Bundesliga: FC Bayern:Horror Europa League

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Vor dem nächsten Schlüsselspiel gegen den Hamburger SV fordert Bastian Schweinsteiger Siege des FC Bayern - auch für Trainer Louis van Gaal. Damit der im Sommer als "Feier-Ente" abtreten kann.

Moritz Kielbassa

Die Frisur von Louis van Gaal sitzt weiterhin tipptopp an seinem sturen Kopf, er ist ohne Zweifel ein Mensch, der auch in Zeiten der Verwundung Haltung und gutes Aussehen bewahrt. Die Spieler des FC Bayern, versichert der Vize-Kapitän und Frisuren-Experte Bastian Schweinsteiger, wollen ihrem angezählten Trainer bis Saisonende Beistand leisten - schon aus Eigeninteresse, denn sie "spielen auch nächste Saison lieber in Mailand und Madrid" als in der Fußball-Pampa.

Enttäuscht und ratlos: Bastian Schweinsteiger nach dem Spiel gegen Borussia Dortmund. (Foto: dapd)

Schweinsteiger will sagen: Europa statt Champions League, das wäre eine Horror-Reise, "darauf hat keiner von uns Lust". Das Schicksal eines - sprichwörtlich - lahmen Erpels wollen die Bayern ihrem nur noch gut 100 Tage amtierenden Trainer daher ersparen: "Van Gaal", sagt Schweinsteiger, "verdient einen positiven Abschied".

Viele Bayern-Profis sehen die Sache mit dem Trainer zwiespältig. Sie wundern sich, dass van Gaal, der bisher demonstrativ Geradlinige, in die lauwarme Lösung eingewilligt hat, sich zum Interimscoach herabstufen zu lassen, mit Ablaufdatum 30. Juni. Die Beziehung zwischen ihm und der Mannschaft ist nicht zerrüttet, aber schleichend abgekühlt.

Dennoch ist die Erinnerung an schöne gemeinsame Zeiten noch frisch, an den Wonnemonat Mai 2010, als der Klub im Glück badete, van Gaal als Showmaster glänzte und den Ruf eines erstklassigen Konzepttrainers hatte. "Wie wir letzte Saison gespielt haben, so einen Fußballstil hatte ich hier noch nicht erlebt", lobt Schweinsteiger bis heute: "Wir hätten fast das Triple geholt, der FC Bayern hat von van Gaal sehr profitiert."

Die triste Gegenwart ist Platz fünf in der Bundesliga. Am Samstag ist der HSV zu Gast, den ebenfalls ein bald ausscheidender Trainer (Veh) betreut. Die Sportpresse erstellt daher gerade psychologische Gutachten: Kann ein Trainer als lame duck funktionieren? Entgleitet ihm der Zugriff aufs Team? Historische Beispiele zeigen, dass van Gaal durchaus Chancen hat, München als Feier-Ente zu verlassen, sein Landsmann Huub Stevens etwa wurde 2002 trotz verkündetem Abschied mit Schalke Pokalsieger.

Ein Coach mit autoritärer Personalführung tut sich als Auslaufmodell ohnehin leichter, und von van Gaals grundsätzlicher Fachkompetenz sind die Spieler nach wie vor überzeugt, obwohl diverse Maßnahmen in jüngster Zeit auch intern sehr umstritten waren. "Durch seine Persönlichkeit und sein Auftreten vor der Mannschaft hat der Trainer kein Problem", glaubt Kapitän Philipp Lahm.

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Dessen Stellvertreter Schweinsteiger reifte 2010 dank van Gaal auf neuer Position zu einem der besten zentralen Mittelfeldspieler der Erde. Bei seiner Vertragsverlängerung kurz vor Weihnachten machte Schweinsteiger dem Holländer im Stadion per Mikrofon fast eine Liebeserklärung. Auch am Donnerstag klang es nicht wie eine Notlüge, als er sagte: "Unser Verhältnis zum Trainer ist gut. Er hat uns ehrlich über seine Situation informiert."

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Noch bereit zum "großen Wurf"

Allerdings lernte in dieser Saison auch Schweinsteiger van Gaal als "speziellen Typen" kennen: Mal empfahl der ewig undurchschaubare Trainer seinen Verkauf, falls er den Vertrag nicht vorzeitig verlängere, Schweinsteiger gefiel das gar nicht. Zudem musste er monatelang in ungewohnter Rolle aushelfen, als Zehner.

In den jüngsten Schlüsselspielen gegen Dortmund und Schalke war Schweinsteiger dann auch auf seiner Lieblingsposition als Sechser rätselhaft schwach: "Solche Tage gibt's in jedem Beruf", sagt er.

Beim jüngsten Crash in Hannover (1:3) fehlte Schweinsteiger gesperrt, erneut war das zentrale Mittelfeld (Pranjic/Kroos) die entscheidende Schwachstelle einer defensiv vogelwilden und offensiv statischen, eintönigen Elf. Dieses Mittelfeld ließ es in die Abwehr so schutzlos hinein regnen wie in ein Haus ohne Dach, bei Zweikämpfen und Stellungsspiel der Bayern waren erschreckende Fehler zu besichtigen. "Wir müssen schleunigst wieder anders spielen und gewinnen, manchmal sind vielleicht auch lange Bälle eine Lösung", sagt Schweinsteiger.

Er will das aber nicht als Fundamentalkritik an van Gaals kleinteiligem Offensivfußball verstanden wissen, er sieht die Bayern gerade wegen dieser Stiltreue nicht weit entfernt von höchsten Weihen: "Unsere Mannschaft hier ist besser als Real", kommentierte Schweinsteiger neuerliche Gerüchte, Madrid wolle ihn abwerben: "Und vielleicht gelingt uns in der Champions League ja noch der große Wurf." Alles ist möglich. Mit van Gaal.

© SZ vom 11.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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