Borussia Dortmund nach der Champions League:Kunstschuss für die Ewigkeit

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Mit dem wunderbaren Treffer zum 1:1 gegen den FC Arsenal rettet der Zugang Ivan Perisic die Stimmung in Dortmund. Schon im vergangenen Jahr schoss der Mittelfeldspieler in Brügge viele Tore. Auch deshalb sehen ihn nun viele in der Startelf.

Freddie Röckenhaus

Im Gestank warmlaufender Bus-Motoren und dem Getöse der Abbauarbeiten der Fernseh-Ü-Wagen stand nun Ivan Perisic und wusste nicht, was er auf all die Fragen sagen sollte. Sein Volleyschuss mit links war in der 87. Minute mit solcher Präzision in den Torwinkel eingeschlagen, dass sich alle Aufmerksamkeit auf den jungen Kroaten richtete. Sein Tor hatte Borussia Dortmund gegen den FC Arsenal ein 1:1 gerettet - und damit die Hochstimmung, die sich in der Stadt ausgebreitet hatte wegen der Rückkehr in die Champions League.

Dortmunds neuer Überflieger: Der Kroate Ivan Perisic, 22, rettete dem BVB mit seinem Tor kurz vor Schluss einen Punkt gegen den FC Arsenal - und Trainer Jürgen Klopp durfte sich später über die Rückkehr der Leidenschaft freuen. (Foto: AP)

"Wenn man eingewechselt wird, hofft man, dass einem so ein Tor gelingt, ein perfektes Tor", berichtete der 22-Jährige strahlend. Dortmund habe so viele Chancen gehabt, man habe eher zwei Punkte verloren als den einen gewonnen.

Und trotzdem: Sein Tor habe die Wende gebracht. Perisic' gleichaltriger Mannschaftskamerad Neven Subotic konnte sich wegen des späten Ausgleichstors gar nicht mehr beruhigen: "Ein Traumtor, so eines, das du als Kind im Fernsehen siehst und dich ewig daran erinnerst."

Dass der Kunstschuss von Perisic drei Minuten vor Ende der regulären Spielzeit diese überlebensgroße Bedeutung erlangte, lag allerdings auch daran, wie Dortmunds junge Elf vorher mit weit klareren Torchancen umgegangen war - gewohnt fahrlässig. Ob Kevin Großkreutz, Shinji Kagawa oder Robert Lewandowski - in den ersten 30 Minuten spielten die Dortmunder die Torchancen meisterlich heraus, um sie wenig meisterlich zu vergeben.

Trotzdem konnte Dortmunds Trainer Jürgen Klopp, angefressen von der wenig engagierten Vorstellung bei der BVB-Heimniederlage am vergangenen Samstag gegen Hertha BSC, mit ansteckendem Grinsen festhalten: "Wer hätte gedacht, dass wir eine Mannschaft von der Qualität von Arsenal so beherrschen könnten. Ich bin heute richtig glücklich." Dem Fernsehen vertraute Klopp an, er habe seine "Mannschaft wieder gefunden". Sollte heißen: In den letzten Spielen hatte ihm die leidenschaftliche Spielweise beim BVB so sehr gefehlt, dass er seine "Jungs" kaum noch als seine Mannschaft erkennen konnte.

In der Tat versprühte Dortmund über weite Strecken des Spiels wieder in etwa so viel Spielwitz wie bei vielen Vorstellungen in der letzten Saison oder wie zum Saisonauftakt vor fünf Wochen gegen den HSV. Arsenals umgebaute Mannschaft kam nur selten zu mehr als einem hübschen Ballgeschiebe an der Grenze zur Dortmunder Spielhälfte.

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Daniel Theweleit, London

Erst ein kapitaler Querpass-Lapsus, ausgerechnet vom einzigen Champions-League-erfahrenen Dortmunder, von Kapitän Sebastian Kehl, wurde von Robin van Persie zum Führungstor für die Londoner genutzt. "Durch diesen blöden Fehler von mir", gestand Kehl nachher geknickt, "laufen wir dem Rückstand dann hinterher."

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Arsenal zog sich mit der unverhofften Führung im Rücken mit streckenweise acht Spielern auf die eigene Strafraumlinie zurück und ließ die Dortmunder fast die ganze zweite Halbzeit lang rennen. "Das sah dann nicht mehr viel anders aus, als wir es von Hertha am letzten Bundesliga-Spieltag gesehen haben", mokierte sich Klopp. Doch dem kolossalen Druck erlag der FC Arsenal dann doch, als Ivan Perisic den Ball, am Kopf von Zugang Per Mertesacker vorbei, in den Winkel drosch.

Seit Wochen muss sich Perisic, für fünf Millionen Euro vom FC Brügge geholt, mit einer Joker- und Bankrolle begnügen, obwohl ihn viele in Dortmund längst als Stammplatz-Anwärter sehen. In Brügge erzielte der kroatische Nationalspieler in der vergangenen Spielzeit 22 Treffer in der Meisterschafts-Saison, als teils defensiver, teils offensiver Mittelfeldspieler. Perisic kann bei Bedarf sogar Mittelstürmer oder auf der Sechser-Position spielen und alle drei offensiveren Mittelfeld-Positionen sowieso. Und das Kopfballspiel ist des 1,88 Meter großen Athleten gilt ohnehin als herausragend.

Den Dortmundern gefiel nachher vor allem die Erkenntnis, mit einem Kaliber wie den Gunners aus London klar gekommen zu sein. Vor keinem der Arsenal-Stars müsse man sich fürchten, so lautete der allgemeine Tenor, und dennoch blieben die eigenen Baustellen gut erkennbar.

Kehl feierte ein etwas überraschendes Comeback in der Startelf, neben dem an diesem Abend mal wieder herausragenden Sven Bender. Trotz seines folgenschweren Fehlers attestierte Jürgen Klopp dem Senior im Dortmunder Jugendklub, dass er auch künftig ein Kandidat für die verwaiste Position von Nuri Sahin sei. Es macht sich in Dortmund inzwischen immer mehr die Erkenntnis breit, dass der zu Real Madrid abgewanderte (und dort dauerverletzte) Sahin eben doch nicht im erhofften Eins-zu-Eins-Verfahren ersetzt werden kann.

Der frühere Nürnberger Ilkay Gündogan, der dafür eigentlich vorgesehen war, musste gegen den FC Arsenal pausieren, wie zuletzt in der Bundesliga. In der Schlussphase probierte Klopp auf der Sechser-Position für den erschöpft ausgewechselten Kehl erneut den jungen Mario Götze aus. "Er hat das wieder hervorragend gemacht, er hat das bisher immer hervorragend gemacht", lobte der BVB-Trainer seinen Tausendsassa Götze nach dem Spiel.

Am Sonntag, bei Hannover 96, dürfen allerdings weder Kehl noch Götze spielen - beide sind gesperrt. Danach allerdings scheint es keine Denkverbote fürs Rochieren zu geben - und dass Ivan Perisic eine zentrale Rolle in Klopps Überlegungen einnimmt, das darf seit Dienstagabend als sehr wahrscheinlich gelten.

© SZ vom 15.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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