Arsenal gegen Liverpool:Klopp ist aggressiv glücklich

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Jürgen Klopp hatte beim 3:3 gegen Arsenal einen anstrengenden Abend. (Foto: AFP)
  • Das englische Spitzenspiel zwischen Arsenal und Liverpool verläuft turbulent, am Ende steht es 3:3.
  • Liverpools-Trainer Jürgen Klopp wirft eine Wasserflasche aufs Feld - und muss sich rechtfertigen.
  • Hier geht es zur Tabelle der Premier League.

Von Sven Haist, London

Am Ende einer der außergewöhnlichsten Spielpassagen des FC Arsenal in der jüngeren Vereinsgeschichte rutschte Mesut Özil den Fans mit offenem Mund auf den Knien entgegen. Die Menschen ließen ihren Liebling hochleben - und Arsenals Spielmacher war selbst erstaunt, was für ein Coup ihm da gelungen war. Die Schönheit seines Treffers hatte durchaus mit Kunst zu tun.

An der Seitenlinie sprang Arsène Wenger, der seine Emotionen normalerweise zurückhält, extra von der Ersatzbank auf und jubelte ausgelassen in seiner Trainerzone. Niemand der 59 409 Zuschauer im Stadion, inklusive Wenger, dürfte diese vier Minuten und 45 Sekunden in der zweiten Halbzeit vergessen, in denen die Gunners drei Tore quasi auf einmal erzielten. Den dritten Treffer erzielte Özil selbst, nach einer eigens initiierten Kombination mitten durch die Verteidigung des Gegners.

Beide Klubs gehören zu den Attraktionen der Premier League

Zum launischen Wesen Arsenals gehört allerdings ebenso, dass nicht mal diese drei Tore in so kurzer Zeit für einen Sieg gereicht haben. Die Fragilität des Klubs spiegelt am besten die Stimmung bei den Anhängern. In keiner anderen Spielstätte auf der Insel schwankt das Publikum mehr zwischen Verehrung und Vernachlässigung der eigenen Spieler. Wie am Freitagabend ist es manchmal nur eine Aktion, welche die Atmosphäre grundlegend verändert. Vor Özils magischem Moment gingen die Leute auf alle und jeden los, der das Vereinswappen auf der Brust trug.

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Das mitreißende 3:3 (0:1) zwischen dem FC Arsenal und dem FC Liverpool hat wieder einmal bewiesen, warum die Klubs jeweils zu den Attraktionen der Premier League gehören und gleichzeitig in der Tabelle so weit hinter dem Spitzenreiter Manchester City liegen. Der insgeheime Gewinner der vergangenen fünf Duelle war der Fußballfan, abgesehen von den direkten Konkurrenten um die Qualifikation zur Champions League. Zu sehen gab es nämlich 27 Tore. Seit Jürgen Klopp im Oktober 2015 als Trainer in Liverpool anfing, folgte dem 3:3 vor knapp zwei Jahren ein 4:3, 3:1, 4:0 für Liverpool - und jetzt wieder ein 3:3. Eine bessere Unterhaltung lässt sich selbst in der auf Unterhaltung ausgelegten Premier League kaum finden. "Ein fantastisches Spiel mit zwei Mannschaften, die angreifen wollten", sagte Wenger.

Nach der besorgniserregenden Blamage in der Hinrunde in Anfield lieferte Arsenal in der Anfangsphase den Beweis, dass der Klub durchaus bereit ist, aus seinen Fehlern zu lernen. Durch die personellen Veränderungen im Trainerstab haben die Gunners in ihrer Ausrichtung an taktischer Flexibilität gewonnen. Schon nach zehn Minuten zog sich Klopp an der Seitenlinie mit seinem Assistenten Zeljko Buvac zurück, um den ersten von letztlich drei Wechseln in der Grundformation vorzunehmen. Mit der Maßnahme, den Raum vor der Abwehrkette mit zwei Spielern zu verdichten, stoppte Liverpool den Spielfluss Arsenals und ließ den Gegner hilflos zurück. Bei allem Bestreben, das eingesessene Trainerteam Wengers zu erneuern, hat weiterhin Bestand, dass die Verantwortlichen am Spielfeld nur im absoluten Notfall mit Änderungen in die Partie eingreifen.

Regelmäßig führt das zu einem Tribünenaufstand der Fans, wenn zwischenzeitlich das Ergebnis ausfällt wie nach den beiden Treffern Liverpools durch den bestechenden, aber abwanderungswilligen Philippe Coutinho (26.) und Flügelflitzer Mohamed Salah (52.). Das folgende Kleinkunstfeuerwerk Arsenals begünstigte Liverpools Torwart Simon Mignolet mit einem schwerwiegenden Fehlgriff beim Ausgleich durch Granit Xhaka (56.). Zuvor hatte Alexis Sanches den Anschluss hergestellt (53.), ehe Özil, der beste Mann des Spiels, für die Aussicht sorgte, die Gunners könnten in der Tabelle um zwei Punkte an Liverpool auf Rang vier vorbeiziehen (58.).

Mit der Vorgehensweise, die bei Ballverlust kaum eine Absicherung besitzt, lässt sich wohl bei der gegenwärtigen Entwicklung des Fußballs kein Ligatitel mehr gewinnen, aber Wenger, der schon drei Mal englischer Meister war, möchte trotzdem so spielen lassen - weil er als Liebhaber des schöpferischen Spiels gar nicht anders kann. In dieser Saison hat sich Arsenal die meisten Torchancen aller Teams herausgespielt.

Ein ähnliches Spektakel wie diese Begegnung, die durch den Treffer von Roberto Firmino (71.) ihre letzte Wendung erfuhr, lieferte sich Klopp mit den Schiedsrichtern - und den Zuschauern. Infolge des Ausgleichs warf er den Leuten auf der Tribüne schräg hinter ihm eine halbvolle Plastikflasche vor die Füße, um kurz darauf mit einer Verbeugung um Nachsicht zu bitten.

"Das war eine Art aggressives Glücklich-Sein. Manchmal reagiere ich ein bisschen merkwürdig. Aber ich habe die Flasche wieder aufgehoben und konnte sie danach noch austrinken, also war es nichts besonders Ernsthaftes", sagte Klopp: "Wenn die Leute sich ebenfalls entschuldigt hätten, für alles, was sie zu mir gesagt haben, hätte das länger gedauert als meine Entschuldigung."

Aus Liverpools Sicht hätte Arsenal niemals einen Weg zurückfinden dürfen in dieses Spiel, so wie aus Arsenals Sicht letztlich Liverpool niemals mehr zum Ausgleich kommen darf. Eine Einordnung, die für beide Klubs gleichermaßen zutrifft, lieferte hinterher Liverpools James Millner: "Wir müssen lernen, langweiliger zu werden." Dem neutralen Beobachter würde das sicherlich nicht gefallen, aber die eigenen Erfolgschancen erhöhen.

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