Was ist ein Bild von Pablo Picasso auf dem freien Markt wert? Genau das, was ein Kunstfreund bereit ist, dafür zu zahlen. Was ist eine Aktie wert? Den Preis, den die Börse im Vergleich von Angebot und Nachfrage ermittelt. Und was ist ein Paul Pogba wert? Genau den Preis, den die Mehrheitseigner von Manchester United, die Glazer-Familie aus den USA, aufzubringen bereit ist. Vorausgesetzt, Juventus Turin gibt den Franzosen ab, aber das werden die Agnellis in Kürze tun. Schließlich gilt die Piemonteser Kaufmannsfamilie als historisch clever. Allerdings wäre noch die Frage zu klären, warum Juve dann den Argentinier Gonzalo Higuaín - den Real Madrid einst für 30 Millionen uncharmant nach Neapel verhökerte - soeben fürs Dreifache, für 90 Millionen Euro, auslöste? Der Wert liegt da wohl, wie beim Picasso, im Auge des Betrachters.
Die 120 Millionen für Pogba wären eine Art Bußgeld
Wer behauptet, der Markt sei "verrückt", wie es jüngst Thomas Tuchel und Jürgen Klopp, der neue und der alte Dortmunder Trainer, unisono taten, der findet für diese nicht allzu exklusive These gerade einige spektakulär durchgeknallte Beispiele. Selten ist der Irrwitz dieser Zunft anschaulicher dokumentiert worden als im Pogba-Geschacher; handelt es sich doch nicht nur um den teuersten Transfer der Historie, sondern zudem um eine Rückhol-Aktion. Im Ernst, und jetzt bitte festhalten, verehrte Geschäftsleute aus den seriöseren Fächern: Dieser Pogba gehörte ManUnited bereits einmal. Jene 120 Millionen Euro, die aufgerufen sind, wären nur eine Art Bußgeld für eine strategische Stümperei.
Von 2011 bis 2013 stand Pogba in der ManUnited-Jugend unter Beobachtung des legendären, inzwischen verrenteten Alex Ferguson, der es vorzog, den Mittelfeld-Schlaks an Juventus auszumustern - ablösefrei. Jetzt holt man Pogba zurück, weil für den neuen Trainer José Mourinho eine Prominenten-Elf um den Schweden Zlatan Ibrahimovic gebaut werden muss - eine Elf, die alles kosten, nur eines nicht darf: gegen Manchester City und Mourinhos Erzfeind Pep Guardiola verlieren. Der einstige Bayern-Trainer hält jedoch schon teuer dagegen. Er holt Leroy Sané, in den er sich in der Bundesliga verguckt hat, und der den Scheichs aus Abu Dhabi, denen ManCity gehört, rund 50 Millionen Euro wert ist.
Verschwunden sind Platini und das Financial Fairplay
Es ist zu vermuten, dass dieser verrückte Markt, der jedes der 47 Erstliga-Spiele eines 20-jährigen Schalkers mit mehr als einer Million bewertet, weitere Tollheiten offenbart. Der Markt ist zudem gerade erst auf die Zielgerade eingebogen, geöffnet noch bis 31. August, und niemand ist in Sicht, der die Macht hätte, ihn zu regulieren. Wer sollte sich auch mit den über Fernseh- und Werbeeinnahmen immer mächtiger gewordenen Klubs anlegen? Wer sollte das wild verästelte Beraterwesen einer Seriositäts-Prüfung unterziehen? Michel Platini, der einstige europäische Verbandschef, hatte den Begriff vom "Financial Fairplay" eingeführt - grobes Ziel: Jeder Klub sollte nur ausgeben dürfen, was er einnimmt. Im Verlauf von Platinis Korruptionsaffäre sind sowohl der Begriff als auch der Uefa-Präsident verschwunden. Der Markt ist freien Kräften ausgeliefert. Dass ihn nach Klopp und Tuchel auch das zahlende Publikum für verrückt erklärt, ist eher unwahrscheinlich.