Grenzgang:Der Penegal bei Bozen

Lesezeit: 2 min

Am Scheidepunkt zwischen Meran und den Dolomiten: Der Penegal markiert Anfang und Ende der Südtiroler Landschaften.

Ekkehardt Baumgartner

Blautöne, nichts als Blautöne: Ein schillerndes Panorama aus den Farben des Meeres, des Himmels und des Eises. Hier oben auf dem 1737 Meter hohen Gipfel des Penegals bei Bozen reicht der Blick weit. Im Süden bei Trento sind die Konturen der Berge hell, sie lösen sich im weißen Licht beinahe auf.

"Schaut noch einmal zurück, und merkt euch diese Stelle, denn ihr kommt wieder her, wenn abgerechnet wird!" (Karl May) (Foto: N/A)

Im Norden, wo sich die Sarntaler Alpen erheben, stechen die Felsen hart ins Auge. Vom Vorgeschmack der Weichheit mediterraner Landschaften ist nördlich von Bozen nichts zu spüren. Da muss man schon der Etsch in Flussrichtung nachschauen. Sie trägt das Wasser der nördlichen Quellen an Bozen, Rovereto und Verona vorbei, bis sich der von hunderten Bergzuflüssen gespeiste Strom bei Foce dell'Adige in der Adria auflöst.

Begegnungslinie zwischen Nord und Süd

Es gibt kaum einen anderen Ort in den Alpen, an dem sich der Norden und der Süden harmonischer begegneten als hier, auf dem Penegal. Es ist also nicht nur ein weiter Blick über Berge und Etschtal, den man von dort aus genießt, sondern auch das Erleben eines geografischen Grenzortes. Wer ein Wanderherz hat, der möchte hier weiter. Blickt man nun vom Penegal über das Etschtal hinüber, dann erhebt sich vor den Augen der Rosengarten inmitten der Dolomitengipfel. Im Rücken ragen die Massive der Ortler Alpen empor.

Man kann lang auf diesem Grenzort entlang wandern. Bis hinüber zum Gantkofel (1866 Meter), von wo aus der Blick in die Meraner Gegend schweift. In anderer Richtung lässt es sich vom Penegal aus mit einer Zwischenstation am Mendelpass über die Enzianhütte zur Lavinenspitz (1611 Meter) wandern. Waldige Schluchten und Almen liegen auf dem Weg, manchmal auch felsige Überhänge mit hohen Blumenwiesen.

Der Penegal - Karl Mays Altersruhesitz

Nicht nur Wanderer hat der Berg angezogen, sondern auch Staatslenker. Der kaiserlich-habsburgerische Hof wählte seinerseits das einzige Hotel auf dem Penegal als Sommersitz. Könige und Kaiser verbrachten hier oben ihre Ferientage, auch Sissi. Karl May schrieb hier sein Alterswerk. In seinem Buch "Am Jenseits" heißt es: "Schaut noch einmal zurück, und merkt euch diese Stelle, denn ihr kommt wieder her, wenn abgerechnet wird!" So wird der Penegal nicht nur zum Grenzort zwischen Nord und Süd, sondern auch zum Schicksalsberg.

Trotz literarischer und kaiserlicher Huldigungen kamen in den 90er Jahren nur noch sporadisch die Wanderer herauf, vor allem Busse rollten heran, um kurz einmal Ladungen von Touristen zur Aussichtsplattform zu bringen. Dann fuhren sie weiter. Der Penegal war zu einer unwirtlichen Zwischenstation verkommen. Das lag am einzigen Hotel und Restaurant auf dem Gipfel. Man zog lieber weiter zur nächsten Alm als hier zu bleiben.

Das Hotel auf dem Penegal mit der wunderbaren Aussicht verrottete mit den Jahren zur traurigen Ruine und stand irgendwann leer. Doch letztes Jahr kaufte Serafin Unterholzner, der größte Bauunternehmer Südtirols, das Haus und gleich den ganzen Wald rundherum dazu. Seit einiger Zeit hat das neue Vier-Sterne-Haus geöffnet. Die Fahrt über den Mendel-Pass hinauf lohnt sich also wieder. Der Grenzort ist wieder bewohnbar geworden. Endlich.

© sueddeutsche - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: