Kuba:Land im Umbruch

Tourists take a ride in a convertible car in Havana, January 6, 2014.

Im Cabrio durch Havanna: Für Touristen ist Kuba ein Paradies.

(Foto: REUTERS)

Eine Reise nach Kuba ist eine Reise in die Vergangenheit. Noch. Der Neuanfang zwischen den USA und Kuba wird den Wandel in dem sozialistisch regierten Land dramatisch beschleunigen.

Von Lars Langenau

Ein junger Mann steht verzweifelt vor dem Tisch des Concierge im Fünf-Sterne-Hotel Parque Central mitten im Zentrum von Havanna. Er hat nur noch ein paar Peso convertible (CUC), muss erst am Folgetag zum Flughafen und besitzt als US-Bürger nur eine amerikanische Kreditkarte. Nur: Die funktioniert nicht auf Kuba. Wie also den Aufenthalt noch für einen Tag bezahlen? Den Transfer zum Flughafen und die Ausreisesteuer von nochmal 25 CUC. Eine absurde Szenerie, vor kurzem in Havanna.

Keine Ahnung wie sie gelöst wurde, aber sie wurde gelöst. Irgendwie. Sicher. Denn im Lösen von Problemen sind die Kubaner Weltklasse. Überall stehen auf dem karibischen Eiland Menschen am Straßenrand, die ihre Autos reparieren. Jeder kann das, muss das können. Einem Kubaner so etwas wie den ADAC erklären zu wollen, mündet in schallendem Gelächter.

Der Nordamerikaner war mit seinem Besuch in Havanna einfach ein bisschen zu früh dran. Auch musste er noch über ein Drittland nach Kuba einreisen. Aber bald soll es immerhin kein Problem mehr sein, in der Republik Kuba mit US-Kreditkarten zu bezahlen, wie gerade Delegationen von Raúl Castro und Barack Obama entschieden haben.

Kuba könnte irgendwann wieder zu einem beliebten Reiseland für US-Amerikaner werden. Es ist sicher, voller Naturschönheiten und alter Kolonialstädte. Die Durchschnittstemperaturen liegen bei mehr als 30 Grad. Und im Alltag erfährt jeder das auf allen Ebenen ziemlich lockere Lebensgefühl der Bewohner der Karibik. Auf der Insel herrscht kein Hunger, es gibt eine gute medizinische Versorgung und das Land ist vollständig alphabetisiert. Für lateinamerikanische Verhältnisse ist Kuba ein Vorzeigeland.

Die Menschen dieses stolzen Landes wissen aber um die Unzulänglichkeiten des real existierenden Sozialismus - und die Auswirkungen des vor einem halben Jahrhundert verhängten Wirtschaftsembargos der USA: Sie stehen stundenlang Schlange vor den Stellen, in denen Grundnahrungsmittel abgegeben werden, die wirklich für jeden Kubaner erschwinglich sind. Doch in den Regalen der Supermärkte herrscht gähnende Leere. Zu kaufen gibt es dort nur eine Wurstsorte, einen Formschinken und eine ziemlich schreckliche Käsesorte.

Manchmal gibt es Fleisch, dann oft nur Schwein. Rind, oder gar Lamm, sind selbst für die staatlichen Restaurants nur schwer aufzutreiben. Cola gibt es dort nur in der einheimischen Ausgabe, die allerdings ziemlich gut ist. Nur die Exportschlager Rum und Zigarren stehen in einer Vielzahl von Produkten und Preisklassen zur Verfügung, für die Liebhaber dieser Produkte in Deutschland niederknien würden.

Die Mangelwirtschaft ist überall sichtbar. Zwar werden zumindest im historischen Teil von Havanna gerade viele Häuser kernsaniert und Straßen herausgeputzt. Trotzdem machen die maroden Straßen schon im angerenzenden Stadtviertel nicht nur den Stoßdämpfern der Oldtimer zu schaffen. Wenn jetzt die Exportbeschränkungen für den Hausbau aufgehoben werden, dann hilft das den Kubanern.

Reise in die Vergangenheit

Eine Reise nach Kuba ist eine Reise in die Vergangenheit. Nicht nur wegen des morbiden Charmes der Altstadt von Havanna, den alten Chevrolets und Fords, die noch immer das Straßenbild prägen. Es gibt schlicht und einfach kein frei verfügbares Internet. Kein Mensch starrt auf Kuba unentwegt auf sein Smartphone. Die Kubaner reden noch auf der Straße, aus jeder Ecke schallt Musik. Will man wirklich ins Internet, dann sucht man sich eine Menschentraube, die vor irgendwelchen Hotspots herumlungern und fragt den Nachbarn nach dem Passwort. Künftig sollen auch US-Telekommunikationsunternehmen auf Kuba Geschäfte machen können. Das wird ein Riesengeschäft.

Der Wandel ist aber schon jetzt unübersehbar: An fast jedem zweiten Haus prangt ein blauer Anker auf weißer Grundierung. Er ist das Zeichen für casa particulares, also privatvermietete Gästezimmer. Überall sprießen auch Restaurants aus dem Boden mit teils überragendem Flair und Küche. In den vergangenen drei, vier Jahren hat sich Kuba mit der Lockerung der Gesetze für die Privatwirtschaft bereits radikal gewandelt. Die neue Politik der USA wird die Veränderungen dramatisch beschleunigen.

Zur US-Botschaft hätte der junge Mann aus dem Hotel Parque Central übrigens nicht gehen und um Geld bitten können. Es gibt keine Botschaft, nur eine ständige Vertretung an der berühmten Uferpromenade Malecón. Vor den sechsstöckigen Betonklotz haben die Kubaner den Josè Martí Anti-Imperialist Plaza gebaut, einen Platz, auf dem es regelmäßig lautstarke Konzerte und Demonstrationen gegen die US-Regierung gibt. Zudem sind vor der US Interest Section 138 Flaggenmasten aufgestellt, die zum einen an die Kubaner erinnern, die durch angebliche US-amerikanische Terrorismusakte ums Leben gekommen sind. Zum anderen verdeckten sie unter US-Präsident George W. Bush politische Parolen auf dem Dach des Gebäudes der Amerikaner.

Der Reichtum dieses Landes sind seine wunderbaren Menschen. Und stolz zu sein, das könnte für die Kubaner heißen, einen eigenen Weg zu gehen. So flexibel, die Errungenschaften der Revolution zu retten. Aber auch so stolz, einem US-Bürger die Heimreise zu ermöglichen.

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