Bayern-Sieg in Stuttgart:"Manchmal brauchen wir eine Warnung"

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Schon klar: Am Ende jubeln die Bayern. Das 2:1 in Stuttgart kostete große Mühe. (Foto: Bongarts/Getty Images)

So entschlossen wie der VfB Stuttgart agierte lange keine Bundesliga-Mannschaft mehr gegen die Bayern. Dass die Münchner beim glücklichen 2:1 im Schwabenland trotzdem ihre Serie ausbauen, liegt an der Wandlungsfähigkeit der Guardiola-Taktik - und an einem genialen Moment.

Von Benedikt Warmbrunn, Stuttgart

Leichtfüßig lief Uli Hoeneß durch den Kabinengang, den Körper in einen so langen Mantel gehüllt, dass er wie eine schwebende Fee wirkte. Ein Kommentar? "Ein Spiel dauert 90 Minuten", sagte Hoeneß, er lächelte, "manchmal dauert es länger." Dann entschwand er vergnügt in die Stuttgarter Nacht.

Es muss ein ungewöhnlicher Abend für den FC Bayern gewesen sein, wenn den Präsidenten eine so schlichte Weisheit derart amüsiert.

Es war ja auch ein ungewöhnlicher Abend in Stuttgart. Eine Stunde lang hatte der FC Bayern in diesem Nachholspiel einen Gegner, der ihn nicht nur ein bisschen reizte, sondern der es erfolgreich geschafft hat, den Pep-Guardiola-Fußball zu decodieren. Und doch siegte das Team des Katalanen durch einen Treffer in der letzten Minute gegen den VfB 2:1 - weil der Pep-Guardiola-Fußball immer wieder neu verschlüsselt werden kann.

FC Bayern in der Einzelkritik
:Wie Eiswürfel in kochendem Nudelwasser

Xherdan Shaqiri rennt überall hin, muss aber feststellen, dass er nicht Franck Ribéry ist. Thomas Müller verzweifelt an diversen Körperteilen und Dante hätte sich lieber ausgeruht. Die Bayern beim 2:1 gegen Stuttgart in der Einzelkritik.

Von Benedikt Warmbrunn, Stuttgart

Und weil die Spieler eine Qualität gezeigt haben, die sie in der vergangenen Saison so stark gemacht hatte. "Ich bin froh, dass wir weiter den Geist in der Mannschaft haben, der uns letztes Jahr ausgezeichnet hat", sagte Thomas Müller, "man hat gemerkt, dass wir trotz eines großen Vorsprungs in der Tabelle das Spiel gewinnen wollten."

Trainer Guardiola hatte seine Startelf im Vergleich zur Partie in Mönchengladbach fünf Tage zuvor nicht verändert, und dies nutzte sein Stuttgarter Kollege Thomas Schneider aus. Der VfB setzte dem 4-1-4-1-System der Gäste ein 4-4-2 entgegen, mit zwei Stürmern, die unaufhörlich die Innenverteidiger des FC Bayern attackierten. Mit vier Mittelfeldspielern, die sich einheitlich auf einer Linie verschoben und nur wenige Lücken in der eigenen Defensive zuließen. Vor allem aber trat der VfB mit einer körperbetonten Lästigkeit auf, wie das gegen Guardiolas FC Bayern in der Bundesliga bisher nur wenige Mannschaften versucht haben.

Gegen die kleinen, wendigen, kurzpassfreudigen Mittelfeldspieler des FC Bayern stellte Schneider zum Beispiel Rani Khedira auf, einen 20-Jährigen, der einen sehr berühmten älteren Bruder hat, welcher vor allem fast 20 Zentimeter größer ist als seine Gegenspieler am Mittwoch. Und der zudem versteht, dass ein Kurzpass nur dann gelingt, wenn der Passende kurz Zeit hat. "Wir wollten den Bayern-Spielern wehtun", sagte VfB-Torwart Sven Ulreich, "sie mögen es nicht, wenn man ihnen auf die Füße tritt." Sie mögen es ganz und gar nicht.

Der VfB war in der ersten Stunde die bessere Mannschaft, spielte konsequenter nach vorne, hatte die klareren Chancen, bekam bei einer Abwehraktion von Rafinha einen Handelfmeter verwehrt und traf schließlich durch Vedad Ibisevic nach einer Abseitsposition (29.). "Wir hatten keine Lösungen", sagte Kapitän Philipp Lahm. Dann wurde der Pep-Guardiola-Fußball neu verschlüsselt.

"Manchmal brauchen wir eine Warnung, um zu reagieren", sagte der Trainer, "manchmal brauchen wir ein Problem." Also reagierte er.

Bayern-Sieg in Stuttgart
:Scherenschlag in der Nachspielzeit

Glückliches Ende im Nachholspiel: Ein akrobatischer Treffer des Spaniers Thiago sichert den 2:1-Sieg des FC Bayern in Stuttgart. Obwohl der VfB die Münchner in einem imposanten Kampfspiel fordert, hat der Tabellenführer jetzt schon 13 Punkte Vorsprung in der Liga.

Guardiola wechselte in Mario Mandzukic und Claudio Pizarro zwei Stürmer ein, zusammen genau 371 Zentimeter an körperbetonter Lästigkeit. Die Angreifer rückten abwechselnd in das Sturmzentrum, drückten so den VfB weiter vor dessen Tor, schon nach zwei Minuten hatte Pizarro eine erste Chance. Er scheiterte am prächtigen Stuttgarter Torwart Ulreich, der den Bayern-Angreifern mit seinen Paraden lange sehr weh tat. "Ich hatte schon das Gefühl, dass noch was passiert", sagte Müller.

Es passierte: der Ausgleich durch Pizarro, nach einer Freistoßflanke von Thiago (76.). Es passierte: der Siegtreffer von Thiago, ein "wunderschönes Tor", wie der Spanier selbst richtig anmerkte. Nach einer Flanke von Rafinha legte sich der Mittelfeldspieler seitlich in die Luft, die Beine schnappten wie eine Schere, kunstvoll schoss er den Ball ins Tor. Ein Kandidat für das Tor des Jahres scheint damit schon zu diesem frühen Zeitpunkt gefunden zu sein. In der dritten Minute der Nachspielzeit führten die Münchner plötzlich 2:1, was für eine Dramaturgie. War er das wieder, der berühmte Bayerndusel? "Wenn man in der letzten Minute ein Tor schießt, ist das immer glücklich", sagte Müller.

Der FC Bayern hat nun 43 Bundesliga-Spiele in Serie nicht verloren, in der Tabelle hat das Team 13 Punkte Vorsprung auf Verfolger Leverkusen und 17 Punkte mehr als der Drittplatzierte aus Dortmund. Natürlich geht es nicht mehr darum, wer in dieser Saison Meister wird. Spannend bleibt nur noch ein Ziel. "Wir wissen, dass jede Mannschaft die erste sein will, die den FC Bayern besiegt", sagte Philipp Lahm. Am Sonntag wird sich Eintracht Frankfurt versuchen, in München. Zu Hause hat der FC Bayern in dieser Saison alle Spiele gewonnen.

Wie angenehm, dass der VfB Stuttgart erst am letzten Spieltag nach München reist.

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