Bayerns Mario Mandzukic:Nur Flügel fehlen

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Münchens Mario Mandzukic (li): Solopressing gegen Turin  (Foto: dpa)

Stürmer Mario Mandzukic hat das Solopressing im Spiel gegen Juventus Turin zu einer modernen Kunstform erhoben. In einer Doppelzange mit Thomas Müller konnte er damit Andrea Pirlo zähmen - eine Taktik, die sich Joachim Löw von Jupp Heynckes noch abgucken muss.

Von Gerald Kleffmann

Natürlich wurde er nach diesem Einsatz, der bezeichnend für seinen aktuellen Stellenwert war, belagert, er tippelte umher, man spürte deutlich: Dieser Athlet war nicht ausgelastet. Bis morgens hätte er spielen können, wenn der Schiedsrichter nicht um 22.35 Uhr abgepfiffen hätte. So stand er nun da, die Haare unter der Kappe, bereit für Fragen. Was auf die Bayern nun zukomme, nach dem 2:0 gegen Turin? "Wichtige Wochen." Wie sein Verhältnis zu seinem Konkurrenten sei? "Kollegial." Ach? Wieder ein Lächeln. "Ihr sucht täglich einen Motzenden", sprach der Stürmer freundlich, "jetzt weiß ich, dass das ein schlechter Platz ist, um aufs Taxi zu warten." Er schmunzelte, weg war er.

Nein, dieser Abend gehörte, mal wieder, nicht Mario Gomez, der sich immerhin, mal wieder, einen Fairplaypreis verdiente. Zwei Minuten durfte der langjährige Abgesandte für Torangelegenheiten mitspielen, als Ersatz für Bayerns derzeitigen Stürmer Nummer eins. Ein schlechtes Wort über Mario Mandzukic? Wird man von Gomez selbst unter Folterandrohung nicht hören.

Mit einem Klagelied würde er auch nicht punkten, zu offensichtlich hat ihm seit Wochen die kroatische Kampfmaschine den Rang abgelaufen. Man muss sogar davon ausgehen, dass bald im Lexikon neben dem Wort Pressing ein Foto von Mandzukic abgelichtet wird. Der 26-Jährige zelebrierte im Viertelfinalhinspiel die höchste Kunstform moderner Defensive: das Solopressing. Glänzte schon die gesamte Bayern-Elf mit der Fähigkeit, "geschlossen gegen den Ball zu agieren", wie es Sportvorstand Matthias Sammer umschrieb, war Mandzukic primus inter pares.

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Verschnaufte die Gruppe, presste er weiter, vorne, in der Mitte, hinten, links, rechts. Hätte er Flügel, würde er den Himmel abdecken. "Überragend, überragend", schwärmte berechtigterweise Verteidiger Daniel van Buyten über den im Sommer vom VfL Wolfsburg verpflichteten Angreifer. Auch den Ellbogen der Türstehergesellen Leonardo Bonucci und Giorgio Chiellini wich Mandzukic nie aus, die ihn in Doppelzangenmanier beackerten.

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Ein Tritt wiederum gegen Arturo Vidal brachte ihm Gelb ein, aber es war die Sprache, die einer wie Vidal versteht. Einzig nach dem Spiel machte der Kroate aus Slavonski Brod eine Ausnahme, als er kommentarlos entschwand. Vielleicht fürchtete er auch nur gewisse Neigungen eines Kollegen. "Das ist der Schlüssel zum Erfolg", frohlockte van Buyten, "wenn er 20 Meter vor uns ist und grätscht, da könnte ich ihm einen Kuss geben. Seit Anfang der Saison agieren unsere Stürmer so, und das ist schön zu sehen."

So schön, dass der Kniff mit dem Pressing gar in einem größeren Zusammenhang gesehen wurde. Mandzukic bildete ja seinerseits mit Thomas Müller eine Doppelzange, die dazu beitrug, "Pirlo aus dem Spiel zu nehmen" - so hatte explizit eine Dienstanweisung von Heynckes gelautet. Die Angreifer parierten und ließen sich oft zurückfallen, um Andrea Pirlo rücklings zu attackieren. Für den genialen Ballstreichler, der mit dem kompromisslosen Mario Balotelli Deutschland bei der vergangenen EM zerlegt hatte, mag das Pirlopressing eine neue Auszeichnung sein.

Für Bundestrainer Joachim Löw dagegen, der damals eine andere Taktik wählte und Toni Kroos gegen Pirlo stellte (Pirlowatching genannt), mag manche Wunde nun wieder leicht schmerzen. "Das, was uns ein bisschen kaputt gemacht hat beim Spiel gegen Italien im Halbfinale 2012 war in Spielzügen ja die gleiche Strategie von Juve", erklärte nun Sammer und fügte wie einen Gruß in den Schwarzwald an: "Wir haben es besser verteidigt - inklusive Pirlo weggenommen."

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© SZ vom 04.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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