Bundesliga:Draxler mutiert in Wolfsburg zum Söldner

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Julian Draxler (2.v.r) hat genug von Wolfsburg - das hat er ganz klar fomuliert. (Foto: dpa)

Der Nationalspieler will weg - der VfL reagiert mit einer knackigen Ansage. Hinter dem Wechsel-Theater, das Julian Draxler in Wolfsburg anzettelt, könnte pures Kalkül stecken.

Von Javier Cáceres, Wolfsburg

Am Mittwoch kehrte Julian Draxler, 22, aus seinem Urlaub zurück; der deutsche Nationalspieler durfte sich als Europameisterschafts-Fahrer ein paar Tage länger erholen als das Gros der Belegschaft des VfL Wolfsburg. Knapp 90 Minuten übte er mit den Kollegen im Schatten der VW-Zentrale, dann verschwand er kurz vor Mittag als Erster in die Kabine. Nach dem Essen stand am Nachmittag ein Termin an, der etwas quälender gewesen sein dürfte als das morgendliche Training: Zwecks besserer Vermarktung der Liga bat nämlich eine Abordnung der Deutschen Fußball Liga (DFL) den Spieler Draxler zu einem vorformulierten Statement: "Ich freue mich auf die neue Bundesliga-Saison", sollte Wolfsburgs Nummer 10 in eine Kamera sprechen.

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Zu vermuten stand, dass das Draxler einige Verrenkungen abverlangte. Denn just am Mittwoch hatte er via Bild das genaue Gegenteil kundgetan. "Bei mir ist es so, dass ich mich nach der EM gegenüber Trainer Dieter Hecking klar geäußert habe, dass ich den VfL Wolfsburg verlassen möchte", sagte Draxler. Und meinte: weg aus der Bundesliga, Richtung Ausland.

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Es wird schon seit Wochen darüber spekuliert, dass Draxler nach gerade einmal einem Jahr in Wolfsburg Abwanderungsgedanken hege. Nun bestätigte er sie derart unmissverständlich, dass er am Rande des Trainings mitteilen ließ, er wolle sich gegenüber anderen Medien nicht weiter äußern.

Der Bild hatte er unter anderem Folgendes gesagt: "Mir wurde bei meinem Wechsel im August 2015 mündlich zugesichert, dass ich den Verein verlassen kann, wenn sich dazu Möglichkeiten ergeben. Sowohl von Hecking als auch von (Klub-Manager Klaus) Allofs. Es war klar, dass der VfL Wolfsburg für mich damals eine gute Perspektive, aber auch ein Sprungbrett sein sollte. Es war immer klar zwischen allen Beteiligten, dass ich zu einem internationalen Top-Klub gehen möchte, wenn sich die Chance ergibt. Es war besprochen, dass wir vernünftig miteinander reden, wenn andere Vereine Interesse zeigen."

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Sehr viel deutlicher und sehr viel öffentlicher kann man den Vorwurf des Wortbruchs kaum formulieren, und so dauerte es auch nur ein paar Stunden, bis der Klub sich höchst offiziell zur Wehr setzte. "Der Aufsichtsrat und die Geschäftsführung der VfL Wolfsburg Fußball-GmbH sehen sich nach den heute (...) veröffentlichten Interview-Aussagen von Julian Draxler dazu veranlasst, folgende Klarstellung vorzunehmen und kursierende Gerüchte, die hierauf Bezug nehmen, auszuräumen" - in diesem strengen Amtsdeutsch beginnt ein Kommuniqué, das diesen Fall endgültig bemerkenswert macht, weil es doch sehr selten vorkommt, dass sich Verein und Spieler auf so großer Bühne beharken.

So erklären die Wolfsburger, es habe "zu keinem Zeitpunkt schriftliche oder mündliche Zusagen bezüglich eines Wechsels" innerhalb der aktuellen Transferperiode gegeben; in diesem Zusammenhang bestätigt der Klub öffentlich eine Ausstiegsklausel, die allerdings erst ab 2017 gelte. Laut Bild soll sie bei stattlichen 75 Millionen Euro liegen; unterrichtete Kreise aus Wolfsburg behaupten, sie liege gar noch höher. Aber die entscheidende Passage kommt erst danach.

In der Erklärung steht auch dieser Satz: "Der VfL Wolfsburg wird Julian Draxler in der aktuellen Transferperiode nicht transferieren." Dieses Verdikt knüpft noch mal an einen Satz an, den Trainer Hecking erst kürzlich im kicker geäußert hatte. Dort sagte der Coach, dass ein Spieler "vielleicht auch mal damit leben" müsse, "dass etwas nicht so läuft, wie er sich das vorstellt" - und klagte, dass Spieler und ihre Berater zu viel Macht hätten. Draxler hatte darauf pikiert reagiert; natürlich lasse er seine Interessen durch seinen Berater Roger Wittmann vertreten, meinte er, "dennoch treffe ich eigenständige Entscheidungen".

Nach der knackigen Hausmitteilung aus dem VW-Werk muss der Spieler nun aber erst mal damit rechnen, dass seine eigenständige Entscheidung wohl kaum berücksichtigt werden wird. Nach dieser öffentlichen Festlegung wird der VfL ihn kaum mehr gehen lassen können. Intern werden die Wolfsburger den Spieler wohl auch noch mal daran erinnern, dass er seinen Fünfjahresvertrag beim VfL im vergangenen Jahr aus freien Stücken unterschrieben hat, Wolfsburg zahlte seinerzeit angeblich 36 Millionen an Draxlers Jugendklub Schalke 04.

Nun fällt ihm nicht nur dies auf seine talentierten Füße, sondern auch die Erinnerung daran, dass er schon bei seinem Jugendklub Schalke die Unterzeichnung eines Fünfjahresvertrages durch eine aufsehenerregende PR-Kampagne gefeiert hatte: "Mit Stolz und Leidenschaft bis 2018." Das Image als kühl kalkulierender Karrierist dürfte Draxler allerdings eingepreist haben, als er sich äußerte. Das Interview führte er im Beisein eines Vertreters seiner Beratungs-Agentur Rogon (die eine Anfrage unbeantwortet ließ) am Klub vorbei.

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Es liegt auf der Hand, dass das Interview zielgerichtet war: Es ging darum, eine Situation heraufzubeschwören, in der Wolfsburg die Weigerung, mit anderen Vereinen zu verhandeln, unter der Last des Faktischen aufgibt. Unklar bleibt derweil, wie konkret das Interesse der internationalen Topklubs an Draxler überhaupt ist. In Bild wurde Juventus Turin als Interessent genannt - doch dort winkt man müde ab. Kein Bedarf, heißt es, selbst wenn durch Paul Pogbas Wechsel eine Planstelle frei würde.

Bliebe nach Lage der Dinge vor allem ein Premier-League-Klub, genannt wird beharrlich der FC Arsenal. Allerdings wird in Wolfsburg versichert, dass bislang kein Angebot eingegangen sei. Und nach Lage der Dinge wird nun wohl auch keines mehr kommen.

© SZ vom 04.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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