Deutsches Team vor der Ski-WM:Mehr als Maria und Felix

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Es ist eine Kann-sein-vielleicht-auch-nicht-Geschichte: Bis auf Felix Neureuther fahren die deutschen Skifahrer aussichtsreich, aber nicht als Topfavoriten zur Ski-Weltmeisterschaft nach Schladming. Das geheime Ziel lautet: Die Österreicher ärgern.

Von Michael Neudecker

Maria Höfl-Riesch ist keine Träumerin, sie weiß, wie die Dinge einzuschätzen sind. Fünf Einzel-Wettbewerbe stehen bei den alpinen Ski-Weltmeisterschaften in Schladming auf dem Programm, an diesem Montag ist Eröffnungsfeier, am Dienstag das erste Rennen, und Maria Höfl-Riesch findet: Fünf Mal Gold, das sei durchaus möglich.

Fünf Mal Gold bei einer WM, das hat noch keine Skirennfahrerin geschafft, aber es sei eben so, sagt Maria Höfl-Riesch: "Wenn es läuft, dann läuft es." Und es steht ja tatsächlich außer Frage, dass es läuft, weshalb es also durchaus denkbar ist, dass Tina Maze in Schladming fünf Mal gewinnt. Maria Höfl-Riesch ist keine Träumerin. Sie weiß, von wem die Welt in Schladming Medaillen erwartet: von ihr eher nicht.

Maria Höfl-Riesch war in den vergangenen Jahren die sogenannte Vorzeigeathletin des Deutschen Skiverbandes (DSV), diejenige, die mit ihren Erfolgen im Vordergrund stand, und wenn man etwas über das deutsche Frauen-Team erzählen wollte, erzählte man vor allem etwas über sie.

Daran hat sich nicht viel geändert, es sind nur nicht mehr die gleichen Sachen wie früher, die es zu erzählen gibt: Nicht mehr nur die Geschichten von Siegen und Medaillenchancen, nicht mehr die Geschichten, die man ohnehin schon kennt, sie hat ja schon nahezu alles gewonnen, was man in diesem Sport gewinnen kann. In der bisherigen Saison gelangen ihr nur zwei Podestplatzierungen, Tina Maze dagegen 17, Lindsey Vonn schaffte es noch sechs Mal unter die ersten Drei, wobei alle sechs Mal Siege waren. Am Dienstag nun findet in Schladming der Super-G der Frauen statt, Tina Maze ist die Favoritin, Lindsey Vonn auch - aber Maria Höfl-Riesch? "Die Favoritin bin ich ja eher nicht", sagt sie.

Wolfgang Maier, der Alpindirektor des DSV, sagt: Es sei "kein dummer Zug" seiner erfolgreichsten Athletin, "sich selbst aus der Favoritenrolle rauszunehmen". Er kennt das Geschäft, er war schon so oft bei Weltmeisterschaften, dass er nicht mehr weiß, wie oft, und er kennt Maria Höfl-Riesch. Er weiß, was sie kann, und dass Maria Höfl-Riesch immer noch Maria Höfl-Riesch ist, ganz egal, wie die Saison bislang lief; ganz egal, wie sehr es bei Tina Maze läuft. Maria Höfl-Riesch ist eine außergewöhnlich begabte Skirennfahrerin, und es wäre keine Überraschung, wenn sie in Schladming bei der einen oder anderen Siegerehrung dabei wäre. Oder?

Die Geschichte von Maria Höfl-Riesch und den deutschen Frauen ist in den Tagen vor der Schladminger WM eine komische, eine Kann-sein/Vielleicht-auch-nicht-Geschichte. Viktoria Rebensburg gewann zwar vor drei Wochen etwas überraschend den Super-G von Cortina, auch sie hat eine grundsätzliche Siegbefähigung, aber auch sie hat eine für ihre Verhältnisse eher durchwachsene Saison hinter sich.

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Im Riesenslalom, der Disziplin, in der sie Olympiasiegerin ist und in den vergangenen beiden Jahren stets die Beste war, schaffte sie nur einen Sieg; in Maribor, dem letzten Rennen vor der WM, schied sie im ersten Durchgang aus.

Christina Geiger gilt seit Jahren als unerfülltes Versprechen im Slalom, ihr Schwung ist elegant und dynamisch zugleich, allein in den letzten fünf Slalom-Rennen vor der WM aber schied sie dreimal aus. Abfahrerin Gina Stechert kehrt gerade von einer Verletzungspause zurück, ihre Kollegin Veronique Hronek ist mit 21 Jahren erst dabei, sich im Weltcup zu etablieren, und das gleichaltrige Multitalent Lena Dürr fährt einerseits mit dem unerwarteten Adrenalinschub des Sieges beim City Event in Moskau nach Schladming, andererseits aber auch mit der Last der typischen zweiten vollen Weltcupsaison, in der ihr bis Moskau eher wenig gelang. "Es sind nicht die leichtesten Zeiten für unser Team", sagt Maria Höfl-Riesch, "für niemanden ist es bisher so gelaufen, dass man eine Medaille erwarten muss."

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Das Ziel, das Alpinchef Maier formuliert hat, ist entsprechend vorsichtig: Drei Medaillen wünsche er sich, sagt er, am liebsten eine von den Frauen, eine von den Männern und eine im Teamwettbewerb. Drei Medaillen, das wäre eine mehr als bei der so missglückten Heim-WM in Garmisch-Partenkirchen vor zwei Jahren, eine durchaus realistische Vorgabe: Die Geschichte der deutschen Frauen kann in den Tagen vor der WM ja nicht ohne die Männer erzählt werden. Es ist noch nicht lange her, da gab es nur Felix Neureuther, irgendwie, aber jetzt?

Sechs Männer hat der DSV für die WM nominiert, und während die Männer von der Speedabteilung schon über die Teilnahme froh sein können - Stephan Keppler wurde trotz nur zur Hälfte erfüllter Norm nominiert, Tobias Stechert hat gerade die ersten Trainingstage nach einer langen Verletzungspause hinter sich -, kommt für die deutschen Techniker die WM gerade zur rechten Zeit.

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Felix Neureuther ist in der Form seines Lebens, Fritz Dopfer ist nach anfänglicher Schwäche auf bestem Weg dorthin, und der erst 20-jährige Stefan Luitz gilt vielen als eine Art Geheimtipp: Einer, der es unverhofft aufs Podest schaffen kann, wie in Val d'Isère im Dezember, als Luitz mit einer fulminanten Fahrt Zweiter im Riesenslalom wurde. Hinzu kommt der 26-jährige Philipp Schmid, der trotz mehrerer Verletzungen eine ordentliche Saison zeigte: kein Medaillenkandidat, aber auch keiner, der hoffnungslos hinterherfährt, auch nicht den Österreichern. Das ist wichtig: Drei Medaillen, das ist ja nur die halbe Wahrheit, wenn Wolfgang Maier über die Zielvorgaben spricht.

Die Weltmeisterschaften in Schladming sind geplant als rot-weiß-rotes Nationalfest, und deshalb sagen sie im deutschen Verband auch, schelmisch grinsend: Es wäre schön, die Österreicher "ein bisschen zu ärgern". Denn das, ganz unabhängig von Prognosen oder bisherigen Resultaten, das geht immer.

© SZ vom 04.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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