenswerk durcheinandergeraten könnte. Karl-Heinz Rummenigge will, so schnell es geht, einen internationalen Titel gewinnen - da hat der neue Trainer aber bereits erklärt, dass dies Zeit dauern könnte und er diese Zeit haben will. Der neue Sportdirektor Christian Nerlinger will vor allem eins: niemanden nerven, deshalb gibt er brav Interviews, die die Aussagekraft einer Ansage von Stadionsprecher Stefan Lehmann haben.Die Fans des FC Bayern dagegen wollen, dass die Mannschaft vor allem Spiele gegen Vereine wie Mainz 05 gewinnt - aber da haben Vereine wie Mainz 05 schon erklärt, dass sie das nicht wollen.jüsc

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Tiefe des KadersPreisfrage: Was haben die sechs Spieler Ivica Olic und Thomas Müller, José Sosa und Andreas Ottl, Diego Contento und Breno gemeinsam? Die Antwort: Sie waren die Feldspieler, die beim 1:2 der Bayern zunächst auf der Bank saßen. Natürlich hatten die Bayern ein paar verletzungsbedingte Ausfälle zu kompensieren (Ribéry, van Bommel, Toni, Demichelis) und natürlich haben Olic und Müller nach ihren Einwechslungen solide Leistungen gezeigt - aber dennoch erinnerte dieses Sextett nur sehr entfernt an die Bayern-Bank-Zeiten, als dort viele überdurchschnittliche Kicker Platz nehmen mussten (siehe Probleme innerhalb des Kaders).Mit Ausnahme des Angriffs haben die Bayern ein Problem mit der Tiefe des Kaders (siehe Kadergefälle). Von der Bank kommt zu wenig Qualität. Wenn van Gaal wie vor dem Mainz-Spiel neue Spieler in seine Startelf einbauen will, muss er schon Edson Braafheid bringen, der seine Bundesliga-Tauglichkeit noch nicht unter Beweis gestellt hat. Dieses Problem ändert sich natürlich ein bisschen, wenn Ribéry, van Bommel, Toni und Demichelis wieder zurückkehren. Doch in einer Saison mit einer Dreifach-Belastung aus Meisterschaft, Champions League und DFB-Pokal fallen fast immer manche Spieler aus oder bedürfen einige Akteure der Schonung.aum

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Probleme innerhalb des KadersEs gibt ein Nord-Süd-Gefälle im Kader des FC Bayern, wobei der Angriff den Norden darstellt und die Defensive den Süden. Es lohnt allein, den Marktwert von vier Stürmern mit dem Marktwert der vier Abwehrspieler laut transfermarkt.de zu vergleichen. Da stehen 76 Millionen Euro (Angriff) der kleinen Summe von 35 Millionen gegenüber - von denen allein Philipp Lahm 25 Millionen Euro auf sich vereint. Nun verpflichtete der FC Bayern für 25 Millionen Euro den Holländer Arjen Robben - wieder einen außergwöhnlichen Offensivspieler.Der Angriff des FC Bayern ist exquisit und dürfte zum Besten gehören, was ein europäischer Verein vorweisen kann. Miroslav Klose und Mario Gomez sind ebenso hervorragende Stürmer wie Ivica Olic - und Luca Toni könnte einen formidablen Joker geben, wenn er sich mit der Filipo-Inzaghi-Rolle anfreunden kann. Dazu hat der junge Thomas Müller bereits seine Tauglichkeit bewiesen.In der Abwehr dagegen vertraut der FC Bayern dem stellungsschwachen Daniel van Buyten und dem stellungsschwachen Martin Demichelis. Dazu kommen der unerfahrene Holger Badstuber und Breno, der auch im dritten Jahr noch nicht zeigen kann, warum die Münchner ihn einst aus Sao Paulo holten (siehe Transfers). Auf den Außenbahnen gibt es dann den erschreckend langsamen Edson Braafheid (siehe Transfers), den unscheinbaren Danjel Pranjic (siehe Transfers) und den unvermeidlichen Christian Lell (siehe Transfers). Einzig Philipp Lahm darf wohl ungestraft mit dem Begriff "Weltklasse" umschrieben werden. Noch wäre Zeit, Lahm einen Spieler an die Seite zu stellen, der sich ebenfalls "weltklasse" nennen darf.jüsc

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HierarchieChristoph Daum hat den Wert sogenannter Führungsspieler für eine Mannschaft mal so definiert: Mit einem Führungsspieler würde eine Mannschaft den Klassenerhalt schaffen, mit zwei Führungsspielern würde eine Mannschaft um die internationalen Plätze mitspielen, und mit drei Führungsspielern würde eine Mannschaft deutscher Meister. Wenn Daum Recht hat, darf sich der FC Bayern auf einen Platz irgendwo um Position zehn einstellen - denn neben all den offenbarten Kreativ- und Abwehrlöchern zählte in Mainz das Führungsspielerloch zu den auffälligsten Problemen des deutschen Rekordmeisters, der nur über eineinhalb Führungsspieler verfügt: den derzeit verletzten Kapitän Mark van Bommel und dessen Stellvertreter Philipp Lahm.Ansonsten? Miroslav Klose ist vom Typ her zu ruhig, Bastian Schweinsteiger - formal dritter Kapitän - spielt nicht überzeugend genug, Anatolij Timsochtschuk spricht nicht gut genug Deutsch und spielt nicht überzeugend genug, die Innenverteidiger und Torwart Michael Rensing haben genügend mit sich selbst zu tun. Nach sieben Zugängen und eventuellen weiteren Verpflichtungen muss sich beim FC Bayern eine neue Hierarchie erst finden.aum

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TorMichael Rensing ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie ein Fußball zuerst aufgebaut und anschließend demontiert wird. Im Jahr 2006 wurde der Torhüter von nicht wenigen Experten als "drittbester Torwart Deutschlands" (hinter Kahn und Lehmann) gefeiert. Er sollte der legitime Nachfolger von Oliver Kahn werden - weshalb Rensing auch geduldig auf der Bank saß und nicht den Verein wechselte.Nach durchwachsenen Leistungen wurde Rensing vom damaligen Trainer Jürgen Klinsmann durch Hans-Jörg Butt ersetzt, in der Sommerpause warben die Verantwortlichen des FC Bayern offensiver um Manuel Neuer, als Werder Bremen jemals zu spielen wagen würde. Kaum jemand urteilte nach dem erfolglosen Werben, dass Rensing doch auch ein formidabler Torhüter sei, meist war der Satz zu hören: "Dann gehen wir eben mit den beiden Torhütern in die Saison, die wir haben." Ein Vertrauensbeweis sieht anders aus.Dem verunsicherten Rensing unterlief nun gegen Mainz ein Fehler, der bei anderen Torhütern in anderen Vereinen als Lapsus durchgewunken worden wäre. Beim FC Bayern beginnt nun erneut eine Torwart-Debatte - die Rensing noch weiter verunsichern dürfte.jüsc

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