Bundesliga: FC Bayern - Borussia Dortmund:Wie ein schlechtes Spinnennetz

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Der Sieg von Borussia Dortmund beim FC Bayern offenbart einen großen Unterschied zwischen beiden Mannschaften: Während Dortmund strategisch und abgeklärt agiert, wirken die Münchner fahrig und unorganisiert.

Jürgen Schmieder, Fröttmaning

Es war ein ganz wunderbarer Laufweg, den Franck Ribéry da wählte. Die Gegner hatten keine Chance, weil sie den Franzosen überhaupt nicht bemerkten und ihn deshalb nicht aufhalten konnten. Ribéry gelangte ohne Probleme an sein Ziel - den Aufzug, mit dem er nach der Niederlage gegen Borussia Dortmund vom Kabinentrakt zum VIP-Raum gelangte. Er musste nicht durch die Mixed Zone, er musste keine lästigen Fragen der Journalisten beantworten.

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Jürgen Schmieder, Fröttmaning

Ribéry ist seit Juli 2007 beim FC Bayern, er kennt die Schleichwege in der Fröttmaninger Arena mittlerweile bestens - und so wie einst die Gesichtsfarbe von Uli Hoeneß ein Indikator für die Leistung der Münchner war, so sind es heute die Laufwege des Dribblers. Nach einer famosen Leistung schlendert Ribéry zu den Journalisten, er spricht ausführlich und mittlerweile gar auf Deutsch. War das Spiel durchwachsen, dann bleibt er nur für Fotos mit Fans stehen. Wählt Ribéry jedoch den Geheimgang durch die Katakomben, dann muss etwas besonders Schlimmes passiert sein.

Es war ein atemberaubendes und ansehnliches Spiel zwischen dem FC Bayern und Borussia Dortmund, in dem beide Mannschaften gute Gelegenheiten hatten, es für sich zu entscheiden. Die Dortmunder gewannen nach einer schnellen und oberflächlichen Analyse von Trainer Jürgen Klopp die Partie deshalb mit 1:3, weil "wir hinten ein paar Fehler weniger gemacht haben und in der Offensive auch das Glück hatten, das man eben braucht." Klopp lachte bei diesem Satz - und hätte Ribéry ihn gehört, dann wäre er wohl nicht mehr in den Aufzug gestiegen, sondern direkt in sein Auto.

Es war nämlich vielmehr so, dass der FC Bayern taktisch schon lange nicht mehr so vorgeführt wurde wie von dieser Dortmunder Elf, der "jüngsten, die jemals für die Borussia in der Bundesliga gespielt hat", wie Sportdirektor Michael Zorc nach dem Spiel betonte. "Mario Götze war beim letzten Erfolg in München noch nicht einmal geboren, alle anderen wurden noch gestillt." In dieser Mannschaft stehen fraglos talentierte Fußballer, doch Erfolg hat diese Elf, weil sie eine Strategie hat, einen Plan.

Jürgen Klopp hatte seiner Elf ein Konzept verpasst, durch das seine Spieler von keiner Aktion des FC Bayern überrascht wurden und stets eine Antwort parat hatten. Hinter den beiden Stürmern waren zwei Viererketten angeordnet: Die vordere diente als Wellenbrecher für die Angriffe der Münchner, in der hinteren verteidigten die Außenspieler Marcel Schmelzer und Lukasz Piszcek formidabel gegen die Flügelläufer Robben und Ribéry, in der Mitte teilten sich Mats Hummels und Neven Subotic die Arbeit mit dem Torgaranten Mario Gomez. Es funktionierte derart gut, dass Ersatztorwart Mitchell Langerak nur selten ernsthaft eingreifen musste.

Diese defensive Statik der Dortmunder brach über 90 Minuten nur selten auseinander, der Gegentreffer etwa fiel nach einem Eckball. Vielmehr ermöglichte diese Strategie zahlreiche Ballgewinne, woraus ansehnliche Konter resultierten. Einer führte nach Ballverlust von Bastian Schweinsteiger zum 0:1 durch Lucas Barrios, ein anderer nach Fehler von Robben zum 1:2 durch Nuri Sahin. "Die ersten beiden Treffer waren große individuelle Fehler", sagte Louis van Gaal nach dem Spiel. "Schade, dass uns das gegen Dortmund passiert ist."

Was van Gaal nicht sagte: Das Stellungsspiel der Dortmunder veranschaulichte das Fehlen einer defensiven Statik beim FC Bayern. Hinter den offensiven Mario Gomez und Thomas Müller agierten die Flügelläufer Robben und Ribéry, die das Verteidigen nicht als Kunst, sondern als lästige Pflicht sehen.

Weil die defensiven Mittelfeldspieler Schweinsteiger und Pranjic - Luiz Gustavo wurde wieder nach hinten links beordert - versuchten, Löcher in der Mitte des Spielfeldes zuzulaufen, entstanden weiter hinten noch größere Freiräume. Schon war die defensive Viererkette entzerrt, den beiden Innenverteidigern Anatolij Timoschtschuk und Holger Badstuber blieb oftmals gar nichts anderes übrig, als Stellungsfehler zu begehen.

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Die Defensive des FC Bayern wirkte deshalb wie ein schlechtes Spinnennetz, dessen Fäden wild und wirr gespannt sind und an vielen Stellen zu weit auseinander liegen. Verfängt sich eine Fliege nicht zufällig an einer der engen Stellen, dann schlüpft sie ohne Gefahr durch das Netz.

Dortmund gewinnt - dank der richtigen Strategie. Lucas Barrios (mitte) überwindet Bayern-Torwart Thomas Kraft zum 1:0. Luiz Gustavo (links) kommt zu spät. (Foto: dapd)

Das war nicht nur gegen Dortmund so, sondern bereits gegen Inter Mailand - nur dass es den Anschein hatte, die Dortmunder würden nicht nur ihre Chancen besser verwerten als die Milanesen. Sie wussten vielmehr genau, wann und wo ihnen die Münchner die Freiräume ermöglichen würden. Nur so war dieser spektakuläre Sieg möglich. "Wir wollten ein besonderes Spiel machen, das ist uns gelungen", sagte Klopp nach der Partie. Wieder lächelte er, weil er wusste, dass auch diese Aussage eine Untertreibung war.

Während Dortmund mit diesem Sieg eine weitere Bewerbung abgab, auch am Ende der Saison Tabellenführer zu sein, sehen die Münchner ihr Mindestziel für die Saison wieder in Gefahr. Leverkusen kann am Sonntagabend den Vorsprung auf sechs Punkte ausbauen, Hannover 96 - Gegner am kommenden Wochenende - liegt zwei Zähler vor dem FC Bayern. "Das wird kein Selbstläufer in den nächsten Wochen, wir müssen uns in der Bundesliga sehr konzentrieren und anstrengen, um am Ende die Punkte zu erreichen, die wir brauchen", warnte Karl-Heinz Rummenigge.

Direkt nach dem Spiel übrigens feierten die Dortmunder gemeinsam mit ihren Fans in der Münchner Arena, Jürgen Klopp zog sich dabei einen Cut unter dem rechten Auge zu. Die Akteure des FC Bayern sahen das nicht mehr, außer Lahm und Robben bedankte sich keiner bei den eigenen Fans. Ribéry verließ recht schnell den Rasen, mit ernstem Blick und gesenktem Kopf. Wahrscheinlich wusste er schon da, dass er den Schleichweg wählen würde.

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