Bayern-Doppeltorschütze Franck Ribéry:Der Typ mit dem großen Zeh

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Dribbeln, spielen, schießen, jubeln: So funktioniert Franck Ribéry. Beim 2:0 gegen Schalke 04 zeigt der Franzose, was der FC Bayern an ihm hat. Die Handschlag-Debatte ist längst vergessen - auch weil Trainer Jupp Heynckes weiß, dass es Teil seines Jobs ist, auf das Befinden seines Mittelfelddribblers zu achten.

Michael Neudecker, Fröttmaning

Die "relation" zu den Fans sei "Wahnsinn", sagte Franck Ribéry in seiner besonderen Mischung aus Französisch und Deutsch, und Jupp Heynckes, der Trainer, sei "fast wie Papa für mich". Er tat dann noch so, als würde er den Europapokal hochheben, das war lustig, die Leute lachten, es war September, der FC Bayern hatte gerade Manchester City in der Champions League 2:0 vom Platz gezaubert, in der Bundesliga stand er im Grunde als Meister fest, und Jupp Heynckes war der beste Trainer der Welt.

Überragend: Doppeltorschütze Franck Ribéry. (Foto: AP)

Am Sonntagnachmittag nun, im Februar 2012, zauberte der FC Bayern den FC Schalke 2:0 vom Platz. Beide Treffer erzielte Ribéry, es war ein beeindruckender Auftritt des Franzosen.

Und dazwischen? War was?

Franck Ribéry ist jetzt seit 2007 beim FC Bayern, er hat schon sehr viele sehr gute Spiele für diesen Klub gemacht, und in den vergangenen Tagen war er mal wieder eines der Gesprächsthemen in München. In Wahrheit ist ja zwischen September und Februar ziemlich viel gewesen, ein 1:2 gegen Hannover zum Beispiel, ein 1:3 gegen Mönchengladbach, sogar ein 0:1 gegen Basel.

Tabellenplatz drei in der Liga, den Verfolger Schalke unmittelbar hinter sich, dazu eine aufkommende Trainerdebatte: Das war die Ausgangslage der Münchner vor diesem Sonntag. Und natürlich war er einer der Hauptverantwortlichen für diese Lage, Franck Ribéry. Er war es, der gegen Basel die besten Gelegenheiten vergeben hatte, und hatte er nicht Heynckes nach seiner Auswechslung den Handschlag verweigert?

Natürlich war die Handschlagdebatte unsinnig, aber doch gab es bei den Münchnern gewisse Schwierigkeiten in der zwischenmenschlichen Kommunikation, wie das eben so ist, wenn Fußballmannschaften nicht gewinnen. Am Freitag habe er deshalb getan, was ein Trainer tun müsse, sagt Heynckes: "Ich habe den Spielern zugehört." Manuel Neuer, der Torwart, sagt: "Wir haben uns viele Sachen von der Seele geredet." Unter den Gesprächen im Hotel Dolce in Unterschleißheim war auch eines mit Ribéry, "ein langes Gespräch", wie Heynckes sagt, "das war notwendig, ich glaube, das hat den Franck auch befreit".

Siege wie Niederlagen haben beim FC Bayern oft einen Zusammenhang mit Franck Ribéry. Der Holländer Arjen Robben ist zwar der, der auf rechts außen hin und wieder ein paar Leute ausdribbelt und an guten Tagen ein ganzes Stadion mitreißen kann - Franck Ribérys Bedeutung für den Gesamterfolg dieser Mannschaft aber wird nur noch von Bastian Schweinsteigers Stellung übertroffen.

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:Abklatschen! Zähne fletschen! Fäuste ballen!

Franck Ribéry ist der Spieler des Tages und nimmt es alleine mit allen Schalkern auf, Jérôme Boateng überragt gegen Klaas-Jan Huntelaar, David Alaba ist der neue Motor im Bayern-Spiel - nur Mario Gomez stolpert wie in schlimmsten Länderspiel-Zeiten. Die Bayern beim 2:0 gegen Schalke in der Einzelkritik.

Thomas Hummel, Fröttmaning

Jupp Heynckes weiß das natürlich, auch deshalb betrachtet er es als Teil seines Jobs, auf das Befinden Ribérys zu achten; und Heynckes trifft, wie sie im Klub sagen, stets den richtigen Ton bei dem Franzosen. Ohnehin hat Ribéry eine gewisse Wandlung durchlebt: Als er begann, für den FC Bayern aufzulaufen, galt er zwar als offenherziger Spaßvogel, ansonsten aber eher als Solodribbler - inzwischen betrachtet er sich als Führungsfigur, junge Spieler wie etwa David Alaba behandelt er im Trainingsbetrieb und danach geradezu mentorhaft.

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Thomas Hummel, Fröttmaning

Was den Ribéry von heute außerdem von dem Ribéry von früher unterscheidet, das war nun zum Beispiel in der ersten Halbzeit zu sehen: Da sprintete Ribéry, kurz nur, und dann war er an der Sechzehnmeterlinie vor dem Tor des FC Bayern, er holte sich den Ball von den Schalkern und passte ihn sofort weiter zum nächsten freien Mitspieler. Manchmal war es, als sei September.

Und dann, das sowieso, diese Tore: In der 36. Minute schlug Luiz Gustavo in einer seiner wenigen guten Szenen den Ball von weit hinten nach weit vorne, hoch in den Lauf von Ribéry, dem Schalkes Torhüter Hildebrand entgegengerannt kam - doch Ribéry lupfte den Ball mit dem rechten großen Zeh über Hildebrand hinweg, akrobatisch sah das aus. Ribéry schob den Ball direkt ins leere Tor, und dann lief er los, lief, lief, über den gesamten Platz, schau an, dachte man da: Er will zu Heynckes.

Als Ribéry die Trainerbank erreicht hatte, stand Heynckes da, aber Ribéry lief weiter, und als er Heynckes passierte, klatschte er sich mit ihm ab, erst danach kam er zum Ziel: ein paar Freunden in Reihe eins. Weil man sich so nicht freuen darf, sah Ribéry die gelbe Karte. Der zufällig im Weg stehende und abgeklatschte Heynckes auf dem Jubellauf von Ribéry, das war ein schönes Bild: Staatsmännische Gesten sind ihm fremd. Dribbeln, spielen, schießen, jubeln, so funktioniert Ribéry.

In der 55. Minute ließ er schließlich das 2:0 folgen, ein Doppelpass mit Thomas Müller, ein Haken, ein Schuss, dann war das Spiel entschieden.

Bevor er danach mit seinen Freunden die Arena verließ, hinterließ Franck Ribéry noch diesen Satz: "Wir hatten in letzter Zeit alle ein bisschen Angst, in solchen Zeiten ist es wichtig, ruhig zu bleiben." Das Gespräch mit dem Trainer, fügte er an, "hat mir dabei sehr geholfen". Nicht nur ihm.

© SZ vom 27.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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